• 24.12.2014 07:59

  • von Gary Anderson (Haymarket)

"Eine Frage, Mister Anderson": Ein Experte erklärt die Technik

Technikexperte Gary Anderson beantwortet die Fragen, ob McLaren Mercedes herausfordern kann, wer sich 2014 gesteigert hat und welche Fehler er gemacht hat

(Motorsport-Total.com) - 2015 wird mit Honda ein neuer Motorenlieferant in die Formel 1 einsteigen. Wie wird sich die Partnerschaft mit McLaren gestalten? Gary Anderson - früher Chefmechaniker bei McLaren, Chefdesigner bei Jordan, Stewart sowie Jaguar und heute TV-Experte bei der 'BBC' - antwortet auf diese und andere Fragen, die die Formel-1-Fans derzeit beschäftigen. Aber nicht nur das Thema Honda wird behandelt, sondern auch das neue Red-Bull-Fahrerduo Daniel Ricciardo und Daniil Kwjat und die Frage, wie man den Rennkalender optimal gestalten könnte.

Titel-Bild zur News: Gary Anderson

Gary Anderson erklärt, warum es für Honda 2015 schwierig werden wird Zoom

@eggry (Twitter): "Glaubst du, dass sich McLaren mit Mercedes messen können wird? Der Honda-Antrieb ist neu, und McLaren hat in letzter Zeit nur mittelmäßige Chassis gebaut, also gibt es Zweifel..."
Gary Anderson: "Die einfache Antwort lautet: Nein. Zumindest wäre ich sehr überrascht, wenn sie es täten. Vergleicht man den 2014er McLaren mit dem Mercedes-Chassis, so glaube ich - was ich über die vergangenen Jahre gesehen habe - leidet McLaren an einer fehlenden Richtung, was ein Rennauto schnell macht. Es geht nicht nur darum den Abtrieb zu maximieren, sondern darum ein Auto zu produzieren, das in allen Bereichen angemessen ist. Aber vor allem muss es dem Fahrer liegen, um Selbstvertrauen zu geben."

"Der Pilot wird dir eine größere Verbesserung in der Rundenzeit liefern, wenn er Vertrauen in die Ausstattung hat, als du aus zehn zusätzlichen Kilos Abtrieb bekommen kannst. Für mehrere Jahre hat Mercedes die Bausteine zusammengesetzt und nun geht es darum, die maximale Leistung aus all den Leuten zu bekommen. Wir sprechen immer über Aldo Costa, Geoff Willis, Paddy Lowe und so weiter, die zum Team gekommen sind, aber es sind die anderen Leute, die zuvor schon da waren, die sie wirklich in diese Situation gebracht haben. Leute wie John Owen, ein wirklich cleverer Kerl, der unter dem Radar bleibt."

Mercedes weitere Jahre an der Spitze?

"Bezüglich des Antriebs glaub ich, dass sofern Bernie Ecclestone sich nicht durchsetzt und wir zurück zu den lauten V8, die hoch bis 18,000 rpm drehen, gehen, Mercedes die Oberhand für weitere Jahre haben wird. Was Andy Cowell und alle Involvierten für 2014 als Antriebsprojekt in Brixworth gebaut haben, ist sehr beeindruckend. Noch beeindruckender ist, dass sie wirklich wissen, warum es gut ist und wenn die Homologationsregelungen entschärft werden, haben sie einen Plan den Motor noch besser zu machen."

"Honda wird eine Weile brauchen um in die Gänge zu kommen. Sie haben die Gewohnheit langjährige Pläne festzusetzen und wenn das die richtige Richtung ist, dann sind sie eine Macht. Wenn der Plan in die falsche Richtung geht, dann wird es schwierig sein den Kurs zu ändern. Wir werden nicht wissen, wo Honda steht, bis die Testfahrten beginnen und danach kann ich eine bessere Einschätzung abgeben. Eines muss man bedenken: Das Mercedes-Chassis und der Antrieb werden von Mercedes bezahlt, aber beides wird im guten alten Großbritannien designt und gebaut..."


McLaren-Fahrerbekanntgabe in Woking

James Eddolls (Twitter): "Welcher Fahrer hat sich am meisten verbessert über das Jahr?"
Anderson: "James, die Verbesserung der Fahrer ist sehr schwierig zu quantifizieren. Von meinem Standpunkt aus geht es nicht nur darum schnell fahren zu können. Es geht mehr darum die Situation rund um sich in den Griff zu bekommen und zu verbessern. Von diesem Blickwinkel aus kann ein erfahrener Fahrer sich genauso verbessern wie ein junger Pilot."

Anderson: Button hat für McLaren alles gegeben

"Deswegen muss ich mich für Jenson Button entscheiden. Kannst du dir vorstellen, was ein erfahrener Pilot und vergangener Weltmeister mental durchmachen muss, wenn er eine neue Saison startet und das Werkzeug, das er von seinem Team bekommt, einfach nicht gut genug ist? Außerdem hatte er einen sehr schnellen Rookie-Teamkollegen mit Kevin Magnussen, der nichts anderes kennt, als Gas zu geben. Und weil er das macht, stellt sich das Team hinter ihn."

"Jenson hat 2014 gezeigt, dass er ein Arbeitstier ist und am Ende der Saison, als sein Cockpit in Frage gestellt wurde, blieb er ruhig und hat McLaren wertvolle Punkte gebracht. Tatsächlich war er das Gegenteil von Fernando Alonso. Als für ihn bei Ferrari alles vorbei war, hat er nachgelassen. Ich laste es ihm nicht an, aber als professioneller Fahrer musst du immer 100 Prozent geben im Auto. Das hat er nicht gemacht, Jenson schon."

Jenson Button

Jenson Button auch 2015 mit McLaren-Honda im Formel-1-Starterfeld Zoom

@TheFinalCountUp (Twitter): Siehst du Williams als ernsthaften Titelanwärter 2015?
Anderson: "2014 ist Williams dahin zurückgekehrt, wo sie schon vor langer Zeit hätten sein sollen. Das Team hat eine sehr gute Gruppe an Leuten und Claire Williams macht einen fantastischen Job, indem sie die Leute das machen lässt, in dem sie auch gut sind. Andere Teamchefs könnten viel davon lernen, wie sie das angeht. Aber es wird schwierig für Williams den nächsten Schritt zu gehen. 2014 sind Red Bull und Renault gestolpert und bei Ferrari war es das gleiche. Ferrari war nicht dort, wo sie hätten sein sollen."

Williams 2015 erster Mercedes-Gegner?

"Aber wir wissen nicht, was wir von Ferrari erwarten können. Wenn diese zwei Teams/ Motorenlieferanten es zusammenbekommen, dann wird der Kampf an der Spitze enger werden, und es für Williams schwieriger machen."

Claire Williams, Frank Williams

Claire Williams übernimmt im Team immer mehr Verantwortung von ihrem Vater Zoom

Sarah Bates (E-Mail): "Was war dein größter Fehler, den du in deiner langen Motorsportkarriere gemacht hast?"
Anderson: "Sarah, ich bin mir nicht sicher, ob es hier genügend Platz gibt all meine Fehler aufzulisten! Es gab viele während meiner 42 Jahre. Ich habe als Mechaniker angefangen und wurde technischer Direktor. Mein größter Fehler war es, dass ich zu keinem großen Team gegangen bin als ich die Angebote und die Motivation hatte. Ich tat es nie, weil ich dachte, dass es mehr Zufriedenheit im Untergrund gäbe, es richtig zumachen und den großen Jungs in die Eier zu treten."

"Ein Rennauto besteht aus vielen einzelnen Teilen. Die Summe dieser ist es, was die Leistung bringt und ich bin jemand, der in alledem involviert sein muss. Ich mag es meine Hände schmutzig zu machen und ich muss das Bauchgefühl haben, wie alles zusammenarbeitet. Wenn ich zu einem großen Team gegangen wäre, dann wäre mein Job der gewesen, an einem Schreibtisch zu sitzen und Papierkram zu erledigen."

"Ich mag es meine Hände schmutzig zu machen." Anderson über seine Arbeitsweise

Ähnlichkeiten mit Adrian Newey

"Wenn ich ein paar Jahre jünger wäre und das Angebot käme, würde ich es nehmen, aber mit dem Verständnis, dass ich meine Unternehmung sehr ähnlich zu der von Red Bull aufziehen würde. Adrian Newey und ich sind sehr ähnlich. Er muss Tag für Tag direkt involviert sein, er hat Leute, die den Papierkram für ihn erledigen, was ihm erlaubt sich seine Hände schmutzig zu machen und zu fühlen, was er kreiert."

Mitch Connor (Facebook): "Wenn du dir zwei aktuelle Fahrer aussuchen könntest, Gary, wen würdest du wählen für 2015? Wären es zwei etablierte Stars oder ein Top-Pilot und einer für die Zukunft?"
Anderson: "Mitch, das ist sehr einfach zu beantworten. Es wäre genau das, was Red Bull getan hat: Daniel Ricciardo und Daniil Kwjat sind Stars der Zukunft. Ricciardo hat es mit dem viermaligen Weltmeister Sebastian Vettel aufgenommen und ihn zerstört. Wie Christian Horner gesagt hat, war es Ricciardos Tempo, das Vettel dazu bewegt hat zu Ferrari zu gehen."

Daniil Kwjat, Daniel Ricciardo

Daniil Kwjat und Daniel Ricciardo werden 2015 für Red Bull angreifen Zoom

"Kwjat hat in seinem Rookie-Jahr einen großartigen Job gemacht. Es ist immer schwierig einen Fahrer zu beurteilen, wenn er in einem kleineren Team ist, weil die nie so konstant sind. Aber wenn Kwjat im Q3 war am Samstagnachmittag klopfte er immer an die Türe. Und man sollte nicht vergessen, dass Toro Rosso auch Renault-Motoren verwendete, und gelegentlich waren sie das Top-Renault-Team."

Erstes Rennen Anfang Januar?

"Sie werden tolle Kämpfe haben, beide sind voller Selbstvertrauen und keiner wird einen Millimeter nachgeben. Hoffentlich wird Renault den Antrieb soweit verbessern, dass die Kämpfe an der Spitze stattfinden können."

David Williams (Facebook): "Könnten wir in den Wintermonaten Rennen sehen, wenn man sich die verschiedenen Klimata in den Ländern ansieht. Und könnte man früher in die Saison starten, später beenden oder ein Rennen nur alle zwei, drei Wochen haben?"
Anderson: "David, warum nicht. Ich bin alt genug um mich daran zu erinnern, als wir das erste Rennen in Argentinien am ersten Januar-Wochenende gefahren sind und das letzte Rennen in Watkins Glen in Amerika Ende Oktober. Es gab nur 16 oder 17 Rennen damals, also gab es merkwürdige Pausen, aber dem entgegen sind wir zu all den Europa-Rennen gefahren, was ein paar Tage mehr gemacht hat."

"Wenn wir mehr als 20 Rennen in einer Saison haben, dann müssen sie sich verteilen. Manche sind kosteneffizienter, wie die Rennen hintereinander, weil sie im gleichen Teil der Welt stattfinden, aber das sind nur kleine Ersparnisse. Vergangenes Jahr Australien und Malaysia waren separat, aber niemand hat sich aufgeregt."

"Jeder, der im Rennteam arbeitet, hat ein Familienleben, also ist es nicht einfach dauernd auf Achse zu sein. Ich bin 37 Jahre meiner 42 im Sport verheiratet und ich muss meiner Frau Jennie ein großes Dankeschön aussprechen, dass sie es mit mir ausgehalten hat."
"Solche Sachen müssten geregelt werden, aber das ist nicht machbar. Am ersten Wochenende im März beginnen und am letzten Wochenende im November aufhören, während man die Pause im August beibehält, das macht keinen großen Unterschied, würde uns aber 40 Wochenenden geben um die Rennen aufzuteilen."