• 11.07.2010 15:25

  • von Roman Wittemeier & Dieter Rencken

Wirth: "Es kann noch viel passieren"

Virgin-Technikchef Nick Wirth bläst zur großen Aufholjagd: "Lotus lässt nicht locker, aber wir entwickeln konstant weiter" - Design für 2011 läuft parallel

(Motorsport-Total.com) - Virgin hat beim Grand Prix in Silverstone einen erhblichen Fortschritt gezeigt. Das neue Aerodynamikpaket aus den CFD-Rechnern von Nick Wirth hielt sogar etwas mehr als es aufgrund der Simulationen versprochen hatte. "Neuer Heckflügel, neuer Diffusor, neue Bremsbelüftung, neuer Frontflügel und viele andere Teile. Es ist wirklich ein großes Paket", sagt der britische Designer, der in der Formel-1-Szene seinen ganz eigenen Weg geht.

Titel-Bild zur News:

Nick Wirth ist stolz auf seine Fortschritte mit Hilfe der CFD-Technik

"Es ist wirklich sehr befriedigend zu sehen, dass es auf Anhieb gut funktioniert hat", sagt Wirth erleichtert. Lächelnd fügt er hinzu: "Timo hat lustigerweise unfreiwillig Vergleichsfahrten machen müssen, weil sein Frontfügel kaputt ging. Er war mit dem alten Teil eine Sekunde langsamer. Das zeigt doch, wie gut das Update funktioniert." Schon für Hockenheim sind weitere Neuteile geplant.#w1#

"Lotus lässt nicht locker, die legen immer weiter nach", sagt Wirth mit Blick auf die direkte Konkurrenz. "Wir sind im Qualifying deutlich näher gekommen. Ein gutes Zeichen, denn normalerweise sind wir im Vergleich im Rennen immer erheblich näher dran gewesen. Ich habe ein breites Grinsen im Gesicht, denn es ist einfach toll zu sehen, dass wir nach den vielen Problemen mit dem Tank zu Beginn der Saison solche Schritte machen. Ich bin gespannt, wohin das noch führen wird."

Die Zielsetzung hat sich trotz der anfänglichen Probleme mit einem zu kleinen Virgin-Tank nicht verändert: Man will bestes neues Team sein und sich mit Platz zehn wichtiges Geld aus dem Vermarktungstopf von Bernie Ecclestone sichern. "Im Kampf um Platz zehn kann noch so viel passieren", meint Wirth. "Man kann mal Glück haben. Es kann Regenrennen geben, es kann auch mal ein Crash-Festival geben. Wir haben unser Augenmerk zunächst auf Standfestigkeit gelegt, nun arbeiten wir an der Performance."

Timo Glock

Timo Glock fährt in Silverstone mit dem neuen Virgin-Aerodynamikpaket Zoom

"Mal schauen, was noch möglich ist", fügt der Brite hinzu. Bei der Suche nach weiteren Fortschritten schwört Wirth nach wie vor auf CFD, aber er schaut auch bei den Gegnern ganz besonders genau hin. "Als Webber in Valencia abhob, da haben alle ganz genau hingeschaut. Aber es gab da keine großen Überraschungen. Selbstverständlich haben wir das aber ganz genau analysiert. Es schwirren viele Fotos davon herum. Man schaut es sich an und nimmt Kleinigkeiten wahr, die recht interessant sind. Das war hilfreich."

"Red Bull hat ein dermaßen tolles Auto. Aber die haben auch andere Voraussetzungen: mehr Geld, mehr Erfahrung, mehr Ressourcen", fasst der Virgin-Technikchef zusammen. "Aber eines Tages würde ich sie gern herausfordern. Natürlich sind sie im Moment meilenweit voraus, aber Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut." Ein neues, zentrales Designstudio soll beim Entwurf neuer Teile helfen. Derzweit ist Wirth Research auf mehrere Büros verteilt.

"Wir ziehen zum Beginn der Sommerpause im August um. Zumindest machen wir dann den Anfang, denn das zieht sich insgesamt über mehrere Monate hin. Wir werden am alten Standort an der Entwicklung 2011 weiterarbeiten, andere Mitarbeiter wechseln sofort den Standort. Anfang kommenden Jahres wird dann das gesamte Projekt in Banbury untergebracht sein", erklärt der Mann, der als Vorreiter der CFD-Technik in der Formel 1 gilt.

In den Computern von Wirth laufen viele Prozesse gleichzeitig. Man entwirft schon jetzt den Wagen für 2011, aber kann trotzdem die Entwicklung von neuen Teilen für die aktuelle Saison auf hohem Tempo halten. "Das ist einer der großen Vorteile unseres CFD-Ansatzes. Wir müssen kein Windkanalmodell bauen oder anpassen. Wir haben unglaublich viele Modelle, die bei uns durch den virtuellen Raum geistern."

"Natürlich arbeiten wir auch schon an 2011. Wir können beides gleichzeitig", berichtet Wirth stolz. "Das macht bei uns keinen Unterschied. Wir sind zwar beim Budget etwas hinter dem eigentlichen Plan zurück, aber wir wollen noch einige Fortschritte in diesem Jahr machen. Wir müssen an der Aerodynamik arbeiten. Aufgrund der Daten wissen wir, dass wir in den schnellen Kurven enorm viel verlieren. Daran müssen wir dann eben für das kommende Jahr arbeiten."


Fotos: Virgin, Großer Preis von Großbritannien


"Nehmen wir mal unseren Le-Mans-Klassensieg mit dem von uns entworfenen Acura. Der Wagen hat dort beim ersten Auftritt die Pole-Position geholt, das Rennen dominiert und mit sieben runden Vorsprung gewonnen. Der Wagen ist drei Jahre in der ALMS entwickelt worden. Zuerst war er im Nirgendwo, jetzt setzt er neue Maßstäbe. Dort, in der IndyCar-Serie, oder in der Formel 1 - es ist überall gleich: Du nimmst dein gutes Grundkonzept, entwickelst es weiter, passt es an und merzt die Schwachstellen aus", hofft Wirth auf Erfolge in der Formel 1.

2011 soll der Virgin aerodynamisch deutlich weiter entwickelt sein. Aber man verstrickt sich nicht in neue Abenteuer. "Wir nehmen kein KERS 2011", stellt Wirth klar. Im Bereich Hydraulik und Getriebe schaut man sich neben der - bisher oft unzuverlässigen - Variante Xtrac auch andere Optionen an. "Wir sind im Bereich Hydraulik schon vorangekommen, müssen aber weitere Schritte machen. Bezüglich des Getriebes müssen wir mal schauen. Zuletzt hatten wir die beste Zuverlässigkeit der neuen Teams. Aber wir müssen analysieren, ob das Glück war und ob uns das ausreichend Sicherheit für das kommende Jahr verspricht."

Insgesamt sei man stolz auf die bisherigen Auftritte, denn überhaupt in der Formel 1 an den Start gehen zu können sei eine großartige Leitstung. Entsprechend kritisch sieht Wirth den Weg der FIA, erst im August über den 13. Startplatz 2011 zu entscheiden. "Vielleicht kommt jemand daher und kauft einen alten Toyota. Dann viel Glück! Wir wissen, wie schwierig es ist. Das ist enorm. Wenn man im August erst anfangen kann, ein Auto zu entwerfen, dann wird es hart. Man kann dem neuen Team dann nur viel Glück wünschen."