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  • 14.03.2016 21:23

  • von Daniel Halder

Williams: Siege aus eigener Kraft unwahrscheinlich

Williams-Technikchef Pat Symonds sieht sein Team als dritte Kraft - Respekt vor Toro Rosso und Force India, schwere Saison für Renault und Haas prognostiziert

(Motorsport-Total.com) - An diesem Wochenende hat das Rätselraten ein Ende. Wenn in Melbourne die Lichter zur Formel-1-Saison 2016 angehen, bekommen Fans und Experten einen ersten Eindruck über das wahre Kräfteverhältnis der elf Teams. Testergebnisse verkommen dann endgültig zur Bedeutungslosigkeit, die Zeit der Prognosen ist vorüber.

Titel-Bild zur News: Pat Symonds

Pat Symonds schätzt kurz vor dem Saisonstart das Kräfteverhältnis ein Zoom

Einer, der wenige Tage vor dem Saisonstart trotzdem noch mal den Blick in die Glaskugel wagt, ist Williams-Technikchef Pat Symonds. Den 62-Jährigen interessiert dabei natürlich in erster Linie die Frage, ob sein Team in der kommenden Saison Rennen gewinnen kann. Die Antwort kommt nicht überraschend: "Mercedes ist natürlich im Vorteil." Dennoch muss er etwas weiter ausholen, will er die Situation an der Spitze einschätzen.

Auffällig für ihn war besonders, dass Klassenprimus Mercedes bei den Testfahrten in Barcelona (zum Testcenter) mit einer Vielzahl an aerodynamischen Innovationen aufwarten konnte. Das Weltmeister-Team habe über den Winter einige "ungewöhnliche Sachen" ausprobiert, so Symonds gegenüber 'Motor Sport'. "Aber selbst wenn man von der geringsten aerodynamischen Entwicklung ausgeht, weiß man noch immer, dass sie die Schnellsten sind. Ferrari ist dicht dahinter. Aber dann wird es schon schwieriger. Ich denke, dass Williams auf Platz drei liegen kann. Aber es ist ein enges Rennen mit Toro Rosso und Red Bull. Auch Force India spielt da mit rein."

Chancen nutzen, wenn Mercedes schwächelt

Dass es in der erweiterten Topgruppe wieder eng zugehen wird, ist damit klar. Doch zurück zur Ausgangsfrage: Kann Williams in dieser Saison Rennen gewinnen? Symonds vergleicht die Situation mit den beiden vergangenen Jahren 2014 und 2015, als Red Bull und Ferrari nur dann zuschlugen, als Mercedes Probleme an einzelnen Rennwochenenden bekam. "Wenn man sich 2014 ansieht, da gab es drei Rennen, die Mercedes nicht gewinnen konnte, sondern Red Bull. Wenn man sich die Rennen ansieht, weiß man, dass Red Bull Mercedes an diesen Tagen nicht geschlagen hat. Mercedes hatte Probleme - und Red Bull war da und hat sich die Siege geschnappt."

Ähnliches müsse seiner Mannschaft in diesem Jahr gelingen. "Wir haben unsere Pace des Autos verbessert und sind etwas näher an Mercedes dran. Außerdem haben wir unsere Abläufe etwas geschärft. Hoffentlich können wir unsere Möglichkeiten wahrnehmen." Symonds betont in diesem Zusammenhang, dass Williams als Mercedes-Kunde keinerlei Nachteil gegenüber dem Werksteam habe. "Wir arbeiten genau mit dem gleichen Material. Nicht nur was die Antriebseinheit betrifft, wir haben auch einen Plan für den Arbeitszyklus - das ist alles genau gleich."


Fotos: Felipe Massa, Test in Barcelona, Freitag


Red Bull, Toro Rosso und Force India als größte Konkurrenten

Bei Williams beobachtet man aber nicht nur die Favoriten Mercedes und Ferrari genau, auch jene Teams, die im vergangenen Jahr hinter der Truppe aus Grove standen, werden unter die Lupe genommen. Fahrer Felipe Massa hat dabei vor allem Red Bull auf der Rechnung, verweist aber auch noch auf die Möglichkeiten eines anderen Teams: "Red Bull und McLaren haben riesige Kapazitäten - vor allem in finanzieller und personeller Hinsicht. Aber auch wir haben die Möglichkeit, uns immer weiter zu verbessern. Vor allem in langsamen Kurven. Außerdem brauchen wir mehr Abtrieb und ein besser ausbalanciertes Auto bei feuchter Strecke. Es wird interessant werden."

Dass McLaren-Honda mit den Piloten Fernando Alonso und Jenson Button in diesem Jahr bereits die Spitze herausfordern kann, glaubt Williams-Mann Symonds aber nicht: "Was die Performance angeht, sehen wir sie immer noch ein paar Sekunden hinter den Mercedes. Sie haben aber bessere Geschwindigkeiten auf den Geraden gezeigt. Die Probleme mit der Energiefreigabe dürften somit behoben sein. Sie haben aber noch viel Arbeit vor sich. Wir sehen sie hinter Renault und ein gutes Stück hinter Force India, Red Bull, Toro Rosso und Williams."

Den größten Respekt flößen Symonds die vermeintlich kleineren Teams Toro Rosso und Force India ein, die er in Schlagdistanz sieht. Vor allem Force India mache eine Menge aus seinem verhältnismäßig kleineren Budget: "Am Ende der vergangenen Saison waren sie außerordentlich gut und sie sind auch jetzt gut in das neue Jahr gestartet", weiß der 62-Jährige.

Symonds: Renault und Haas brauchen Geduld

Toro Rosso müsse man aus zweierlei Gründen auf der Rechnung haben: Zum einen hätten die beiden Fahrer Max Verstappen und Carlos Sainz nach ihrem Rookie-Jahr nun mehr Erfahrung, zum anderen werde dem Team die Ferrari-Antriebseinheit helfen: "Sie hatten schon im Vorjahr ein wirklich gutes Auto. Sie werden kämpfen."

Eine schwierige Saison sagt Symonds dagegen dem Renault-Team sowie den Neueinsteigern von Haas voraus. Renault habe zwar die erforderlichen finanziellen Möglichkeiten, brauche aber Geduld. "Dieses Jahr wird hart werden, sie brauchen mehr Leute. Über die vergangenen Jahre wurde das Team ausgedünnt." Jetzt versuche Renault, anderen Teams gute Ingenieure abzuwerben, doch das "benötigt schon sechs Monate bis zu zwei Jahre, hängt von den Verträgen ab. Also wird es noch dauern, bis sie sich etablieren können", so Symonds.

Bei Haas habe nach einer tollen ersten Testwoche die Realität Einzug gehalten. "Sie haben weniger Kilometer als alle anderen Teams gemacht, also werden sie einen harten Weg vor sich haben. Was die Konkurrenzfähigkeit angeht, sind sie einen guten Schritt vor Manor. Aber hinter allen anderen."