• 09.02.2009 15:25

  • von Dieter Rencken

Willis: "Arbeiten an einem Paket für Melbourne"

Red-Bull-Designer Geoff Willis über die Philosophie hinter dem neuen RB5, geplante Updates bis Melbourne und potenzielle Risiken von KERS

(Motorsport-Total.com) - Adrian Newey gilt bei Red Bull als aerodynamisches Genie der alten Schule, doch Geoff Willis ist der Mann, der Neweys Ideen den vernünftigen Feinschliff verpasst. Heute wurde in Jerez der neue RB5 vorgestellt, mit dem das Team seinen ersten Sieg in der Formel 1 feiern will. Anschließend stellte sich Willis im Fahrerlager einem Interview.

Titel-Bild zur News: Geoff Willis

Geoff Willis erwartet trotz des Testverbots weiterhin eine hohe Entwicklungsrate

Frage: "Geoff, was war die Designphilosophie hinter dem neuen Auto?"
Geoff Willis: "Die Regeländerungen waren signifikant, sodass wir mit einem weißen Blatt Papier beginnen mussten. Man muss sich bei neuen Regeln ein bisschen nach dem richten, wozu einen die Regeln zwingen, aber die beste Methode ist immer noch, zu versuchen, einen Weg um die Regeln herum zu finden. Die Herausforderung für die Teams liegt dieses Jahr nicht nur darin, die bestmöglichen Lösungen zu entwickeln, sondern auch darin, das Reglement maximal auszuloten. Es gibt viele Veränderungen der aerodynamischen Wirkungsweise. Daher kann man an den Autos während der Wintertests einige verschiedene Lösungen sehen. Ich glaube, dass keines der Autos in Australien der beim Launch präsentierten Spezifikation sehr ähnlich sein wird."#w1#

Frage: "Habt ihr schon viele Modifikationen geplant?"
Willis: "Natürlich. Wir arbeiten gerade sehr hart an einem Paket, das wir in Melbourne dann einsetzen werden. Mit den großen Regeländerungen im Aerodynamikbereich werden wir dieses Jahr vor allem aerodynamische Modifikationen sehen."

Frage: "Ihr legt das Reglement sehr aggressiv aus, speziell im Bereich der Frontpartie. Zum Diffusor kann ich nichts sagen, denn den habt ihr ja gut versteckt. Aber ist das aggressive Design der Frontpartie auch ein Risiko?"
Willis: "Adrian und sein Aeroteam haben daran schon lange gearbeitet. Das ist die Richtung, in der er im Windkanal und mit den CFD-Simulationen in den vergangenen neun Monaten gegangen ist. Man muss die Entwicklungswerkzeuge so einsetzen, dass man an den Punkt gelangt, an dem man zufrieden ist. Bei uns sieht das eben so aus."

¿pbvin|512|1252||0pb¿Frage: "Es gibt hinsichtlich der bei manchen auf dem Frontflügel montierten Ballastgewichte Sicherheitsbedenken. Was kannst du dazu sagen?"
Willis: "Ich sehe kein offensichtliches Problem. Die Autos, die KERS fahren werden, werden weniger Ballastgewichte als im Vorjahr montiert haben. Seitens der Reifen ist ein gewisser Bedarf da, die Gewichtsverteilung nach vorne zu schieben. Wir haben versucht, das zu berücksichtigen."

"Was Ballastgewichte am Frontflügel angeht, so wissen alle Teams, was gutes Engineering ist, also erwarte ich nichts in diese Richtung. Weil die Frontflügel breiter sind, sehen sie vielleicht so aus, als würden sie lose herumhängen. Das könnte für ein paar mehr Zwischenfälle in der ersten Kurve sorgen, aber wir wissen es nicht. Vielleicht bekommen es die Fahrer ins Gespür, dass die Autos breiter geworden sind, sodass sie sich mehr Platz lassen."

Frage: "Wie groß ist das Gewichtshandicap durch KERS?"
Willis: "Das ist vielleicht ein kleiner Wettbewerbsvorteil, den wir dafür weggeben müssen, das stimmt. Wenn ein Auto KERS montiert hat, wird nur wenig Ballastgewicht an Bord sein."

Frage: "Ist KERS die ganze Mühe überhaupt wert?"
Willis: "Es ist eine interessante Herausforderung, weil die Technologie für die Formel 1 neu ist. Bisher haben wir noch nie mit so starken Generatoren und mit so hohen Spannungen gearbeitet. Darauf muss man sich einstellen. Im Moment macht KERS auf eine einzelne Runde nur einen sehr kleinen Leistungsunterschied aus, aber man kann nicht sagen, wie groß der taktische Vorteil unter Rennbedingungen ist. Daher müssen alle KERS entwickeln, um die Technologie zu verstehen, denn irgendwann werden die Energielimits gelockert und dann wird der Leistungsvorteil entsprechend ansteigen."

Frage: "Bob Bell hat bei der Renault-Präsentation gesagt, dass KERS wegen der Spannungen tödlich sein kann. Teilst du diese Ansicht?"
Willis: "Es gibt mehrere Bereiche eines Formel-1-Autos, die potenziell tödlich sein können, aber es geht darum, wie man das Design entwickelt, um auf der sicheren Seite zu sein. Dafür ist bereits während der Designphase eine genaue Analyse notwendig. Auf diese Weise kann man potenzielle Risiken eliminieren. Die heutigen Autos sind relativ große Energiespeicher, denn wir haben Hochvoltsysteme, wir haben Hydrauliksysteme und hohe Temperaturen, 90 oder 100 Kilogramm Benzin an Bord. Natürlich bringen manche Energiesysteme gewisse Risiken mit sich, aber solange wir beim Design unseren Job gut machen, können wir die Sicherheit gewährleisten."


Fotos: Rollout des Red-Bull-Renault RB5


Frage: "Hat die FIA schon klargestellt, wie sie kontrollieren wird, dass der Frontflügel nur maximal zweimal pro Runde verstellt werden darf?"
Willis: "Die Standard-ECU zeichnet alles auf, was der Fahrer im Cockpit macht. Das ist also ziemlich einfach nachzuvollziehen."

Frage: "Aber was passiert, wenn ein Fahrer irrtümlich ein drittes Mal in einer Runde den Frontflügel verstellt und dann das Rennen gewinnt? Wird er deswegen disqualifiziert? Sollte es nicht eine Art Blockade geben, dass man nicht öfter als zweimal verstellen kann?"
Willis: "Dazu müsste ich überprüfen, was die Limits der Kontrollsoftware sind, denn da gibt es gewisse Schutzmechanismen. Das ist eine interessante Frage, aber ich habe das selbst noch nicht überprüft. Allerdings war es in der Vergangenheit etwa bei der Drehzahl so, dass überprüft wurde, ob der Fahrer einen Vorteil hatte, wenn die 19.000 Touren mal kurz überschritten wurden. Wenn nicht, dann wurde es ignoriert."

Frage: "Wird das neue Reglement mit Testverbot und eingeschränkter Windkanalnutzung die Entwicklung deutlich einbremsen oder nicht?"
Willis: "Für dieses Jahr erwarte ich ein sehr schnelles Entwicklungsrennen, weil die Regeländerungen so umfangreich sind. Da wird sich während der Saison einiges tun. Sobald wir uns wie im Vorjahr wieder in einer stabilen Umgebung befinden, wird es allerdings schon viel schwieriger, neue Teile während der Saison zu testen. Da wird man sich dann genau überlegen, was man an die Strecke mitnimmt und was nicht, denn es ist eine Herausforderung, nur während der beiden eineinhalbstündigen Sessions am Freitag zu testen. Die guten Teams werden nicht viel langsamer entwickeln, aber sie werden gründlich arbeiten müssen, um das zu erreichen."