• 18.01.2015 12:52

  • von Gary Anderson (Haymarket)

Wo 2015 technische Verbesserungen gemacht werden

Die Regeln ändern sich nicht wirklich, aber trotzdem gibt es Spielraum für Verbesserungen: Gary Anderson blickt auf die wichtigsten Änderungen 2015

(Motorsport-Total.com) - Weil das Reglement 2015 sehr ähnlich zu dem des vergangenen Jahres ist, geht es viel mehr um Evolution als um Revolution in der Formel 1. Das heißt aber nicht, dass es kein Potenzial für die Teams gibt, große Fortschritte zu erzielen - und abzurutschen, wenn sie es nicht hinbekommen.

Titel-Bild zur News: Gary Anderson

Gary Anderson erklärt, welche Änderungen er 2015 von den Teams erwartet Zoom

Dank der geänderten Regularien wird die größte optische Veränderung die Nase sein, um diese ästhetisch ansprechender zu machen. Darüber hinaus geht es um die Verbesserung der bestehenden Konzepte. Die Änderungen an der Front der Autos wird deren Aussehen nicht transformieren, obwohl es die Autos geometrisch einwandfrei aussehen lassen wird.

Die neuen Regularien erlauben immer noch einen kleinen Nasenvorsprung, doch durch die Einführung der größeren Querschnittsfläche gleich hinter der Spitze sind die extremen "Ameisenbären"-Designs nicht mehr erlaubt.

Keine Unterschiede im Design?

Ich glaube, dass wir keine drastischen Varianten im Design sehen werden, weil das Arbeitsfenster so klein ist. Man wird aber doch kleine Variationen an der Spitze sehen. Wenn die Nasen geometrischer werden, heißt das nicht, dass sie plötzlich schöner aussehen.

Was ich gerne sehen würde, wäre, dass die FIA entscheidet, wo die vordere Stirnwand des Chassis liegt und deren Struktur. Dann kann eine Unfallstruktur von einer Firma für alle Teams entwickelt und produziert werden.

"Wenn die Nasen geometrischer werden, heißt das nicht, dass sie plötzlich schöner aussehen." Gary Anderson über die neuen Nasen

Das würde den Teams eine halbe Million Pfund (rund 655.000 Euro) einsparen und die Sicherheitsbestimmungen für alle auf einen Level bringen. Was man dann tun könnte, wäre, den Teams zu erlauben, diese Unfallstruktur mit welch aerodynamischer Form auch immer auszugestalten. Es gibt den Teams Raum, ihr Auto so zu designen, wie sie es gerne möchten, versichert, dass die Autos unverkennbarer werden und dass die aerodynamischen Konzepte bei der Nasenspitze beginnen und bis zur Hinterkante des Heckflügels gehen.

Gewichtsprobleme in der Königsklasse

Das wird 2015 aber nicht passieren. Darüber hinaus sind die Regeln gefestigt, außer der Anhebung des Minimalgewichts auf 702 Kilogramm. Das setzt den Trend des erhöhten Fahrzeuggewichts fort, von 642 Kilogramm 2013 zu 691 Kilogramm im vergangenen Jahr und nun 702 Kilogramm. Das wurde eingeführt, weil einige größere Fahrer im vergangenen Jahr gefährlich mager fahren mussten, da die Autos Probleme mit dem Gewichtslimit hatten.

Ich glaube nicht, dass der Weg korrekt ist. Es sollten 15 Kilogramm Sondergewichte in der Mitte der Sitzrückseite angebracht werden. Das würde auch bedeuten, dass kleinere, leichtere Fahrer keinen Schwerkraft-Vorteil haben.

Adrian Sutil

Opfer des Magerwahns: Adrian Sutil musste genau auf sein Gewicht achten Zoom

Es ist interessant, dass die FIA nun diesen Weg gegangen ist, weil Max Mosley in der Technischen Arbeitsgruppe zu meiner Zeit absolut dagegen war. Er sagte immer, dass ein schweres Auto bei einem Unfall mehr Energie freisetzt - er hat immer noch Recht.

Schwächen des Vorjahres ausbessern

Ganz normal bei solchen Änderungen ist, dass sie ein Jahr zu spät kommen, um das Problem zu lösen. Die meisten Topteams hatten keine allzu großen Probleme, mit Ausnahme von Ferrari, die aufgrund der Antriebseinheit nahe am Limit waren.

Die kleineren Teams haben sich gesteigert. Manche, wie Force India, waren 2014 gewichtsmäßig gut unterwegs. Während es weniger ein Problem ist, das minimale Gewicht zu erzielen, gibt es einem mehr Arbeitsmöglichkeiten, wie man den Ballast nutzt. Wenn man das Extragewicht weiter unten im Auto anbringt, dann wird es den Schwerpunkt nach unten verschieben und das Auto automatisch besser im Umgang mit den Reifen machen.

Das könnte helfen, das Feld enger zusammenzubringen, aber nur ein kleines bisschen. Der Rest des Designs wird darauf beruhen, dass die Teams die Schwächen der vergangenen Saison beheben wollen.

Unstabiles Heck durch weniger Abtrieb

Die größte Herausforderung war, dass die Autos des vergangenen Jahres generell sehr unstabil beim Bremsen waren. Der Grund dafür ist eine Kombination der Regeländerungen, die darauf aus waren, den Heckabtrieb zu reduzieren, und das ERS-System sowie die neue Brake-by-wire-Technologie, die bei manchen Fahrern ein fehlendes Gefühl und fehlende Konstanz verursacht haben.

Der sogenannte "Beam-Wing" im Heck wurde eliminiert, was zusätzlich zum Verlust des abgasangeströmten Abtriebs aufgrund der Lage des Abgasrohres hinter der Mittellinie der Hinterreifen hinzukam. Der "Beam-Wing", der Diffusor und das Abgas-Gebläse haben zusammengearbeitet, um einen stabilen Heck-Abtrieb zu generieren. Es sind also diese Änderungen, warum die Autos auf der Strecke mehr rutschen.

Nico Rosberg

Kein "Beam-Wing" mehr: Die Heck-Partie der Autos wurde 2014 stark verändert Zoom

Wenn du also aerodynamische Gewinne und Verbesserungen am ERS und am Brake-by-wire-System erzielen kannst, um die Konstanz zurückzubekommen, wird auch der Fahrer sein wahres Potenzial zeigen können.

Wer bewahrt 2015 einen kühlen Kopf?

Ein Fahrer kann nicht das Beste aus einem unstimmigen Auto rausholen - man sehe sich nur an, wie Lotus im vergangenen Jahr gekämpft hat - also ist es wichtig, dass das Auto so stabil wie möglich ist. Die Teams haben das Problem im vergangenen Jahr erkannt, aber es gibt Grenzen, wie man so ein Problem an einem bestehenden Design angeht. Dieses Jahr bietet einen neuen Start und Freiheit, um an die Wurzel des Problems zu gelangen.

Die Teams, die die größten Schritte machen, sind diejenigen, die wirklich verstanden haben, warum die Dinge nicht so gelaufen sind, wie sie hätten sollen. Das Problem zu erkennen, ist niemals einfach, und den Grund dafür zu finden, ist noch schwieriger. Aber ohne das zu tun, kann man es nicht lösen.

Mit einem Jahr Erfahrung mit den neuen Antriebseinheiten werden die Teams die Kühlungsansprüche besser verstehen. Ich würde aber nicht davon ausgehen, dass die Dinge noch dichter verbaut sind. Im vergangenen Jahr waren viele Teams sehr grenzwertig unterwegs und mussten Leistung wegnehmen, um die Dinge unter wärmeren Umständen unter Kontrolle zu halten. Also erwarte ich keine dramatischen Unterschiede, darüber hinaus werden die Teams versuchen, bei gleichem Paket mehr Effizienz aus ihrer Kühlung zu holen.

Der Motor als Chance für Renault und Ferrari

Viel Potenzial für Veränderung gibt es bei den Motoren. Die Homologations-Regularien erlauben es, 48 Prozent der Antriebseinheit zu verändern, dank eines neuen Schlupfloches kann das während der Saison gemacht werden. Man kann also davon ausgehen, mehr Leistung zu sehen, aber vieles kommt auch davon, dass Teams es nun besser verstehen, die potenzielle Energie ihrer Antriebseinheiten auszuschöpfen.

Jeder spricht über Renault und Ferrari, die versuchen aufzuholen, aber viel wichtiger im Sinne der Entwicklung ist es, das zu verstehen.


Fotostrecke: Mercedes: Der Weg zum Konstrukteurstitel

Mercedes hatte 2014 so viel Vorsprung, weil sie die genaueste Vorstellung davon hatten, was sie aus ihrer Antriebseinheit herausholen wollten. Ich bin mir sicher, dass viele Teams sich in den vergangenen Monaten auf diesen Bereich fokussiert haben.

Sind die Boliden 2015 schneller?

Wenn man sich Mercedes im vergangenen Jahr ansieht, hatten sie ein Auto mit gutem Tempo auf der Geraden, den man in den Kurven genutzt hat. Geschwindigkeit auf der Geraden kommt von mehr Leistung und weniger Luftwiderstand.

Vor ein paar Jahren hatte Red Bull fantastische Kurvengeschwindigkeiten und Rundenzeiten, die überlegen waren, aber das Auto war relativ langsam auf der Geraden. Mercedes hatte vergangene Saison alles - Top-Speed, Grip in den Kurven und wenig Reifenverschleiß. Daraus entstand der große Vorsprung und zeigt, wie gut die Antriebseinheit und das aerodynamische Konzept zueinander gepasst haben.

"Mercedes hatte vergangene Saison alles - Top-Speed, Grip in den Kurven und wenig Reifenverschleiß." Anderson über die Mercedes-Dominanz

Bezüglich der Gesamtleistung werden die Autos in diesem Jahr schneller sein als 2014. Während die neuen Nasen-Regularien den potenziellen, maximalen Luftstrom, den man unter das Auto bringen kann, reduziert - wichtig für den Abtrieb - hatten die Teams genügend Zeit, das mit Entwicklungsarbeit auszugleichen. Ich erwarte also höheren Abtrieb am Start der Saison als am Ende der vergangenen.

Melbourne als erster Maßstab

Wenn man jetzt hinzunimmt, dass die Motoren mehr Leistung haben werden und die Teams es besser verstehen, wie man die Leistung ausnutzt - nicht zu vergessen eine verbesserte Heck-Stabilität - dann trägt alles zu einem großen Schritt vorwärts bei.

Es wird faszinierend sein, die Rundenzeiten in Australien mit denen aus dem vergangenen Jahr zu vergleichen. Schneller sind sie bestimmt, aber um wie viel?