Berger über Phänomen Spielberg: "Hockenheim war lieblos"
Während die Formel 1 2015 Deutschland auslässt, boomt sie in Österreich: Was für Gerhard Berger der Grund ist und wieso Niki Lauda sogar noch mehr Fans erwartet
(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 kämpft dieser Tage mit sinkenden Zuschauerzahlen bei den TV-Übertragungen und an den Rennstrecken. Vor allem beim Grand Prix von Deutschland zeigte sich 2014 ein trauriges Bild, als viele Ränge im Motodrom leer blieben. Nur knapp über 50.000 Zuschauer fanden am Renntag den Weg nach Hockenheim - längst vorbei sind die Tage, als das Motodrom vor Begeisterung kochte und das Rennen schon ein halbes Jahr vor der Austragung ausverkauft war, obwohl heute mit Mercedes, Nico Rosberg und Sebastian Vettel der Kampf um den Titel von Deutschen geprägt wird.

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Tolle Kulisse: Das Spielberg-Comeback verlief entgegen dem Formel-1-Trend Zoom
Ganz anders die Lage 500 Kilometer weiter südöstlich. Das Comeback des Österreich-Grand-Prix fand im Vorjahr vor unsgesamt 225.000 Zuschauern statt, am Renntag waren es doppelt so viele wie in Hockenheim. Abgesehen von Österreich scheint die Formel 1 in Europa nur im Mutterland Großbritannien und beim Klassiker in Monaco gegen den Zuschauerschwund immun zu sein. Dabei verfügt Österreich seit vielen Jahren über keinen heimischen Formel-1-Piloten mehr.
Berger vergleicht Spielberg und Hockenheim
Dem bislang letzten österreichischen Grand-Prix-Sieger Gerhard Berger fiel der Unterschied zwischen seinem Heimrennen und dem Deutschland-Grand-Prix, der einen Monat später stattfand, extrem auf. "Es werden ja überall auf der Welt Grands Prix ausgetragen, aber es gibt nur ganz wenige, die mit so einer Liebe zum Detail und mit solchen Möglichkeiten durchgeführt werden wie der Österreich-Grand-Prix", spricht er dem Comeback in Spielberg ein großes Kompliment aus.
"Wir waren im Vorjahr alle am Ring, und es war eines der schönsten Wochenenden für die Motorsportfans und auch für uns. Dann sind wir nach Deutschland gekommen, und dort hat zwar ein Grand Prix stattgefunden, aber das ganze Drumherum war lieblos, und es war nichts los."
Er führt dies vor allem auf die Rahmenveranstaltungen zurück: In Spielberg sorgte zum Beispiel ein Showrennen mit legendären Boliden, die von ehemaligen österreichischen Formel-1-Piloten gesteuert wurden, für große Begeisterung. Einer der Piloten war neben Berger auch Red-Bull-Motorsportkonsulent und Le-Mans-Sieger Helmut Marko, der seinen BRM aus dem Jahr 1972 fuhr.
Auch Piloten von Spielberg-Atmosphäre begeistert
Der Grazer vergleicht das Wochenende mit den alten Zeiten, als die Formel 1 noch auf dem legendären Österreichring gastierte, der dann zum A1-Ring und später zum Red-Bull-Ring umgebaut wurde. "Ich bin ja in einem Alter, in dem ich auch den ersten Grand Prix 1970 miterlebt habe, und das war damals unglaublich. Diese Rennstrecke war überfüllt, und von allen Seiten sind die Menschen herbeigeströmt. Das hatte einen richtigen Volksfestcharakter", schildert der 71-Jährige seine damaligen Eindrücke. "Etwas ähnliches ist Red Bull im Vorjahr mit diesem Grand Prix gelungen."

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Lauda, Berger und Marko (mit Vettel) fuhren 2014 in Spielberg legendäre Autos Zoom
Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo erzählt, dass auch die Formel-1-Fahrer von der tollen Kulisse in der Obersteiermark begeistert waren: "Wir Fahrer haben uns bei der Fahrerparade am Sonntag, also ein paar Stunden vor dem Rennen, darüber unterhalten. Alle waren wirklich beeindruckt von der Menge an Leuten. Es war ein bisschen wie bei einem Volksfest, ein bisschen wie Melbourne - definitiv eines der besten Rennen."
Der Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda, der 1984 seinen einzigen Heimsieg auf der damaligen Kulstrecke feierte, geht einen Schritt weiter und findet, dass sich andere Rennen an Spielberg ein Beispiel nehmen sollten: "Viele Veranstalter, die heute herumjammern, weil sie Bernie Ecclestones Gelder nicht zahlen können, sind selber schuld. Sie sollten sich einmal anschauen, wie man ein Rennen zu veranstalten hat. Das wurde von Red Bull perfekt gemacht, und ich freue mich schon auf die Wiederholung in diesem Jahr."
Comeback-Effekt? Lauda glaubt nicht daran
Erst dann wird man allerdings sehen, ob die Formel 1 in Österreich tatsächlich mehr Zuschauer mobilisieren kann als in anderen Ländern, denn möglicherweise war auch das überraschende Comeback nach zehn Jahren für die Euphorie verantwortlich, während das deutsche Publikum gesättigt ist.
Lauda will von derartigen "Unkenrufen" jedenfalls nicht viel wissen: "Das glaube ich alles nicht. Die Begeisterung war im Vorjahr so groß, dass unter Umständen sogar mehr Leute kommen werden. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass es keinen Deutschland-Grand-Prix mehr gibt. Da werden sicher auch einige aus München nach Österreich fahren. Mich freut es wirklich, dass das Rennen hier stattfindet und wieder zurück ist, und ich bin überzeugt davon, dass es dieses Jahr noch besser wird."
Genau das wünscht sich auch Berger, dem es am Herzen liegt, dass die Formel 1 auch in Zukunft im kleinen Österreich gastiert. "Ich hoffe, dass wir das so pflegen können, indem wir hingehen, auch die Begeisterung zeigen und den Grand Prix zum Erfolg machen, damit Red Bull noch lange in der Lage ist, den Grand Prix hierher zu holen."

