• 27.05.2024 11:24

  • von G.Dirnbeck, Co-Autoren: G. Garcia Casanova, L.D'Adderio

"Hätte Chaos geben können": Warum Espargaro nicht mehr Marquez angriff

Nach dem Sieg im Barcelona-Sprint verpasst Aleix Espargaro im Grand Prix knapp das Podium - Warum Trackhouse-Fahrer Raul Fernandez plötzlich so schnell war

(Motorsport-Total.com) - Für Aleix Espargaro war Barcelona ein emotionales Wochenende. Der Spanier ist nur einen Steinwurf von der Strecke entfernt aufgewachsen, obwohl er nun schon seit einigen Jahren in Andorra wohnt. Am Donnerstag gab der Aprilia-Fahrer seinen Rücktritt mit Saisonende bekannt.

Titel-Bild zur News: Marc Marquez, Aleix Espargaro

In der letzten Runde probierte Aleix Espargaro kein Harakiri-Manöver mehr Zoom

Am Samstag sicherte er sich die Poleposition und gewann den Sprint. Auch für den Grand Prix zählte er zu den Topfavoriten, aber in der Schlussphase verlor er im Duell mit Marc Marquez (Gresini-Ducati) den dritten Platz.

"Ich habe alles versucht", sagt Espargaro über das Duell um den letzten Podestplatz, "weil Marc in Rechtskurven keinen Grip mehr hatte. Aber er hat die Innenseiten abgeblockt und im letzten Moment habe ich mich gegen einen Angriff entschieden."

"Es hätte großes Chaos geben können. Mit Marc in Katalonien, einem besonderen Wochenende für mich, wollte ich das nicht tun." Somit musste sich der Routinier mit dem vierten Platz begnügen und konnte nicht bei der Siegerehrung mit seinem Kumpel Jorge Martin feiern.

"Tut mir leid für Aleix", sagt Marquez zum Duell in der Schlussphase, "denn es war sein letztes Rennen hier in Katalonien." Aber es stellt sich die Frage, warum Espargaro am Sonntag nicht mit um den Sieg kämpfen konnte.

"Mit dem weichen Reifen war ich viel stärker, aber mit dem Medium-Reifen habe ich mich nicht gut gefühlt", lautet seine Erklärung für den Unterschied zwischen Sprint und Grand Prix. "Ich habe alles versucht, aber ich konnte ihnen nicht folgen."

Aleix Espargaro

Am Samstag jubelte Aleix Espargaro noch als Sprint-Sieger Zoom

"Von Anfang an hatte ich keinen Grip. Jorge und 'Pecco' haben einen höllisch guten Job gemacht, weil sie sich im Vergleich zum Vorjahr mit dem Medium-Reifen deutlich gesteigert haben. Sie waren extrem schnell, wir haben das nicht geschafft."

"Mit dem weichen Reifen war ich dabei, aber mit dem Medium-Reifen war es unmöglich. Schon am Anfang bin ich viel herumgerutscht und habe den Reifen verschlissen. Ich habe alles versucht, aber ich konnte nichts tun."

Wäre es für Espargaro möglich gewesen, auch im langen Rennen mit dem weichen Hinterreifen zu fahren, so wie es Marquez vorexerziert hat? "Wir haben mit Michelin und meinem Team gesehen, dass der Verschleiß zu hoch gewesen wäre."

"Es ist keine Ausrede, weil die ersten beiden Fahrer auch mit dem Medium-Reifen gefahren sind. Für uns hat es nicht funktioniert", lautet sein Fazit. "Am Ende habe ich mein Bestes gegeben, um nahe an Marc zu sein, aber ich bin ständig gerutscht."

Auf alte Heck-Aerodynamik gewechselt

Interessanterweise ist Espargaro in Barcelona mit dem Heckteil des Vorjahres gefahren und nicht mit der aktuellen Aerodynamik in diesem Bereich, die er seit Saisonbeginn verwendet hat. Warum gab es diesen Umbau?

Aleix Espargaro

In Barcelona wechselte Espargaro auf das Heck der Aprilia RS-GP 2023 Zoom

"Das 2023er-Motorrad ist hier immer noch im vierten Sektor besser", erläutert Espargaro. "Das Turning ist beim aktuellen Motorrad nicht so gut, aber das 2024er-Motorrad erzeugt mehr Anpressdruck. Deshalb ist das Motorrad in den Bremszonen von Kurve 1 und Kurve 10 besser."

"Deswegen habe ich versucht, einen Kompromiss zu finden. Aber ich konnte im letzten Sektor nicht den Speed von Raul Fernandez fahren. Im Qualifying hat er mich dort geschlagen. Aber es ist immer ein Kompromiss."

Raul Fernandez setzt sich in Szene

Trackhouse-Fahrer Fernandez bewies in Barcelona, wie gut die 2023er RS-GP zu dieser Strecke passte. Im Sprint hat er erstmals in seiner MotoGP-Karriere die Führung übernommen und konnte vorne wegziehen, bis er in Kurve 10 gestürzt ist.

Schon im Qualifying hatte Fernandez mit Startplatz drei sein bestes Ergebnis erzielt. Im Grand Prix kam er als Sechster ins Ziel. "Die größte Änderung an diesem Wochenende war die Elektronik", betont der Spanier. "Aprilia hilft mir nun mehr, dass ich natürlicher fahren kann."

"Deshalb bin ich glücklich. Ich habe ihnen gesagt, dass ich diese Hilfe brauche und sie haben mir geholfen. Jeder sieht, dass wir auf einem guten Weg sind. Ich bin wirklich glücklich, denn das haben wir gebraucht. Aber ich bin nicht glücklich genug."

Raul Fernandez

Raul Fernandez mischte in Barcelona erstmals im Spitzenfeld mit Zoom

"Im Rennen habe ich mich mit dem Hinterreifen nicht gut gefühlt. Im Warm-up hat sich der Medium-Reifen noch gut angefühlt, aber im Rennen war es in Linkskurven nicht gut. Es gab keinen Grip, aber noch schlimmer war, dass ich nicht die Unterstützung vom Reifen gespürt habe."

"Dadurch musste ich mehr den Vorderreifen nutzen, weshalb der letzte Teil des Rennens schwierig zu managen war. Da habe ich viel Zeit verloren. Aber wenn man aus der zweiten oder dritten Reihe startet, dann hat man schon die Hälfte vom Rennen erledigt."

Deshalb ist Fernandez insgesamt zufrieden: "Wenn ich alles betrachte, dann war es ein gutes Wochenende, denn im Sprint habe ich um das Podium gekämpft und im Rennen in den Top 5." Denn der 23-Jährige fährt auch um seine Zukunft.

Schwieriges Rennen für Vinales und Oliveira

Wenig zu sehen war in Barcelona von Maverick Vinales. Der zweite Aprilia-Werksfahrer wurde im Sprint Achter und im Grand Prix Zwölfter. Vor allem am Sonntag glich seine Fahrt einem Rodeoritt, denn mehrmals hätte ihn seine RS-GP fast abgeworfen.

"Ich hatte fast überall Highsider", seufzt Vinales. "Ich weiß es nicht, vielleicht hätten wir mehr Zeit gebraucht, um das Motorrad auszusortieren. Ich habe mit dem Dämpfer und anderen Federn experimentiert, aber am besten funktioniert das, was ich schon die ganze Saison fahre."

"Vielleicht hat dieses Motorrad bei diesen Verhältnissen nicht funktioniert, so wie in Jerez", grübelt der Routinier. "Es war ein Wochenende, an dem ich nicht attackieren konnte. Ich konnte das Motorrad nur fahren, mehr nicht. Mehrmals habe ich Scheitelpunkte verpasst."

Warum war Teamkollege Espargaro um so viel schneller? "Unterschiedliche Stile, aber auch die erste Startreihe", meint Vinales. "Wenn man sich die Rennmitte ansieht, dann bin ich einige Runden schneller als Aleix gefahren. Um ehrlich zu sein, wir waren nicht auf dem Level."

Im Schatten seines Teamkollegen stand auch Miguel Oliveira. Der zweite Trackhouse-Fahrer schied im Sprint durch Sturz aus und im Grand Prix sah er als Zehnter die Zielflagge. "Im Sprint gab es ein Problem mit dem Vorderreifen, weshalb ich gestürzt bin", seufzt der Portugiese.

Und im Grand Prix? "Es war ein schlechtes Rennen, ich habe nichts Positives gefunden. Der Grip war sehr schlecht. Ich habe versucht, das so gut wie möglich zu managen, aber ich bin viel herumgerutscht. Die Pace war vernünftig, aber nicht gut genug, um für etwas Besseres zu kämpfen. Platz zehn ist okay, aber die Performance war enttäuschend."