Palmer: "Ich habe keine Angst vor dem Coletti-Schicksal!"

Jolyon Palmer glaubt, dass seine starke Saisonphase in der GP2 noch kommen wird, und dass gute Chancen für einen Formel-1-Platz bestehen, wenn er den Titel holt

(Motorsport-Total.com) - Er war bisher der ganz große Dominator der GP2-Saison: Jolyon Palmer. Der Brite hat nach drei Rennwochenenden bereits 46 Punkte Vorsprung auf seinen nächsten Verfolger und fährt der Meisterschaft entgegen. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' verrät der DAMS-Pilot, warum er das Schicksal von Stefano Coletti, der in der Vorsaison deutlich einbrach, nicht teilen wird, warum er 2015 realistische Chancen auf einen Formel-1-Platz sieht, und warum England bei der Fußball-WM die große Überraschung werden kann.

Titel-Bild zur News: Jolyon Palmer

Jolyon Palmer ist zuversichtlich: Der Titel in der GP2-Serie führt 2014 nur über ihn Zoom

Frage: "Jolyon, ganz ehrlich: Hast du solch einen Raketenstart erwartet?"
Jolyon Palmer: "Nein, ich hatte nicht erwartet, dass ich einen solch guten Start haben würde. Dass wir gut beginnen könnten, habe ich mir hingegen gedacht. Das Ende der letzten Saison lief gut und ich hatte ein positives Gefühl, als ich im Winter zu DAMS gewechselt bin. Natürlich ist es nicht realistisch, solch einen Start zu erwarten, aber ich bin sehr glücklich darüber."

Frage: "Hast du irgendetwas besonderes vor der Saison gemacht, dass dir in diesem Jahr einen Vorteil verschafft?"
Palmer: "Nein, nicht wirklich. Es ist einfach alles harte Arbeit. Am Ende des vergangenen Jahres gehörten wir schon zu den schnellsten Fahrern, die in diesem Jahr wieder dabei sind. Wir haben im Winter hart gearbeitet, und jetzt in meinem vierten Jahr habe ich die Erfahrung, um den Titel zu gewinnen. Mit DAMS stellen wir immer sicher, dass wir auf alle Rennen bestmöglich vorbereitet sind."

Frage: "Eine deiner großen Stärken in diesem Jahr ist das Qualifying, bei dem du einen Grundstein für die späteren Erfolge legst. Liegt darin dein Erfolgsgeheimnis?"
Palmer: "Nicht wirklich (lacht; Anm. d. Red.). Wir scheinen die Runden im Moment gut zusammenzubringen und haben einfach eine gute Vorbereitung vor dem Wochenende. Wir scheinen das Setup vor dem Qualifying gut hinzubekommen und liegen damit meist in der richtigen Richtung. Wir können im Moment einfach saubere Runden hinlegen, dadurch konnten wir in allen drei Qualifyings bislang in der ersten Startreihe stehen und zwei Poles holen. Das ist schon bislang unsere Stärke gewesen."

Frage: "Du bist in deinem vierten Jahr und fährst auch für das vierte Team. Ist DAMS bislang das beste, für das du an den Start gegangen bist?"
Palmer: "Das ist schwierig zu sagen. Alle vier Teams waren sehr, sehr gut. Ich denke, das Niveau der Teams in der GP2 ist generell sehr hoch - es ist wie ein kleines Formel-1-Team. Bislang bin ich mit DAMS sehr gut zurechtgekommen. Der Ansatz des Teams passt zu mir, und von Ingenieursseiten her sind sie sehr gut aufgestellt. Aber um ehrlich zu sein: Alle Teams sind sehr stark, und in einer Einheitsserie wie der GP2 ist es schwierig, kleine Fortschritte zu finden. Aber im Moment scheinen wir zusammen einen relativ guten Job zu machen."


Fotos: Jolyon Palmer, GP2-Serie in Monaco


Keine Tipps vom Papa

Frage: "In den vergangenen Jahren haben sich vor allem die erfahrenen Piloten durchgesetzt. Zählt Erfahrung in der GP2 heutzutage einfach mehr als alles andere?"
Palmer: "Ich denke schon, dass Erfahrung wichtig ist, weil man nur wenig Zeit auf der Strecke bekommt, es aber viel zu lernen gibt. Als ich in die GP2 gekommen bin, musste ich viele Strecken lernen, dann das Auto mit seiner ganzen Kraft - und auch die Pirelli-Reifen benötigen ein gewisses Verständnis. Erfahrung ist wichtig, gleichzeitig ist der Wettbewerb in der GP2 wirklich hoch. Wenn man Fahrer in ihrem dritten und vierten Jahr hat, dann sind die für Rookies ziemlich schwierig zu besiegen."

Frage: "Gibt dein Vater dir eigentlich noch irgendwelche Tipps?"
Palmer: "Nein. Gar nicht. Er hat das gemacht, als ich noch jünger war und eher in England gefahren bin - jetzt mache ich das alles eher mit meinem Team. Er kommt zwar noch zu allen Rennen, aber er genießt das Zusehen. Er kann sich entspannen, und es ist besser, dass ich nun mit dem Team arbeiten kann."

Frage: "Genießt du seine Anwesenheit, oder hast du an der Strecke lieber deine Ruhe?"
Palmer: "Es ist schön, jemanden um sich zu haben. Manchmal kann es schon ganz schön einsam sein, wenn man an der Rennstrecke arbeitet. Er freut sich immer, wenn er zu den Rennen reist. Seine Leidenschaft für den Motorsport ist ungebrochen und hat Spaß beim Zuschauen."

Jolyon Palmer, Jonathan Palmer

Vater Jonathan fuhr früher selbst in der Formel 1: In 82 Rennen holte er 14 Punkte Zoom

Frage: "Wie siehst du seine Karriere in der Formel 1? Wirst du mal in seine Fußstapfen treten können?"
Palmer: "Ich hoffe, dass ich mal besser sein werde! Erst einmal muss ich in die Formel 1 kommen, das wäre der Anfang. Man muss aber auch sagen, dass er nie in einem wirklich konkurrenzfähigen Team war (Jonathan Palmer in der Formel-1-Datenbank). Sein bestes Team in den sieben Jahren Formel 1 war Tyrrell. Mein Ziel ist erst einmal, in die Formel 1 zu gelangen - und dann in ein konkurrenzfähigeres Team zu kommen. Wir werden sehen, der Weg dorthin ist noch weit."

Frage: "Dein Vorsprung in der Meisterschaft ist schon enorm. Hast du eigentlich Angst vor dem Coletti-Schicksal?"
Palmer: "Nein! (lacht; Anm. d. Red.) Das war schon ziemlich seltsam mit Coletti im vergangenen Jahr. Das ist in der Vergangenheit ja auch noch niemandem passiert. Ich denke, dass ich mehr Zuversicht habe. Wir waren immer ziemlich stark, außerdem gehören die Rennstrecken am Ende der Saison zu meinen Lieblingsstrecken: Monza, Abu Dhabi, Budapest. Auf denen habe ich auch schon gewonnen. Ich fühle mich am Ende des Jahres sogar wohler als zu Beginn des Jahres. Dass wir so einen guten Start hatten, ist daher sehr positiv!"

Frage: "Wer von deinen Rivalen hat denn deiner Meinung nach die größten Chancen, dich noch herauszufordern?"
Palmer: "Ich denke, der Schnellste von den anderen ist vielleicht Mitch Evans. Er macht einen guten Job und hatte bislang ein wenig Pech. Auch mein Teamkollege Stephane Richelmi leistet gute Arbeit. Im Moment ist zwar Nasr von den Punkten her am nächsten dran, aber ich bin mir nicht sicher, ob er am Ende des Jahres stark sein wird. Ich denke, Evans ist ein bisschen schneller."

"Das war schon ziemlich seltsam mit Coletti im vergangenen Jahr." Jolyon Palmer

2015 in der Formel 1?

Frage: "Wie schätzt du deine Chancen ein, einen Platz in der Formel 1 zu bekommen, solltest du in dieser Saison den Titel in der GP2 holen?"
Palmer: "Das ist im Moment schwierig einzuschätzen, aber das ist natürlich mein Ziel. Ich habe sehr hart gearbeitet, um dahin zu kommen, und meine Hoffnung ist, dass ich eine gute Chance habe, in die Formel 1 zu kommen, wenn ich den Titel gewinne. Die letzten beiden Meister haben den Sprung verpasst, aber es wäre schon wichtig für mich und auch die Serie, dass der Meister in die Formel 1 aufsteigt. Wir müssen abwarten, ob sich während des Rests des Jahres eine Möglichkeit ergibt, und ob wir etwas zusammenstellen können, was uns dort hineinbringt."

Frage: "Besitzt du denn schon Kontakte zu einigen Teams?"
Palmer: "Wir haben mit einigen Teams gesprochen, aber im Moment gibt es nichts Konkretes. Wir sind noch früh in der Meisterschaft, und wir konzentrieren uns noch auf die GP2. Aber ich bin zuversichtlich. Wenn ich den Job so weiterführen kann wie bisher, dann besteht eine realistische Chance, dass wir im nächsten Jahr im Formel-1-Grid stehen."


Fotostrecke: Die Formel-1-Aufsteiger der GP2

Frage: "Siehst du Chancen auf einen Test während der Saison?"
Palmer: "Ich habe noch kein Formel-1-Auto getestet, von daher wäre es mein Ziel in diesem Jahr, irgendwann eine Chance zu erhalten. Wir sprechen mit Teams darüber, aber im Moment ist nichts sicher."

"...dann besteht eine realistische Chance, dass wir im nächsten Jahr im Formel-1-Grid stehen." Jolyon Palmer

Frage: "Hast du schon einen Alternativplan, sollte es mit der Formel 1 nicht klappen?"
Palmer: "Nein, im Moment nicht. Eigentlich ist das Motto derzeit: alles oder nichts. Mein Fokus liegt auf dem Gewinn der Meisterschaft und dann darauf, in die Formel 1 zu kommen. Wenn das nicht passiert, dann brauchen wir einen anderen Plan. Aber derzeit gibt es nur diesen einen Fokus."

Formel 1: Neu ist nicht immer gut...

Frage: "Wie siehst du eigentlich die Entwicklung der aktuellen Formel 1. Ist grün immer gut?"
Palmer: "Für mich persönlich nicht. Es nimmt den Fans so ein bisschen den Spaß. Das Racing war auf einigen Strecken besser, auf anderen wiederum nicht - das verschiebt sich immer. Ich persönlich bevorzuge den Sound der alten V8-Motoren. Aber für Teams, Fahrer und Ingenieure ist es eine neue Herausforderung. Wir werden sehen, wie es sich entwickelt. Vielleicht ist es ja sogar eine positive Veränderung, aber im Moment finde ich die alten Formel-1-Autos besser."

Frage: "Kann man sagen, dass die GP2 derzeit mehr Spaß macht?"
Palmer: "Das ist natürlich schwierig zu sagen, da ich noch kein Formel-1-Auto gefahren bin, aber die Formel 1 ist trotzdem noch mein Ziel. Die GP2 macht viel Spaß und ich liebe es, die Autos zu fahren - mit V8 und ordentlichem Motorengeräusch. Ich genieße das, aber trotzdem wäre ich lieber in der Formel 1. Das ist nämlich immer noch die Spitze des Motorsports."

Jolyon Palmer

Tauscht Jolyon Palmer sein GP2-Cockpit bald mit einem Formel-1-Stammplatz? Zoom

Frage: "Nächste Woche beginnt ja die Fußball-Weltmeisterschaft. Bist du ein Fußball-Fan?"
Palmer: "Ja, ein großer sogar!"

Frage: "Wie schätzt du die Chancen von England ein?"
Palmer: "Überraschenderweise denke ich, dass sie gar nicht so schlecht sind. Das Team wird enorm unterschätzt. Wir haben eine sehr schwierige Gruppe, aber das mag ich. Wir werden zwar nicht den Titel gewinnen, aber ins Halbfinale können wir schon kommen. Den Titel holt sich aber Brasilien."