• 09.02.2009 15:23

  • von Dieter Rencken

Newey und der Design-Marathon

Red-Bull-Designer Adrian Newey über die Herausforderungen beim Entwurf des neuen RB5, die Kompromisse beim Gewicht und die Argumente für KERS

(Motorsport-Total.com) - Die Hoffnungen bei Red Bull sind speziell 2009 mit zwei prominenten Namen verbunden. Desgin-Guru Adrian Newey soll seine Kenntnisse im Zuge der Regeländerungen beim Bau des RB5 zur Geltung bringen und Youngster Sebastian Vettel den neuen Boliden auf der Strecke zu Erfolgen pilotieren. Newey hat seine aggressive Entwicklungsphilosophie auch beim RB5 voll umgesetzt. Der Neuwagen kommt filigran mit spitzer Nase daher, an der Hinterachse hat man eine neue Aufhängungsgeometrie. Hintergünde erklärte der britische Techniker heute beim Launch in Jerez.

Titel-Bild zur News: Adrian Newey

Adrian Newey hatte an den Regeländerungen seinen Spaß: Radikaler RB5

Frage: "Adrian, euer Auto kommt drei Wochen später als viele andere. Seid ihr später gestartet, oder habt ihr euch einfach drei Wochen mehr im Windkanal gegönnt, um alles weiter zu verfeinern?"
Adrian Newey: "Das kommt darauf an, wann die anderen mit ihren Entwicklungen angefangen haben. Wir haben im April losgelegt. Auf Grundlage der tiefgreifenden Regeländerungen konnten wir nur dafür sorgen, dass wir in der zur Verfügung stehenden Zeit das beste Design daraus machen. Dass die neue Saison drei Wochen später startet, hat in unserer Entscheidung eine Rolle gespielt."#w1#

"Das Verbot der Testfahrten während der Saison wurde später verabschiedet und kommt uns nicht gerade entgegen. Bei den anderen haben wir uns bisher kaum etwas genauer anschauen können, weil wir mit unseren eigenen Lösungen beschäftigt waren. Wir haben ohnehin als relativ kleines Team weniger Möglichkeiten. Wir können gar nicht so viele Tests im Windkanal machen, daher soll es ja auch die Einschränkungen in diesem Bereich geben. Wir haben uns einfach mehr Zeit genommen, um unsere beschränkten Ressourcen voll ausnutzen zu können."

Designer haben Hochkonjunktur

Frage: "Drei Teams waren im Rahmen der 'Overtaking Group' an der Neufassung der Regeln beteiligt. Haben diese drei Teams den anderen gegenüber einen Vorteil?"
Newey: "Nein, das sehe ich nicht so. Es ist alles klar und eindeutig formuliert. Man muss natürlich mal abwarten, wie die Teams mit den Regeländerungen umgehen, aber einen Vor- oder Nachteil sehe ich nicht."

"In diesem Jahr wird die Differenz zwischen den Teams größer sein." Adrian Newey

Frage: "Wird denn das Überholen tatsächlich einfacher?"
Newey: "Potenziell wird es erleichtert, obgleich sich durch die Regeländerungen der Abstand zwischen den schnellsten Teams und den langsamsten vergrößern dürfte. Das vergangene Jahr war durch hohe Leistungsidchte geprägt. Fünf verschiedene Hersteller konnten Rennen gewinnen. Man muss lange Zeit zurückdenken, um dergleichen zu finden. In diesem Jahr wird die Differenz zwischen den Teams größer sein."

Frage: "Du hast in deiner Karriere schon einige Regeländerungen mitgemacht. Die deutlichsten Änderungen gab es 1998. Ist das mit dem heutigen Einschnitt vergleichbar?"
Newey: "Die aktuellen Änderungen sind deutlich größer. Wir sprechen heute von fundamentalen Veränderungen. Es ist eine große Herausforderung und eine aufregende Zeit. Man sieht immer die Gefahr, dass die anderen etwas finden, was man selbst nicht gefunden hat."

"Es gab so viel zu tun. Im meinem ersten Jahr bei McLaren hatte ich vielleicht ähnlich viel Arbeit. Man kann sich entweder hinsetzen und sich Gedanken machen und hoffentlich außergewöhnliche Lösungen finden, oder man hat ein Topteam mit riesigen Ressourcen und probiert eben mehrere Dinge einfach aus. Seit April ging es ohne Unterbrechung voll zur Sache."

Frage: "Du bist für deine aggressiven Designs bekannt. Findet sich das trotz der Regeländerungen auch am RB5 wieder?"
Newey: "Ja, auch dies ist ein recht aggressives Design. Dieses Design ist deutlich anders als alles, was ich bisher gemacht habe. Ich denke, es stecken aber ganz gute technische Gründe dahinter. Man muss aber konsequent sein. Alle Veränderungen müssen eine Verbesserung versprechen. Ich muss nichts Neues erfinden, nur um etwas anders zu machen."

Gewichtsverteilung im Fokus

Frage: "Welches war im Zuge der Regeländerungen die größte Herausforderung?"
Newey: "Ich würde sagen die Gewichtsverteilung, vor allem mit KERS. Allein wegen der Slicks muss man mehr Gewicht auf die Vorderachse bringen. Gleichzeitig bringt KERS mehr Gewicht nach hinten und man hat weniger Ballast, mit welchem man spielen könnte. Im vergangenen Jahr hat man sehr viel Ballast in den Frontflügel und in die Nase gepackt. Jetzt mit KERS ist das nicht mehr möglich. Wir haben deutlich weniger als die Hälfte an Ballast. Eigentlich ist kaum etwas übrig geblieben. Das hängt natürlich auch vom Gewicht des Fahrers ab. Wenn du jemanden wie Mark hast, der sehr groß ist, dann ist es natürlich schwieriger."

Frage: "Wie geht ihr denn mit genau dieser Problematik der Gewichtsverteilung um?"
Newey: "Einen Teil kann man über den Radstand machen, aber nicht zu viel. Wenn man es dabei übertreibt, dann könnte das auf einigen Strecken Nachteile bringen. Den Radstand kann man aber kaum von Rennen zu Rennen ändern. Einen weiteren Teil kann man natürlich auch über Gewichtsersparnis machen. Aber das ist teuer."


Fotos: Präsentation des Red-Bull-Renault RB5


Frage: "Werden möglicherweise einige Teams mit der Position der Vorderachse spielen und so den Radstand verändern?"
Newey: "Ja, das kann ich mir vorstellen. Ich bin nicht sicher, ob man das von Rennen zu Rennen verändern können wird, aber grundsätzlich ist es möglich. Die vorderen Aufhänungselemente sind leicht zugänglich und verschiebbar."

Frage: "Teamchef Christian Horner sagt, dass ihr möglicherweise schon beim Saisonstart KERS an Bord haben werdet. Wie siehst du das?"
Newey: "Wir setzen es dann ein, wenn es bereit ist. Ich weiß noch nicht, ob wir es in Melbourne nutzen werden. Das hängt auch von logistischen Dingen ab. Aber natürlich muss auch die Leistung des Systems erst einmal stimmen. Es gibt Argumente für KERS. Wenn man kein Hybridsystem an Bord hat, besteht die Gefahr, dass man beim Start und nach Safety-Car-Phasen einfach überholt wird. Man kann es nicht so richtig einschätzen."

Frontflügel könnten fliegen

Frage: "Wie wichtig ist der neue Frontflügel?"
Newey: "Wenn man die aerodynamischen Möglichkeiten im Zentrum beschneidet, dann werden die Flügel umso wichtiger."

Frage: "Es gibt Befürchtungen, dass mehr Flügel beschädigt werden könnten. Stimmst du dem zu?"
Newey: "Ich weiß es nicht. Natürlich ist die Gefahr vielleicht größer, weil die Frontflügel breiter sind und man sie nicht vom Cockpit aus sehen kann. Wenn solch ein Flügel erst einmal weg ist, verlierst du all den Abtrieb an der Vorderachse. Vielleicht werden bei einigen Zwischenfällen auch ein paar Hinterreifen aufgeschlitzt."

"Aufgrund der Ressourcen konnten wir nicht mehrere Wege parallel beschreiten." Adrian Newey

Frage: "Die hinteren Aufhängungen am RB5 sind ganz besonders. Warum?"
Newey: "Die Zugstangen sind komplett verändert. Man muss das Heck optimieren. Es geht darum, dass der Heckflügel möglichst gut angeströmt wird."

Frage: "Liegen die Füße der Fahrer höher?"
Newey: "Ja, aber das ist nur marginal. Wir sprechen da über 25 Millimeter etwa."

Frage: "Erzähl uns bitte etwas über Diffusoren. Wie denkst du über die viel diskutierte Lösung von Toyota?"
Newey: "Das gibt es nicht viel zu erzählen. Wir selbst sind da zurzeit sehr konservativ. Ich habe mir die Lösungen der anderen nicht besonders intensiv angeschaut. Die Regeln sind eigentlich sehr eindeutig und wenn man es wort-wörtlich auslegt, hat Toyota eine legale Lösung. Sie haben ihn höher ziehen können. Sollte man sich davon einen Vorteil versprechen, dann kann man es ja genauso bauen. Wir haben uns auch eine solche Lösung angeschaut und haben festgestellt, dass es kaum einen Vorteil bringt. Das bedeutet nicht, dass es keinen Vorteil bringt. Wir haben eben eine eigene Lösung."

Frage: "Werden sich die Autos noch deutlich verändern?"
Newey: "Ja, ich denke schon. Wir konnten uns in der Entwicklung nur auf einen Weg beschränken. Wir haben die Richtung eingeschlagen, die wir für Erfolg versprechend halten. Aufgrund der Ressourcen konnten wir nicht mehrere Wege parallel beschreiten. Bei anderen Teams dürfte das ähnlich sein. Erst in den kommenden drei oder vier Jahren stellt sich nach und nach heraus, welche Kombination die beste ist und dann gleichen sich die Fahrzeuge wieder an. In diesem Jahr wird man aber deutliche Unterschiede ausmachen können."