Schrötter: "Es wird durchaus eine wichtige Saison"

Nach einem schwierigen Winter ist Marcel Schrötter bereit für die neue Moto2-Saison - Im Interview spricht der Deutsche über die lange Zitterpartie

(Motorsport-Total.com) - Im Winter war lange Zeit unklar, ob Marcel Schrötter in diesem Jahr überhaupt in der Moto2 starten kann. Nachdem ein Sponsor abgesprungen war, klaffte ein großes Loch im Budget. Der Hoffnungsträger aus Deutschland ließ nichts unversucht und schließlich klappte es doch: Im spanischen SAG-Team wird der 20-Jährige eine Kalex fahren. Die Finanzierung der Saison ist gesichert, worüber sich Schrötter sehr freut. "Ich bedanke mich bei allen, die mich unterstützt haben und bin sehr froh, dass ich diese Chance erhalten habe. Ich weiß es wirklich sehr zu schätzen." Die lange Ungewissheit verzögerte auch die Saisonvorbereitungen. Viele Runden hat Schrötter im Vergleich mit der Konkurrenz nicht abgespult. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' berichtet Schrötter über die schwierige Zeit, seine Vorbereitung und seine Ziele für die anstehende Saison.

Titel-Bild zur News: Marcel Schrötter

Marcel Schrötter steht vor seiner ersten kompletten Moto2-Saison Zoom

Frage: "Über den Winter war es eine lange Zitterpartie, ob du überhaupt ein Motorrad bekommst. Du hast auch einen Aufruf über Facebook gestartet. Kannst du uns erzählen, wie dieser Prozess gelaufen ist?"
Marcel Schrötter: "Es hat sich alles ziemlich lange hinausgezogen. Um Weihnachten herum hat es gar nicht gut ausgesehen. Wir standen außer dem Angebot mit nichts da. In der Woche vor dem ersten offiziellen Test in Valencia ergab sich etwas. Wir konnten erst nach dem Valencia-Test zusagen, als dann alles sicher war. Deswegen haben wir versucht über den Winter mit Aktionen wie Facebook etwas Geld zu sammeln. Es ging nicht nur um den großen Betrag, den man ins Team mitbringen muss, sondern auch die ganzen Reisekosten, die bezahlt werden müssen. Jetzt ist alles sicher, aber es hat lange gedauert."

Frage: "Wie war die Resonanz über Facebook? Soweit ich gesehen habe, war das recht positiv."
Schrötter: "Es war sicherlich kein riesen Betrag, aber es war wichtig für die Reisekosten. Es ist ungefähr die Hälfte des Betrages, den man für die Saison braucht. Das war eine große Sache, die uns sehr, sehr hilft."

Frage: "Ist die Saison ansonsten abgesichert?"
Schrötter: "Ja, die Saison ist sicher."

Frage: "Hast du dir in der schwierigen Phase auch gedacht, dass deine Karriere vorbei sein könnte?"
Schrötter: "Klar überlegt man, ob es wirklich passieren kann. Ich habe nie aufgehört daran zu glauben. Ich habe natürlich mit dem Gedanken gespielt, was sonst möglich wäre. Wenn sich die Situation nicht so ergeben hätte, wie sie jetzt ist, hätte ich wahrscheinlich nicht mehr WM fahren können. Natürlich habe ich überlegt, wo ich sonst fahren könnte, wie die IDM oder die Supersport-WM. In der Supersport-WM hätte es eventuell Möglichkeiten gegeben, aber es war dann schon zu spät. Ende Januar waren natürlich alle Teams vergeben. Ich habe mich schon umgehört, aber ich habe nie aufgehört zu hoffen. Klar spielt man mal mit dem Gedanken, was passieren könnte. Schlussendlich hat es auch geklappt und ich bin sehr froh darüber."


Fotos: IRTA-Tests in Jerez


Frage: "Welche Spezifikation ist deine Kalex?"
Schrötter: "Von 2012."

Frage: "Und kennst du den Unterschied zur aktuellen Version?"
Schrötter: "Soweit ich weiß soll er nicht sehr groß sein. Das Motorrad soll allgemein etwas steifer sein, dazu gibt es eine andere Schwinge. Der Rahmen soll auch etwas steifer sein. Ich glaube, das es auch mehr oder weniger vom Fahrer abhängt, ob er es generell etwas weicher oder steifer bevorzugt. Momentan geben wir uns mit dem 2012er-Motorrad zufrieden."

Kalex ein direktes Motorrad

Frage: "Kannst du eigentlich einen Vergleich zwischen der Bimota und der Kalex ziehen?"
Schrötter: "Man gewöhnt sich relativ schnell und einfach an die Bimota, weil sie vom Fahrwerk her sehr einfach ist. Sie vermittelt ein sehr gutes Gefühl. Deshalb gewinnt man auch schnell ein Vertrauen. Im Trockenen und vor allem im Nassen war es sehr positiv. Wenn es aber darauf ankommt die letzten Sekunden herauszuholen, hat das Motorrad einfach noch Schwächen gehabt. Es war noch relativ neu, denn 2011 sind sie gar nicht gefahren, nur 2010. Es gab schon Nachteile bei der Traktion zu finden, die sehr wichtig in dieser Klasse ist. Solche Sachen eben."

Marcel Schrötter

Im Vorjahr war Marcel Schrötter der einzige Fahrer mit einer Bimota im Feld Zoom

"Die Bimota gibt sehr viel Feedback, aber die Kalex ist ein sehr direktes Motorrad. Man spürt wirklich, was das Motorrad macht. Sie ist sehr direkt und man kann dahin fahren, wo man will. Das macht sehr viel Spaß. Wenn man etwas verändert, dann merkt man sofort die Unterschiede. Bei der Bimota hat man kleine Schritte beim Fahrwerk oft gar nicht so stark gemerkt, weil das Fahrwerk etwas überfahren worden ist. Bei der Kalex merkt man kleine Unterschiede. Sie macht sehr viel Spaß, weil es sich mehr nach Rennmotorrad anfühlt."

Frage: "Es gibt auch das neue Mindestgewicht in der Moto2. Ist das für dich positiv?"
Schrötter: "Für mich macht es keinen großen Unterschied. Wenn, dann ist es für mich positiv. Ich bin bis auf ein Kilo am Limit. Das ist eigentlich perfekt, denn wir brauchen keine Angst haben, dass wir zu leicht werden, weil ich mich vom Gewicht her gut unter Kontrolle habe. Alle anderen werden mindestens so schwer sein wie ich. Deswegen ist es positiv für mich. Fünf oder zehn Kilo merkt man schon, aber ich habe gesehen, dass es bei schwereren Fahrern nicht viel macht. Natürlich ist es positiv, wenn man am unteren Limit ist."

Zusammenarbeit mit Marc-VDS

Frage: "Im Winter gab es auch eine Kooperation mit Marc-VDS. Du hast eine Kalex von diesem Team getestet. Wie läuft da die Zusammenarbeit?"
Schrötter: "Mein Stop-and-Go-Team hat am Ende des Vorjahres mit Marc-VDS verhandelt, weil von einem Juniorteam gesprochen wurde. Ein richtiges Juniorteam ist es nicht, aber es gibt teilweise Unterstützung. Beide Motorräder, die wir in diesem Jahr einsetzen, sind von Marc-VDS gekommen, auch wenn ich meines natürlich bezahlen musste. Bei Teilen, der Organisation oder auch bei Tests können wir vielleicht einmal mit. Vor der Saison wurde viel hinter den Kulissen gegenseitig ausgeholfen."

Marcel Schrötter

In dieser Saison sitzt Marcel Schrötter auf einer Kalex Jahrgang 2012 Zoom

"Im Vorjahr durfte ich in Albacete fahren. Es waren leider nur zehn Runden, weil das Wetter nicht so gut war und sie selbst testen mussten. Aber als es am Ende dann trocken war, durfte ich noch zehn Runden fahren. Es war okay, aber viel testen konnte ich nicht. Es war mehr, dass ich das erste Mal auf einer Kalex sitze. Ich glaube, man hilft sich ein wenig, aber ein richtiges Juniorteam sind wir nicht."

Frage: "Es wird also auch während der Saison eine Zusammenarbeit mit Marc-VDS geben?"
Schrötter: "Ja. Ich weiß aber nicht wie groß. Geplant war eigentlich, dass wir uns die Hospitality teilen. Marc-VDS hat für die ersten Rennen auch Probleme mit ihrer Hospitality bekommen und mussten jetzt einen Notplan aufstellen. Ich weiß nicht genau, wie es da jetzt weitergeht. Bei kleinen Dingen werden wir uns sicher helfen."

Kaum Testzeit in Spanien

Frage: "Du hattest dann praktisch nur den letzten Wintertest in Jerez. Wie ist er gelaufen?"
Schrötter: "Wenn man auf das Papier schaut, dann ist es natürlich nicht optimal. Da wollen wir auch nicht hin. Wir haben auf Espargaro 2,2 Sekunden Rückstand, aber er hat selbst sechs Zehntel Vorsprung auf den Zweiten. Also sagen wir, dass eineinhalb bis zwei Sekunden auf Platz zwei fehlen. Das ist viel Zeit, aber ich bin nur zwei Tage im Trockenen gefahren. Eigentlich waren es nur eineinhalb Tage, wobei am letzten Tag kaum gefahren wurde."

"Ich hatte also einen trockenen Tag. Das war meine ganze Vorbereitung. Da ist es natürlich schwierig, diese Zeit wettzumachen. Die anderen sind auch keine Schlaftabletten, sondern im Gegenteil: Die Klasse ist vom Niveau sehr hoch, das weiß glaub ich jeder. Wenn man neun Testtage Rückstand hat, dann kann man das nie und nimmer an zwei Tagen aufholen, auch wenn der eine oder andere von mir mehr erwartet hätte. Meine Mechaniker und ich sind uns einig und wir wollen uns keinen Stress machen. Ich bin froh, dass ich überhaupt fahren kann. Dafür bin ich sehr dankbar."

Marcel Schrötter

Marcel Schrötter (23) mit seinem SAG-Teamkollegen Xavier Simeon (19) Zoom

"Klar, die Rennen zählen nicht als Test, aber wir müssen weiterarbeiten und wollen die Lücke schließen. Spätestens ab Jerez und Le Mans wollen wir dabei sein. Die Saison ist sehr lang und mein Ziel ist es nicht in diesem Jahr Weltmeister zu werden. Deshalb ist es nicht so bedeutend, dass ich nicht gleich ein Topergebnis erreichen kann, sondern wichtig ist, dass wir uns Stück für Stück steigern."

Frage: "Woran hast du in Jerez hauptsächlich gearbeitet?"
Schrötter: "Ich wollte wieder ins Fahren hineinkommen, ein Gefühl für das Motorrad aufbauen und Runden abspulen. Für mich war alles neu. Dann wollten wir auch am Fahrwerk arbeiten, damit das Motorrad mir besser liegt und es für mich einfacher wird. Das war eigentlich die Hauptarbeit. Zum Schluss wollte ich noch zeitlich nachlegen, aber im Moment ist es schwierig, die Zeit punktgenau rauszuholen, weil ich eben noch die Fahrpraxis brauche. Wichtig war, dass ich ein gutes Gefühl für das Motorrad habe und wir eine Grundabstimmung finden. Das war eigentlich das Hauptziel."

Frage: "Wie läuft die Arbeit im spanischen Team. Kommst du gut mit den Mechanikern aus?"
Schrötter: "Auf jeden Fall. Mit der Truppe bin ich super zufrieden. Es sind super nette Leute. Man hilft sich gegenseitig. Die Chefs schauen auch auf die Fahrer und fragen, ob wir etwas brauchen. Das Verhältnis ist sehr, sehr gut. Man kann auch über alles reden. Ich fühle mich sehr wohl im Team."

Sein Ziel: Konstant Punkte holen

Frage: "Im Prinzip fährst du deine erste volle Moto2-Saison. Was hast du dir vorgenommen?"
Schrötter: "Ich will so oft wie möglich in die Punkte, Top 15 ist das Ziel. Es ist meine erste volle Saison, die ersten elf Strecken kenne ich überhaupt nicht. Deshalb sehe ich mich schon als Rookie, weil ich auch im Vorjahr nicht so viel gefahren bin. Wir hatten auch keine Tests und an den Rennwochenenden kommt man auch nicht soviel zum Fahren. Deswegen sind die Top 15 in jedem Rennen das Ziel. Gerade wenn wir zum Schluss hin ein Top-10-Ergebnis holen, dann wäre das super klasse. Wenn wir das alles erreichen, dann sind wir sehr zufrieden."

Marcel Schrötter

Die Saison 2012 begann Marcel Schrötter noch in der Moto3-Klasse für Mahindra Zoom

Frage: "Wer ist deine Messlatte? Dein Teamkollege Xavier Simeon?"
Schrötter: "Klar, dein Teamkollege ist der Erste, den man schlagen will. Momentan bin ich noch einen Tick zu weit weg, weil er viel mehr Fahrpraxis hat. Er hat auch viel mehr Erfahrung und hat schon Titel in hohen Klassen wie der Europameisterschaft gewonnen. Er ist einer mit viel Erfahrung. Dass Erfahrung wichtig ist, das weiß man auch. Das Ziel ist klar, dass man den Teamkollegen schlägt, auch wenn ich dafür noch etwas Zeit brauche. Ich will mich aber nicht auf irgendeine Person aus dieser Klasse festlegen. Klar schaut man auf die anderen Rookies wie Sandro oder auch Danny Kent. Wenn wir aber gut arbeiten und die Zeit nutzen und aufholen, dann mache ich mir keine Sorgen, dass wir da auch gut dabei sein können."

Wichtige Saison für die Karriere

Frage: "Kann es eines der wichtigsten Jahre deiner Karriere werden?"
Schrötter: "Auf jeden Fall, ja, Zumindest für die Zukunft, damit es weitergeht. Ich weiß, dass wir einfach nicht die finanzielle Stärke habe, damit es Jahr für Jahr weitergeht. Ich weiß auch, dass ich jetzt großes Glück gehabt habe, dass ich überhaupt noch weiterfahren kann. Deswegen wird es ein sehr wichtiges Jahr, dass ich Erfolge einfahren kann, damit es im nächsten Jahr weitergeht. Ich will nicht sagen, dass wir etwas Zeit bekommen, aber die brauchen wir noch. Ich bin überzeugt, dass ich gute Ergebnisse einfahren kann, damit dann für nächstes Jahr alles steht. Es wird durchaus eine wichtige Saison."

Frage: "Wie hast du dich abseits der Strecke vorbereitet? Hast du viel Sport getrieben?"
Schrötter: "Ja. Ich glaube das ist sehr wichtig. Trotz der schweren Zeit im Winter war ich ein Monat in Spanien, um einfach mal etwas anderes zu machen. Wir sind viel Supermoto und Motocross gefahren. Natürlich auch Fitnesstraining, mit dem Mountainbike fahren. Ich finde, es ist sehr wichtig in Spanien zu sein, an einem Ort wo das Wetter passt. Man hat nicht nur optimale Trainingsmöglichkeiten, sondern kann auch den Kopf frei bekommen, denn abgesehen von drei Tagen hatten wir Sonnenschein und blauen Himmel. Das gibt einfach ein super Gefühl. Trotzdem war es eine schwierige Zeit und es ist nicht alles optimal gelaufen. Das war eigentlich meine Vorbereitung. Auch jetzt trainiere ich daheim."

Frage: "Wer ist in der MotoGP dein WM-Favorit?"
Schrötter: "Dieses Jahr wird glaube ich sehr, sehr schwierig. Die Wintertests habe ich verfolgt. Auf der neuen Strecke in Austin war Marquez an allen drei Tagen auf Platz eins. In Jerez hat er sich ein wenig schwer getan. Es ist sehr schwierig. Ich bin überzeugt, dass Marquez beim ersten Rennen um das Podium kämpfen wird. Ich bin auch gespannt welchen Schritt Stefan noch machen kann. Ich denke, dass er auch mehrmals auf dem Podium stehen kann. Es sind aber noch drei andere Fahrer da, wie Lorenzo, Pedrosa und Valentino Rossi. Ich glaube, dass es sehr spannend wird in diesem Jahr und ich kann mich kaum festlegen. Momentan sieht Pedrosa sehr stark aus. Ich glaube, dass fünf oder sechs Leute ganz vorne mitfahren werden."