powered by Motorsport.com
  • 18.04.2009 18:00

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Williams: Lasst uns endlich in Ruhe!

Williams-Technikchef Sam Michael versteht nicht, dass der Diffusor immer noch ein Thema ist - Update für Barcelona - KERS fest eingeplant

(Motorsport-Total.com) - Sechs Bestzeiten in neun Freien Trainings beweisen trotz des mageren Punktekontos von gerade mal dreieinhalb Zählern aus zwei Rennen, dass Williams in dieser Saison einen großen Sprung nach vorne gemacht hat. Eines der Erfolgsgeheimnisse ist zweifellos der Doppeldiffusor, der anfangs umstritten war, seither aber in drei Instanzen von der FIA für legal erklärt wurde.

Titel-Bild zur News: Sam Michael

Wundert sich über die anhaltenden Proteste der Konkurrenz: Sam Michael

Spätestens seit dem letztinstanzlichen Urteil des Internationalen Berufungsgerichts am Mittwoch versteht Technikchef Sam Michael nicht mehr, warum manche Sektionen der Konkurrenz immer noch gegen das Design Sturm laufen: "Ich habe nichts dagegen, dass jemand zu Charlie (Whiting, Technischer Delegierter der FIA; Anm. d. Red.) geht, dann protestiert und dagegen von mir aus sogar noch einmal Berufung einlegt. Aber mich wundert es, dass die Sache jetzt noch weitergeht, denn das Berufungsgericht ist die letzte Instanz."#w1#

Noch ein Berufungsgericht?

"Es gibt eine Klarstellung seitens der FIA. Die wurde in Melbourne und Malaysia von jeweils drei unterschiedlichen Kommissaren gutgeheißen. Dann sind noch fünf sehr hochrangige Richter in Paris zum gleichen Urteil gekommen. Das kommt doch nicht von irgendwo", argumentiert der Australier. Doch speziell für Renault, aber auch für Ferrari und das BMW Sauber F1 Team scheint die Sache noch nicht erledigt zu sein.

¿pbvin|512|1464||1pb¿Das BMW Sauber F1 Team hat wie Ferrari, Renault und Red Bull in Melbourne eine Woche später in Sepang gegen die Diffusoren protestiert. Doch als der Protest abgewiesen wurde, gingen die Münchner nicht sofort in Berufung. Theoretisch könnte Ex-Williams-Partner Mario Theissen also noch einmal das Internationale Berufungsgericht bemühen. Michael hält das für einen "schlechten Witz", denn: "BMW war schon in Paris durch einen Rechtsanwalt vertreten!"

Immerhin hat man bei Williams den Humor noch nicht verloren. Teamchef Frank Williams hat vor Saisonbeginn zu seinem Technischen Direktor gesagt: "Lass sie protestieren, denn niemand protestiert gegen beschissene Autos!" Und tatsächlich wurden alle Proteste abgewiesen. Aber selbst jetzt hört man im Fahrerlager von den Verlierern noch: "Die Diffusoren verstoßen gegen den Geist des Reglements und gegen die Ideen der Arbeitsgruppe Überholen."

Letzteres Argument kann Michael überhaupt nicht nachvollziehen. Seiner Aussage nach hat Williams in Paris sogar Studien vorgelegt, die beweisen, dass die mehrstöckigen Diffusoren das Überholen für nachfolgende Autos nicht im Geringsten schwieriger gestalten: "Wir haben vor dem Berufungsgericht sogar gezeigt, dass ein Doppeldiffusor für den Luftstrom des nachfolgenden Autos weniger schädlich ist als ein normaler." Andere Elemente wie die Radkappen seien in dieser Hinsicht wesentlich schädlicher einzuordnen.

Konkurrenz rüstet nach

Nun zieht die Konkurrenz ohnehin nach, was den Diffusor angeht. Michael: "Renault hat den Diffusor montiert und schon ist Alonso locker in den Top 10. Er war hier in Q2 viel näher dran als in Melbourne und Malaysia. Auch Hamilton war schneller." Red Bull fährt noch mit konventionellem Design. Zu diesem fällt dem 37-Jährigen ein: "Red Bull setzt auf eine ganz andere Designphilosophie als alle anderen. Wenn sie den Diffusor einführen, werden sie einige der Vorteile, die diese Philosophie mit sich bringt, aufgeben müssen."

Viele Experten befürchten, dass Williams wie so oft in den vergangenen Jahren im Saisonverlauf zurückfallen wird - umso mehr, als bald alle Doppeldiffusoren einführen werden. Doch Michael ist optimistisch, dass das nicht passieren wird: "Wir haben einige neue Teile für Barcelona, aber die anderen stehen auch nicht still. Ich hoffe, dass uns diese guten Teile im Vergleich zur Konkurrenz nach vorne bringen werden. Wir haben ein gutes Programm."

Williams-Diffusor

Dieser Diffusor beschert Williams derzeit recht ermutigende Ergebnisse Zoom

Konkret soll bis Barcelona die Aerodynamik überarbeitet werden, eine neue Radaufhängung kommen, Gewicht reduziert werden - und dann ist da noch KERS: "Das halte ich für den größten Faktor", betont Michael und lässt sich nicht davon beirren, dass Ferrari und Renault das Energierückgewinnungssystem dieses Wochenende wieder ausgebaut haben: "Wir glauben immer noch, dass KERS von Vorteil ist."

"Selbst wenn man damit im Qualifying keine Rundenzeit herausholt, so hat man immer noch im Rennen strategische Vorteile. Unser Entwicklungsprogramm läuft genauso intensiv weiter. Wir wollen es so schnell wie möglich haben - auf jeden Fall noch dieses Jahr", kündigt er an. Sicherheitsprobleme sieht er keine: "Wir haben Tests gemacht, bei denen sich das Schwungrad bei voller Geschwindigkeit gelöst hat, um zu sehen, ob der Sicherheitsbehälter funktioniert. Das tut er."

Was beim Williams-KERS anders ist

Hintergrund: Williams setzt nicht auf ein konventionelles KERS mit Lithium/Ionen-Akkus, sondern auf eine elektromechanische Variante mit einem Schwungrad. Dieses Konzept sei "anders", erläutert Michael, biete aber derzeit keine wesentlichen Vor- oder Nachteile. Platziert werden soll es im Tank, "also ist das Packaging sehr ähnlich wie bei den anderen. Unsere Lösung ist halt etwas höher, dafür aber schmäler als die andere."

Was die Performance an den Rennwochenenden angeht, so ist der Schlüssel zum Erfolg aus Williams-Sicht die Nutzung der Reifen durch das FW31-Chassis: "Das Wichtigste ist, die Reifen im richtigen Temperaturfenster zu halten, aber wenn sich die Streckentemperatur ändert, fallen sie ziemlich schnell aus diesem Fenster raus. Hier in Schanghai hatten wir mit dem Temperaturfenster in der Vergangenheit immer Probleme, aber dieses Jahr kommen wir ganz gut zurecht. Umgekehrt war BMW hier immer stark, aber heute waren sie es nicht", so Michael.

"Das Wichtigste ist, die Reifen im richtigen Temperaturfenster zu halten." Sam Michael

Und weiter erklärt der Australier: "Das Temperaturfenster ist variiert für die unterschiedlichen Reifen sehr stark. Wenn es wärmer wird, funktioniert der weiche Reifen zum Beispiel besser. Der Mediumreifen funktioniert besser, wenn es kühl ist. Das heißt, dass nicht ein Reifen für eine Strecke immer am besten geeignet sein muss, sondern das kann je nach Temperatur wechseln. Das liegt auch an der Steifigkeit der Gummimischung."

Rosberg wird morgen in Schanghai als Siebenter ins Rennen gehen, hat hinter sich aber praktisch nur Autos, die schwerer sind als er. Das ist eigentlich keine ermutigende Perspektive für das dritte Saisonrennen, oder? "Wir waren im Qualifying nicht so stark wie erwartet", räumt Michael ein. Aber er lässt den Kopf keineswegs hängen: "Ich denke, dass wir morgen im Rennen deutlich besser aussehen werden, auch wegen der Reifennutzung auf längere Distanzen."