Das große Leser-Interview mit IndyCar-Chef Randy Bernard
Die Leser von 'Motorsport-Total.com' schickten ihre Fragen ein und IndyCar-Chef Randy Bernard hat sie beantwortet: Hier unser großes Leserinterview
(Motorsport-Total.com) - Es geschieht nicht allzu oft, dass ein IndyCar-Chef höchstpersönlich in Europa weilt. So geschehen Anfang September, als Randy Bernard eine Stippvisite bei mehreren Automobilkonzernen einlegte, um ihnen das neue Chassis-Konzept 2012 vorzulegen. Im Rahmen dieser Europa-Reise nahm sich Bernard auch Zeit für die vielen Fragen der deutschen IndyCar-Fans.

© IRL
Interview: IndyCar-Chef Randy Bernard beantwortete die Leserfragen
Es war eine sehr erfreuliche Aktion: Über 300 Fragen und Wünsche gingen binnen weniger Tage bei 'Motorsport-Total.com' ein. Und natürlich stand dabei die Verbindung zwischen Deutschland und den IndyCars im Vordergrund. Die absolute Mehrzahl unserer Leser beschäftigte zwei große Themen: Wann gibt es die IndyCars wieder im deutschen Fernsehen? Und: Besteht die Chance auf ein deutsches IndyCar-Rennen? Hier das große Leserinterview mit IndyCar-Chef Randy Bernard.#w1#
Frage: "Randy, über 90 Prozent der bei uns eingegangenen Fragen haben sich mit den Live-Übertragungen der IndyCars beschäftigt. Zum ersten Mal seit vielen Jahren können die deutschen IndyCar-Fans keine Live-Rennen mehr im Fernsehen sehen. Was kann die IndyCar-Serie dagegen tun?"
Randy Bernard: "Wir sind sehr optimistisch. Wir werden Mitte Oktober auf der Sportel-Messe in Monaco sein, auf der wir uns mit unseren verschiedenen internationalen TV-Partnern treffen werden. Die Sportel ist eine große internationale Konferenz von verschiedenen Übertragungsanstalten, die zwei oder drei Tage lang dauert."
"Für die IndyCars ist es sehr wichtig, dort präsent zu sein, weswegen wir auch eine Abordnung dorthin schicken werden, um für 2011 Gespräche zu führen. Aber ich kann den deutschen Fans versprechen, dass ich mich um diese Angelegenheit sehr schnell und sehr intensiv kümmern werde."
Deutsches Rennen bei Interesse nicht ausgeschlossen

© ChampCar
Start in Assen: US-Boliden fuhren zuletzt 2007 auf europäischem Boden Zoom
Frage: "Gibt es denn Möglichkeiten, nach denen wir Europäer das TV-Signal von 'Versus' als Live-Stream beziehen können?"
Bernard: "Das ist eine gute Frage. Dies war eines der ersten Dinge, mit denen ich mich nach meinem Amtsantritt beschäftigt habe. Leider ist es so, dass die Art und Weise, wie die US-amerikanischen Sendeanstalten ihre Verträge gestalten, dem entgegen sprechen. Insofern können wir diesen Feed nicht heraus geben, auch nicht für rein internationale Zwecke."
"Nun läuft der 'Versus'-Vertrag ja noch acht Jahre. Wir haben uns auch zusammen gesetzt und darüber gesprochen. Aber es ist offenbar so, dass sie dieses Thema nicht alleine entscheiden können, denn da gibt es noch die Interessen der ganzen angeschlossenen Sendeanstalten zu berücksichtigen. Doch auch wir selbst haben zu Thema Streaming unsere eigenen Überlegungen, an denen wir gerade arbeiten."
Frage: "Auch eine Frage, die viele unserer Leser beantwortet haben wollen: Wie sieht es denn mit einer möglichen Wiederholung des German 500 aus? Also entweder auf dem Lausitzring, oder in Hockenheim oder auf dem Nürburgring? Wie ist die Situation in Sachen Europa-Rennen generell und besteht die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit anderen Serien? Zum Beispiel mit der DTM?"
Bernard: "Ausschließen will ich ein deutsches IndyCar-Rennen in keinem Fall. Wie vielleicht nachvollziehbar ist, liegt unsere Priorität derzeit gerade darauf, in Amerika ein Top-Produkt zu gestalten. Wir erleben gerade einen bemerkenswerten Aufschwung und wir wollen zunächst sicherstellen, dass das so weitergeht."
"2011 werden wir 13 rein amerikanische Rennen und vier internationale Rennen haben. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir den internationalen Anteil irgendwann vielleicht um drei oder vier Rennen erhöhen. Wenn Deutschland dann eines dieser Rennen haben möchte, dann werden wir sicher nicht 'Nein' sagen. Aber dann müssten sich interessierte Promoter oder Streckenbetreiber direkt mit uns in Verbindung setzen. Das gleiche gilt auch für Kooperationen aller Art."
Bald einheitliche Startzeiten und Statistiken

© IRL
DIe IndyCar-Flutlichtrennen finden zu nachtschlafender Stunde statt Zoom
Frage: "Was unseren Lesern unschön aufstößt, sind die unfreundlichen Startzeiten. Speziell bei den Samstagabend-Rennen. Ebenfalls stark ist der generelle Wunsch nach einheitlichen Startzeiten..."
Bernard: "Man muss schon verstehen, dass über 70 Prozent der IndyCar-Fans aus den USA kommen, und wir bei diesen Samstagabend-Rennen typischerweise einen besseren Besuch und bessere Quoten bekommen. Was ich aber sagen kann, ist, dass sich die Anzahl der Samstagabend-Rennen 2011 zumindest nicht erhöhen wird."
"In Sachen einheitliche Startzeiten stimme ich den Lesern vollkommen zu. Auch damit beschäftigen wir uns gerade. Ich weiß, dass in der Vergangenheit versucht wurde, zeitliche Überschneidungen mit anderen Serien zu verhindern. An so etwas glaube ich nicht wirklich. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Rennzeiten für sich alleine stehen können."
Frage: "Weniger eine Frage als ein Wunsch: Wann wird es endlich gemeinsame Statistiken geben? Also von AAA, USAC, CART und IRL?"
Bernard: "Das sehe ich genauso. Die alten Zeiten sind vorbei. Die IndyCars haben eine Geschichte von 100 Jahren. Auch ich möchte, dass unsere Statistiken genau dies widerspiegeln. Das werden wir im Jahr 2011 auch ohne den geringsten Zweifel umsetzen."
Frage: "Gibt es eine Möglichkeit, in Zukunft auch wieder eine Triple-Crown zu haben? Also mit drei großen 500 Meilenrennen auf drei Superspeedways?"
Bernard: "Also nach all unseren Erhebungen hat die Triple-Crown niemals eine wirkliche Bedeutung für die Mehrzahl der Fans gehabt. Unsere Aufgabe ist es, die Wünsche der Mehrheit zu berücksichtigen. Ich möchte das jetzt nicht für immer und ewig ausschließen. Aber die Chance, dass wir uns jetzt auf die Suche nach drei geeigneten Superspeedways machen, halte ich für sehr gering."
Frage: "Eine Frage zum Regelwerk: Es gibt zwei tolle neue NASCAR-Regeln, die auch für die IndyCar gut wären: Die Double-File-Restarts und die Green-White-Checkered-Verlängerungen? Was halten Sie davon?"
Bernard: "Ich weiß, dass diese Regeln für die Fans sehr gut sind. Und ich weiß, dass Rennchef Brian Barnhardt sich gerade damit auseinandersetzt."
Erste Tests im November 2011

© IRL
Das neue IndyCar-Chassis soll im November 2011 auf die Strecke gehen Zoom
Frage: "Wie wollen die IndyCars sicherstellen, dass Dallara ein Top-Chassis - wenn möglich auf Formel-1-Niveau - baut? Denn einige unserer Leser denken, dass nur auf diese Art und Weise ein Interesse von Konzernen wie Ferrari oder Mercedes zustande käme?"
Bernard: "Dallara besitzt eine fantastische Reputation. An jedem einzelnen Wochenende fahren 350 Dallara-Rennwägen irgendwo auf dieser Welt. Wir haben also vollstes Vertrauen in Dallara als unseren Partner. Wir glauben auch fest daran, dass wir andere Hersteller für uns begeistern können. Das hat mehrere Gründe."
"Vor allem aufgrund der Aero-Kits, mit denen jeder seine eigene Marke präsentieren kann. Zudem sind wir fest davon überzeugt, dass alle Hersteller in einer US-amerikanischen Serie vertreten sein wollen. Die IndyCars bieten in dieser Hinsicht ganz einfach eine sehr gute Gelegenheit. Speziell im Hinblick auf das neue IndyCar und seine Rahmenbedingungen."
Frage: "Besteht bei den Regeln rund um das neue Chassis nicht die Gefahr, dass die Top-Teams mit ihren großen Ressourcen von vorne herein einen Vorteil haben werden? Wie wollen die IndyCars dagegen arbeiten?"
Bernard: "Ganz einfach: Wenn jemand sein eigenes Aero-Kit bauen möchte, dann muss er es sofort der Konkurrenz zur Verfügung stellen. Es wird auch ganz genaue Regeln darüber geben, zu welchen Zeitpunkten so ein Aero-Kit auftauchen darf. Einfach um zu verhindern, dass ein Team drei Tage vor Saisonbeginn mit einem neuen Aero-Kit ankommt. Gleiches gilt für das Budget. Wenn irgendjemand für zehn Millionen US-Dollar ein Aero-Kit bauen möchte, dann muss er es trotzdem für maximal 70.000 US-Dollar verkaufen.
Frage: "Wann wird das neue Auto zum ersten Mal auf der Strecke fahren?"
Bernard: "Die ersten Testfahrten sind für November 2011 vorgesehen."
Frage: "Wie stellen die IndyCars sicher, dass es - speziell auf den Rundstrecken und Straßenkursen - wieder zu mehr Überholmanövern kommen wird?"
Bernard: "Das ist ein Thema, mit dem sich Tony Purnell gerade intensiv auseinander setzt. Er ist einer der führenden Aerodynamiker und er hat einige Optionen in petto. Dazu erwarten wir eine Bekanntgabe in nächster Zeit."
Ferrari? Ja, bitte!

© IRL
Der IndyCar-Chef hält viel von Japan-Botschafter Takuma Sato Zoom
Frage: "Warum hat man solange am alten Dallara-Chassis festgehalten, obwohl ja der neue Panoz DP01 aus der ChampCar-Saison 2007 verfügbar gewesen wäre? War dies eine politische Entscheidung?"
Bernard: "Das ist eine Sache, die weit vor meiner Zeit als IndyCar-Chef geschah, insofern kann ich darüber nur ganz wenig sagen. Dazu habe ich also keine passende Antwort."
Frage: "Einige italienische IndyCar-Fans fragen, ob es möglich ist, dass es in Zukunft ein IndyCar von Ferrari mit einem Ferrari-Motor geben wird?"
Bernard: "Ich glaube, da gibt es niemanden, der so etwas lieber sehen würde als ich. Es ist mein Job als IndyCar-Chef, dass ich mit ihnen spreche und ihnen versichere, dass sie bei uns herzlich willkommen sind. Für uns wäre ein Engagement von Ferrari eine große Ehre und ihnen würde es dabei helfen, in den USA Autos zu verkaufen."
"Man darf ja nicht vergessen, dass wir eine weltweite Präsenz haben. Unser Indy 500 ist das meistbesuchte Einzelevent im weltweiten Sport mit 300.000 oder 350.000 Zuschauern an einem Tag. Ich kann nur soviel sagen: Ich hatte mit mehreren europäischen Herstellern sehr fruchtbare Unterhaltungen und nun wird es sehr interessant sein, was sich alles entwickeln wird."
Frage: "Was halten Sie von Takuma Sato?"
Bernard: "Takuma ist ein sehr angenehmer Mensch. Er ist darüber hinaus auch ein ganz wichtiger Botschafter der IndyCars, der uns in Japan sehr viele Türen aufgemacht hat, wie wir am kommenden Wochenende sehen werden. Es ist sein erstes Jahr bei uns und er bekommt hoffentlich seine Zeit. Er hat eine große Anhängerschaft und einen guten Sponsor. Sicher hatte er in dieser Saison seine Schwierigkeiten und auch viel Pech, aber ich hoffe, dass ändert sich."
Frage: "Warum gibt es in letzter Zeit so viele Wechsler aus der Formel 1 in die IndyCar-Serie? Früher war dies einmal umgekehrt..."
Bernard: "Ich glaube, dass die IndyCars in den vergangenen 15 Jahren ein wenig ihre Richtung und auch ihren Glanz verloren haben. Insofern war es auch aus Fahrersicht nicht unbedingt die Top-Priorität, hier zu fahren. Das ändert sich gerade. Wenn es uns nun gelingt, neue Persönlichkeiten oder Konzerne anzuziehen, dann hilft das unserem Bekanntheitsgrad erheblich."
"Ich persönlich bin ganz fest davon überzeugt: Wenn jemand der Meinung sein will, er wäre einer der besten Piloten dieser Welt, dann sollte er das Indy 500 zumindest einmal gefahren sein. Unser Job ist es nun, den interessierten Top-Piloten dieser Welt dabei zu helfen."

