• 09.02.2009 12:05

  • von Roman Wittemeier

Newey und sein RB5: Vorne Indoor-Kart, hinten Atompilz

Red-Bull-Designer Adrian Newey über den neuen RB5 und die Aussichten auf mehr Action - Technikdirektor Geoff Willis: "Testen im Zeitraffer"

(Motorsport-Total.com) - Als Sebastian Vettel und Mark Webber am Vormittag den neuen Red Bull RB5 enthüllten, kam ein typischer Entwurf des Formel-1-Stardesigners Adrian Newey zum Vorschein. Schlanke Formen gepaart mit feinen Detaillösungen, kurz: Ein Fahrzeug, welches auf den ersten Blick pfeilschnell aussieht. Ob diese Optik sich auch auf die Zeitenmonitore übertragen lässt, wird sich im Verlauf dieser Woche bei den Testfahrten in Jerez zeigen.

Titel-Bild zur News: Mark Webber, Sebastian VettelJerez, Circuit de Jerez

Der neuen Red Bull RB5 kommt mit einer sehr spitzen Nase daher

"Es gab nun die teifgreifendste Regelveränderung seit der Einführung des glatten Unterbodens im Jahr 1983", beschrieb Newey seine Aufgabe beim Bau des neuen Boliden. "Wir haben mit einem weißen Blatt Papier begonnen, haben uns dann die neuen Regeln angeschaut und dann alle Interpretationsmöglichkeiten durchgespielt. Wir haben nicht alles verändert, um es einfach nur anders zu gestalten", sagte der Red-Bull-Cheftechniker, der also auch auf bewährte Lösungen zurückgriff.#w1#

Newey und die neuen Flügel

Dennoch stand am Ende des Designprozesses ein kompletter Neuwagen. "Mal abgesehen von den Innereien des Getriebes, haben wir eigentlich nichts vom RB4 direkt übernommen." Neweys Ziel war es, seine heiß geliebten schlanken Formen auch am RB5 umzusetzen. Allerdings musste der Brite dabei teilweise die Zähne zusammenbeißen. "Der Heckflügel in schmaler und höher, um weniger Einfluss auf das folgende Auto zu haben. Man kann sich den Luftfluss am Heck vorstellen wie einen Atompilz."

Christian Horner (Teamchef), Adrian Newey (Technischer Direktor), Sebastian Vettel, Mark Webber, Jerez, Circuit de Jerez

Adrian Newey kann der Optik der neuen Fahrzeuge nicht viel abgewinnen Zoom

Auch beim Frontflügel der neuen Formel-1-Fahrzeuge rümpft Newey die Nase: "Er ist furchtbar proportioniert! Er ist tiefer und breiter und sieht für mich so aus wie bei einem Indoor-Kart. Die Idee dahinter war, dass die Mitte des Frontflügels für Verwirbelungen am anfälligsten ist. Das Zentrum wird somit entlastet und die äußersten Bereiche bekommen mehr Last. Das Verbot von Bargeboards und Zusatzflügeln kostet zwar viel Abtrieb, aber das grundsätzliche Verhalten des Autos ist davon kaum betroffen."

"Insgesamt wird sich das Fahrzeugverhalten aber trotzdem deutlich ändern. Das liegt an der Kombination von Frontflügel und neuem Diffusor, der nun höher und weiter nach hinten gezogen ist. Weil er jetzt auf Höhe der Hinterräder endet und nicht mehr davor, arbeitet der Diffusor nun ganz anders", beschrieb Newey die Auswirkungen der neuen Regeln.

KERS als "Klotz am Bein"

"Der Wechsel von Rillenreifen auf Slicks bedingt ein grundlegendes Umdenken bei der Gewichtsverteilung", sagte der prominente Formel-1-Designer weiter. "Die Hinterreifen werden nun stärker belastet. Schon beim Designprozess mussten wir also die Gewichtsverteilung nach vorne verschieben." Hinzu komme noch die KERS-Problematik. "Wir nutzen ein System mit Batterien, welches schwer ist und Auswirkungen auf die Gewichtsverteilung hat."

"Nachdem man alle grundlegenden Komponenten wie Fahrer, Tank, Motor und Getriebe platziert hatte, musste man irgendwo noch Platz für KERS finden." Adrian Newey

"Nachdem man alle grundlegenden Komponenten wie Fahrer, Tank, Motor und Getriebe platziert hatte, musste man irgendwo noch Platz für KERS finden. Gleichzeitig musste man ein Auge auf Tankkapazität und Gewichtsverteilung halten. Der RB5 hat daher sein KERS nun unterhalb des Tanks", sagte Newey. Das von Renault übernommene Hybridsystem wird demnach also genauso verbaut wie zum Beispiel bei Toyota.

Die Reifensorgen des Designers werden vom Technikdirektor Geoff Willis geteilt. "Das Auto muss von der Gewichtsverteilung passen und für den Fahrer wird es extrem schwer, die Hinterreifen zu schonen. Es gibt in diesem Jahr nur vier Reifenmischungen und die beiden am Rennwochenende zu Auswahl stehenden sind von der Charakteristik sehr unterschiedlich. Die Reifen werden zwar einen großen Teil des verlorenen Abtriebs wieder wettmachen, aber trotzdem wird es sehr interessant, wie nah wir an die Rundenzeiten von 2008 herankommen werden."

Willis und der volle Freitag

Willis beschrieb weiter: "Abgesehen von den kleinen Einschränkungen, die wir mit dem Auspuff haben, erschwert auch das Ableiten der Kühlluft nach hinten das Problem. Man muss das Heck des Autos größer gestalten, noch komplizierter wird es durch KERS, welches den Kühlbedarf noch einmal um zehn Prozent erhöht. Bisher konnte man die Kühlung durch neue Schlitze oder Kamine verändern, nun können wir das nur noch am Heck machen."

Sebastian VettelJerez, Circuit de Jerez

Sebastian Vettel durfte am Vormittag die ersten Runden mit dem RB5 drehen Zoom

Umso wichtiger sei es, dass man sich bei der anfänglichen Berechnung des Kühlsystems nicht vertue, so Willis weiter: "Die ersten Rennen der Saison können sehr heiß werden. Einige Teams werden Probleme bekommen, wenn sie bei ihrem nicht ausreichend gekühlten Fahrzeug zwischendurch eine neue Lösung heraustüfteln müssen."

Insgesamt werde sich die Fortentwicklung der Fahrzeuge 2009 deutlich verändern. "Durch das Testverbot bekommt der Freitag am Rennwochenende eine ganz neue Bedeutung, weil er unsere einzige Testchance innerhalb der Saison ist", sagte der Red-Bull-Technikdirektor. "Der Luxus von 1.500 Testkilometern zwischen zwei Rennen fällt komplett weg. Nun muss die Abstimmung zwischen Test- und Rennbetrieb verfeinert werden. Die perfekten Neuerungen müssen zur perfekten Zeit kommen."

Neuteile müssen punktgenau kommen

Willis präzisierte: "Wir müssen uns bestimmte Rennstrecken ausschauen, die für den Test bestimmter Komponenten taugen. Wenn es Verzögerungen gibt, dann sind wir vielleicht gerade auf einer Strecke, wo man überhaupt keine relevanten Daten für jenes Teil bekommen kann. Wir haben schon 2008 unsere Entwicklungsabteilung in diese Richtung verändert. Es geht um mehr Koordination, strukturiertes Testen und Vergabe von Prioritäten."


Fotos: Präsentation des Red-Bull-Renault RB5


Die Analyse der Daten aus der ersten Session am Freitag sei extrem wichtig. "Wir haben zwischen den beiden Sessions zwei Stunden Zeit. Wir müssen sehr schnell Erkenntnisse bekommen, um das Auto für das zweite Freie Training zu konfigurieren. Am Freitagabend soll das Auto komplett so stehen, wie wir es am Samstag fahren wollen, denn für die Piloten ist Kontinuität wichtig. Bei den Dreitagestests hatten wir lange Zeit zum Überlegen. Nun bleiben uns nur 90 Minuten für die Datenanalyse."

"Wir müssen dann schnelle Veränderungen vornehmen und dann noch einmal 90 Minuten fahren. Danach können wir die Entscheidungen für das restliche Rennwochenende treffen. Weil nun alles im Zeitraffer passieren muss, werden uns die Leute im Werk als wichtige Zuarbeiter zur Verfügung stehen", beschrieb Willis die hektischen Tätigkeiten an Freitagen. Der Datenhighway zwischen der jewiligen Rennstrecke und dem Werk in Milton Keynes dürfte heißlaufen.

Newey sieht langweilige Zeiten

Rein optisch kann sich der Technikdirektor voraussichtlich schnell an die neue Generation Formel-1-Fahrzeuge gewöhnen. "Durch die neuen Regeln sieht es anders aus, aber das wird man bald kaum noch merken. Die Fahrzeuge sehen aufgeräumter aus, weil die ganzen Zusatzflügel verschwunden sind. Das Gesamtkonzept zu verstehen und weiter zu optimieren ist die größter Herausforderung. Das Setup des Wagens wird genauso wichtig sein wie zuvor."

"Nur ein oder zwei Teams werden alles richtig machen und siegen können." Adrian Newey

Ursprünglich sollte durch das veränderte Regelwerk mehr Action auf der Strecke durch mehr Überholmanöver provoziert werden. Der ohnehin oft zurückhaltende Newey ist skeptisch: "Es wird vielleicht etwas besser, aber nicht so viel wie manche sich das vorstellen. Das Layout der Strecke ist und bleibt nun einmal der wichtigste Faktor für die Anzahl von Überholmanövern."

Auch im Bereich Leistungsdichte sieht der erfahrene Formel-1-Designer kaum rosige Zeiten. "Im vergangenen Jahr war das Feld sehr eng beieinander. Fünf verschiedene Hersteller haben Rennen gewinnen können", sagte Newey angesichts von Rennsiegen für Ferrari, McLaren-Mercedes, Toro Rosso, Renault um dem BMW Sauber F1 Team im Jahr 2008. "Die Regeländerungen werden nun das Gegenteil bewirken. Nur ein oder zwei Teams werden alles richtig machen und siegen können."

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