Dass sie niemand erwischt hat, macht den Indy-500-Penske-Skandal so pikant

Team Penske wurde nach dem Qualifying für das Indianapolis 500 beim Schummeln erwischt - IndyCar hat das Team bestraft, doch ist es wirklich ein Skandal?

(Motorsport-Total.com) - Josef Newgarden und Will Power müssen bei der 109. Ausgabe des Indianapolis 500 der IndyCar-Serie von ganz hinten starten, weil Team Penske beim Mogeln erwischt wurde.Der Skandal spitzt sich weiter zu, denn die geglättete Kante soll bereits seit Anfang 2024 zum Einsatz gekommen sein, ohne dass dies bei den technischen Kontrollen beanstandet wurde. Die Teile sind legal, das steht außer Frage, doch ihre Veränderung ist nicht regelkonform.

Titel-Bild zur News: Josef Newgarden

Josef Newgarden auf dem Indianapolis Motor Speedway Zoom

Die Heckpartie der Fahrzeuge wurde modifiziert, um die Ästhetik zu verbessern. Das war zu keinem Zeitpunkt erlaubt. Nun ist herausgekommen, dass dieser Trick von Team Penske bereits seit längerer Zeit genutzt wurde, doch die technische Abnahme hat das, egal auf welchem Streckentyp, nie entdeckt. In wie vielen Rennen hat sich das Team um Roger Penske, dem außerdem die Serie und der Indianapolis Motor Speedway gehören, also so durchgemogelt?

Um welches Teil geht es?

Um zu verstehen, was Team Penske getan hat, muss zunächst der betroffene Bereich am Auto identifiziert werden. Hinten gibt es einen rechteckigen Kasten, eine hintere Crashstruktur ("Attenuator"), die zwei Funktionen hat. Einerseits soll sie bei Unfällen die Energie absorbieren und so den Fahrer schützen. Andererseits wird auf dem Teil das Regenlicht angebracht, wenn es nötig ist.

Die aktuelle Version wurde im Februar 2023 eingeführt und stellt seit 2016 das größte Upgrade in diesem Bereich dar. IndyCar und Dallara suchten damals nach einer Möglichkeit, mit einer verlängerten Version die Energie bei Einschlägen zu reduzieren. Das sagte Tino Belli, der damals für die aerodynamische Entwicklung bei IndyCar zuständig war.

Attenuartor IndyCar

Das ist die Crashstruktur am Heck Zoom

"Das Konzept ist, die Spitzen der g-Kräfte zu reduzieren und den Absorbierungsprozess zu verlängern. Der Attenuator ist nun länger als der aktuelle. Dallaras Analyse der Crash-Strukturen ist über die Jahre viel besser geworden, sodass sie in der Lage waren, den Prozess vorher virtuell abzubilden, bevor die Teile einem Crashtest unterzogen wurden", sagte er damals.

Die erste Version der Teile wurde zu Beginn der Saison 2023 eingesetzt, sah aber ganz anders aus als die Teile, die 2025 in Indianapolis zu sehen sind. Auch die geglätteten Flächen, die Team Penske nutzt, gab es damals noch nicht. In den Jahren 2023 und 2024 gab es einige Upgrades an den Crashstrukturen. Im Mai 2023 mussten alle Teile zu Dallara gesendet werden, um sie zu verstärken, da es zu Beginn der Saison Probleme gab.

Die erste Lieferung von 2023

Die erste Lieferung von 2023 Zoom

Einige Wochen später gab es erneut ein Schreiben, denn die Teams mussten beim Indy 500 2023 auf die Version aus dem Jahr 2022 zurückgreifen. Die alten Attenuators mussten jedoch modifiziert werden, damit sie mit dem neuen Befestigungssystem kompatibel waren. Zu Beginn der Saison 2024 wurde eine letzte Änderung an den neuen Crashstrukturen vorgenommen, um diese noch stabiler zu machen.

Ein weiteres Schreiben von Dallara

Ein weiteres Schreiben von Dallara Zoom

Es wurden Platten an der Außenseite verklebt, die jetzt bei Team Penske im Fadenkreuz stehen. Diese Platten wurden damals von Dallara direkt angebracht. Ursprünglich bestand der Attenuator nur aus einem Teil, dann wurden diese Carbonteile aber aufgeklebt, um die Crashstrukturen zu verstärken.

Was war bei Team Penske los?

Es gibt nicht öffentlich genannte Quellen, die behaupten, Team Penske habe diese neue Version des Attenuators bereits früh im Jahr 2024 von Dallara erhalten. Die Führungsetage war mit der Ästhetik nicht zufrieden, da die Klebestreifen deutlich sichtbar gewesen wären. Es gibt Gerüchte, dass die Teammitglieder angewiesen wurden, die Kanten zu glätten, damit die geklebten Stellen nicht mehr sichtbar sind. Das sei der Grund, warum die Mechaniker die Kanten mit schwarzer Masse versehen worden haben.

Veränderungen im Jahr 2024

Veränderungen im Jahr 2024 Zoom

Anschließend seien die Attenuators gereinigt und versiegelt worden. Dies ist der Standardprozess vieler Carbonteile bei Penske. Anschließend gelangten sie in die Rotation der Teile für die Saison 2024.

Wie lange hat Penske diese modifizierten Teile genutzt?

Basierend auf Gesprächen mit führenden Persönlichkeiten im Sport und Team-Penske-Personal scheinen diese modifizierten Dämpfer bereits seit über einem Jahr im Einsatz zu sein. Ein Blick ins Fotoarchiv der IndyCar zeigt, dass das Pole-Auto von Scott McLaughlin beim Indy 500 im Jahr 2024 bereits ein Teil mit geglätteten Kanten verbaut hatte.

Scott McLaughlin 2024

Veränderungen im Jahr 2024 auf Platz eins Zoom

Beim Hereinzoomen ist zu erkennen, dass das Heck des Autos angepasst wurde. Weitere Recherchen beweisen: Team Penske hat diese Teile auch auf anderen Strecken genutzt. Beim Rennen auf Road America ist es zum Beispiel am Auto von Josef Newgarden gut zu erkennen. Das sind aber nicht die einzigen Strecken gewesen.

Scott McLaughlin, Crashstruktur, Attenuator

Scott McLaughlin, Crashstruktur, Attenuator Zoom

Auch das Indy-500-Siegerauto von Newgarden im Jahr 2024, das im Museum des Indianapolis Motor Speedway steht, weist geglättete Kanten auf. Dies wurde von vielen Personen festgehalten.

Wo versagte die technische Abnahme?

Team Penske nutzt die geglätteten Crashstrukturen zwar schon seit 2024, wurde aber erst im Vorfeld des Indy 500 2025 dafür bestraft. Das wirft Fragen zur technischen Abnahme auf. Wie konnte es den Kommissaren so lange entgehen, dass die Attenuators nicht den Regeln entsprachen? IndyCar-Technikchef Kevin Blanch äußerte sich nach den Strafen gegen Team Penske.

"Es gab einen Verstoß gegen die Vorschriften, wie die hinteren Attenuators angebracht werden müssen, und wir haben das sofort überprüft. Wir haben alle einbezogen und am Ende oder sogar schon während des Qualifyings wurde entschieden, dass sie nicht regelkonform sind." Interessant: Die Startnummer 12 hat die technische Abnahme wohl erst bestanden, die Startnummer 2 wurde wegen der modifizierten Attenuators angehalten.

Dann wurde die Startnummer 12 erneut überprüft und es wurden ebenfalls Anpassungen festgestellt. Team Penske wollte die Teile wieder in den Originalzustand versetzen, doch die IndyCar-Abnahme erlaubte dies nicht, da solche Modifikationen nicht mehr zulässig sind, um am Qualifying teilzunehmen.

In Regel 8.5.6 heißt es: "Während ein Auto in der Schlange für das Qualifying steht, dürfen Verantwortliche nur die Winkel der Front- sowie Heckflügel und Endplatten ändern und auch den Reifendruck anpassen." Das Auto muss in der Warteschlange nach vorne bewegt werden, wenn das Qualifying voranschreitet. Ohne Erlaubnis von IndyCar darf das Auto nicht aus der Schlange gezogen werden.”

Im IndyCar-Paddock gibt es mehrere Quellen, die sagen, dass die geglätteten Kanten nur deshalb aufgefallen sind, weil sich die Konkurrenz mit der Bitte, die Penske-Autos zu überprüfen, an die Technikabteilung der Serie gewandt hat. Das zeigt, dass die technische Abnahme versagt hat, denn die Teile sind durch mehrere Abnahmen gekommen, ohne aufzufallen.

Hat Team Penske einen Vorteil erlangt?

Ist die Karosserie glatter, wird in der Regel die Geschwindigkeit besser, da der Luftstrom besser über das Auto strömen kann. Der Widerstand wird geringer. Es wird gemutmaßt, dass die geglätteten Attenuators genau zu solch einem Effekt führen. Es gibt jedoch auch Experten, die dem widersprechen.

Nach Gesprächen mit Ingenieuren, Karosserie-Spezialisten und Fahrern kommt man zu dem Schluss, dass es im Bereich der Crashstrukturen keinen signifikanten Luftstrom gibt, sodass die Veränderung des Teils wohl keinen spürbaren Effekt hat. Immerhin wurden die Attenuators auch bei Rundkursen eingesetzt, wo der Luftwiderstand nicht so eine große Rolle spielt wie auf Ovalen.

War die Strafe gegen Team Penske zu hart?

Die Autos von Josef Newgarden und Will Power wurden zunächst nur von den Sessions um die Poleposition ausgeschlossen, ihren Platz in den Fast-12 sollten sie behalten. Doch dann wurden sie von IndyCar doch noch ans Ende des Feldes gesetzt. Damit müssen die beiden das Indy 500 von den Plätzen 32 und 33 aufnehmen.

Hier lohnt sich ein weiterer Blick in das Regelwerk, denn die Strafe könnte zu hart sein. Regel 8.5.13.1.7 besagt: "Das Ergebnis des ersten Qualifyingtages, wenn 34 oder mehr Autos eingeschrieben sind, bestimmt: 8.5.13.1.7.1. Die Positionen eins bis zwölf haben sich einen Startplatz gesichert und werden in der Top-12-Gruppe am zweiten Tag starten.”

Regel 8.5.13.2.6.5 besagt dazu: "Jedes Auto, das nicht am Qualifying teilnehmen kann, wird am Ende der Top-12-Gruppe gestellt, basierend auf den Zeiten vom ersten Tag.” Basierend auf diesen Regeln hätten die Startnummern 2 und 12 in den Top 12 stehen müssen, als das Ergebnis am ersten Tag von den Offiziellen unterschrieben wurde. Somit hätten sie gemäß dem Regelwerk auf den Positionen elf und zwölf stehen müssen. IndyCar hat die Strafe jedoch nach oben angepasst, was wohl an der Prominenz des Rennens und dem Zeitpunkt der Aufdeckung der Verstöße liegt.

Hat Team Penske die Regeln verletzt?

Die technische Abnahme von IndyCar versagte über Monate, da sie die modifizierten Teile nicht erkannte, und bestrafte Team Penske wohl ein wenig zu hart. Die Attenuators entsprachen aber auch nicht den Spezifikationen des Regelwerks.

In Regel 14.7.8.16.1 wird eine Liste von Teilen vorgegeben, die verändert werden dürfen. Darin heißt es: "Die folgenden Teile dürfen bearbeitet werden, um Unebenheiten und Lücken zu reduzieren. Harte Kanten dürfen verklebt oder überdeckt werden.”

"Die Teile müssen ein alleinstehendes Teil bleiben und von den Teilen, an denen sie angebracht sind, abgetrennt sein. Sie müssen abtrennbar sein, ohne dass Schrauben oder andere Befestigungen gelöst werden müssen.” Formen und Radien müssen den Originalzeichnungen entsprechen. Es sind keine Nut- und Feder-, Schwalbenschwanz- oder andere Arten von Passverbindungen zulässig. Zusätzliche Befestigungselemente sind zulässig."

In der Liste des Regelwerks gibt es 16 Zeilen mit Teilen, die verändert werden dürfen; die Crashstruktur gehört jedoch nicht dazu. Team Penske hat also gegen die Regel verstoßen, als es die Attenuators geglättet hat. Im besten Fall hätte IndyCar gleich beim ersten Verstoß gehandelt, doch die Veränderungen an den Teilen sind den Technikern durch die Lappen gegangen.

Dann hätte IndyCar eine Geld- oder Punktestrafe verhängen können, ähnlich wie im Fall von Prema, als dort ein Einheitsteil verändert wurde. Da das Vergehen so lange unentdeckt blieb, hätten die Offiziellen Team Penske auch anweisen können, die Teile auszutauschen. Die Bereitschaft dafür war gegeben. Jedoch wurden die illegalen Crashstrukturen erst untersucht, als die Konkurrenz sich meldete. Damit sah sich IndyCar im Worst-Case-Szenario wieder.

Warum wurde McLaughlin nicht bestraft?

Die Startnummer 3 von McLaughlin war das einzige Auto aus den Reihen von Penske, das nicht nach hinten musste. An diesem Fahrzeug wurden keine geglätteten Attenuators entdeckt. Es war jedoch in einen Unfall verwickelt, weshalb das Wrack untersucht werden musste. Quellen zufolge wurde die Startnummer 3 mit Crashstrukturen der letzten Dallara-Lieferung ausgestattet, weshalb keine Anpassungen nötig waren, da die Führungsetage mit den Attenuators zufrieden war.

Die Startnummern 2 und 12 nutzten hingegen Attenuators einer früheren Lieferung und wurden angepasst. Solange es zu keinen Unfällen kommt, gibt es auch keinen Grund, die Crashstrukturen auszutauschen, weshalb diese Ausführung über einen längeren Zeitraum genutzt werden kann. Jetzt hat Team Penske Attenuators der neuesten Charge von Dallara angebracht - Anpassungen gibt es also keine mehr.

Welche Strafen folgen und was bringt die Zukunft?

Die Rufe nach drastischeren Strafen waren laut, denn viele witterten einen großen Skandal, da das Team dem IndyCar- und Indianapolis-Motor-Speedway-Besitzer Penske gehört. Sollen Siege aus der Vergangenheit aberkannt werden? Das ist unmöglich, da die Autos gar nicht mehr kontrolliert werden können. Selbst die Strafe für das Indy 500 2025 scheint schon zu hart zu sein.

Eine der größten Geschichten rund um die 109. Ausgabe des legendären Ovalrennens ist die optische Anpassung eines Teils, wodurch sich die Leistung des Fahrzeugs wohl nicht verbessert hat. Strafen müssen sein, denn es wurde ein Einheitsteil modifiziert, das nicht angerührt werden darf. Team Penske hätte sich dafür also unbedingt vorher eine Erlaubnis einholen müssen.

Die technische Abnahme der IndyCar muss Verantwortung übernehmen, denn die Regelübertretung wurde lange gar nicht erst erkannt. Es hat ein Jahr gedauert, bis Team Penske in die Netze der Kontrollöre ging. In der IMSA und der NASCAR wird digital per Laser überprüft, ob die Karosserien in Ordnung sind. IndyCar sollte sich davon eine Scheibe abschneiden. Außerdem könnte, wie in der NASCAR, ein Portal eingerichtet werden, in dem Teams offizielle Anfragen zu Reparaturen und Anpassungen von Einheitsteilen stellen können.

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