• 24.04.2015 09:37

  • von Dominik Sharaf

Wieso Eric Boullier seine Karriere einer Comicfigur verdankt

Ein Nachwuchsteam am Abgrund, eine Verzweiflungstat und der Film "Michel Vaillant" brachten den Franzosen in Position, eine Laufbahn als Teamchef zu starten

(Motorsport-Total.com) - Als Eric Boullier 2010 beim damaligen Renault-Team den Teamchef-Posten übernahm, kannten den Mann mit dem äußerlichen Charme eines Buchhalters nur die Insider der Szene. Doch mit schnellen Erfolgen bei der späteren Lotus-Mannschaft und seiner lockeren Art im Umgang etablierte sich der heute 41-Jährige rasch und wechselte 2014 als Rennleiter zu McLaren. Es war eine unvorhersehbare Laufbahn, die mit einem Studium der Luftfahrttechnik und im Formelsport begann- mit einem ungewöhnlichen Knotenlöser.

Titel-Bild zur News: Eric Boullier

Eric Boullier war als Ingenieur nach eigener Aussage "technisch nicht der Beste" Zoom

Zu verdanken hat Boullier seine Karriere nach eigener Aussage dem französischen Filmregisseur Luc Besson. Als er Ende 2001 beim Formelsport-Team DAMS arbeitete und Boss Jean-Paul Driot nicht mehr die Zeit fand, sich um sein in Schieflage geratenes Projekt zu kümmern, ergriff er seine Chance. Zunächst nichtsahnend: "Der Moment, der mein Leben verändert hat, war der, an dem ich im Radio hörte, das Luc Besson den 'Michel-Vaillant'-Film drehen würde", berichtet Boullier der 'New York Times' von der Kinoinszenierung des in Frankreich bekannten Comic-Rennfahrers.

Er rief Driot an und schlug vor, in Abwesenheit eines Rennstrecken-Programms bei der Produktion von "Michel Vaillant" unterstützend mitzuwirken. Driot gab grünes Licht, Boullier setzte sich in den Zug nach Paris und traf sich mit Besson. "Ich war bis dahin drei Jahre lang ein einfacher Ingenieur. Ich war sehr aggressiv und tat alles. Er sprach bereits mit anderen, ich habe ihn jedoch so lange genervt, so oft angerufen, so oft bei ihm an die Tür geklopft, bis er sagte: 'Ich will dich nicht sehen, aber ihr könnt meine Partner werden.'"

Fortan kümmerte sich DAMS um die Vorbereitung der Rennwagen für den Dreh am Rande des 24-Stunden-Klassikers von Le Mans und baute sogar einige Repliken. In dem Jahr, das das Projekt verschlang, nahm Boullier de facto die Chefrolle ein, hatte dafür aber viel riskiert: Wäre er mit dem Unternehmen gescheitert, hätte Driot den Laden wohl endgültig dichtgemacht, DAMS wäre von der Bildfläche verschwunden und würde heute nicht in der GP2, in der Renault-World-Series (WSbR) und in der Formel E für Erfolge sorgen.


Fotos: McLaren, Großer Preis von Bahrain


Ende 2002 kaufte Driot drei Autos, machte Boullier zum Geschäftsführer und überließ ihm den Chefsessel. Die Entwicklung kam nicht unerwartet: "Wenn man ein Renningenieur ist, dann muss man auch ein bisschen Psychologe sein, aber technisch war ich nicht der Beste", räumt Boullier ein. Seine aktuelle Rolle als Rennleiter bei McLaren vergleicht er mit der Christian Horners bei Red Bull, der sich ebenfalls voll auf den Sport konzentriert und mit der Sponsorensuche nur am Rande zu tun hat. An der Rennstrecke sei er Teamchef, in der Fabrik obliege das Patron Ron Dennis.