Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Ausnahmsweise mal nicht Nico Rosberg: Warum Hondas Yasuhisa Arai von allen möglichen Verlierern des Bahrain-Wochenendes am schlechtesten geschlafen hat

Titel-Bild zur News: Yasuhisa Arai, Eric Boullier

McLaren im Nacken: Yasuhisa Arai hat derzeit allen Grund, schlecht zu schlafen Zoom

Liebe Leser,

zum ersten Mal in der Formel-1-Saison 2015 fiel es uns in der Redaktion diesmal nicht leicht, einen klaren Verlierer des Wochenendes für unsere traditionelle Montags-Kolumne auszuwählen. Als ich (längst nach Mitternacht) bei einer Zigarette (versprochen, wir hören irgendwann auf!) mit meinem Kollegen Roman Wittemeier die möglichen Optionen durchging, konnten wir uns zunächst nicht richtig für einen gemeinsamen Kandidaten begeistern.

Eigentlich wäre erneut Nico Rosberg zu nominieren gewesen, aber den von Lewis Hamilton mal wieder schwer gedemütigten Mercedes-Piloten im vierten Rennen ein drittes Mal "schlecht schlafen" zu lassen, das war uns dann doch zu viel. Rätselhaft bleibt aber, wie die Herren Niki Lauda und Toto Wolff nach dem Grand Prix von Bahrain von einer "Wiedergeburt" Rosbergs sprechen können. Wie ihn Hamilton nach dem ersten Boxenstopp, als er (ausschließlich durch ein Strategie-Geschenk begünstigt) mal kurz an der Führung schnupperte, abwatschte, war bestenfalls ein Todesurteil, aber ganz sicher keine Wiedergeburt im WM-Kampf.

Ferrari steht hundertprozentig hinter Vettel

Ich brachte auch Sebastian Vettel in die Diskussion ein: Zwei (für ihn ungewöhnliche) Fahrfehler, die Longrun-Pace vom Freitag nicht wie insgeheim erhofft umgesetzt, stattdessen ausgerechnet der Teamkollege Man of the Race - aber einen, dessen Bubentraum gerade erst kürzlich in Erfüllung gegangen ist, kann man wohl schlecht als Verlierer zerreißen. Zumal ihm von seinem (fast schon surreal sympathischen) Teamchef Maurizio Arrivabene ausdrücklich verziehen wurde.

Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Schon wieder Nico Rosberg, zum dritten Mal? Das wäre doch langweilig, oder? Zoom

Renault-Sportchef Cyril Abiteboul wäre eine Möglichkeit gewesen - nicht nur wegen des "Feuerwerks" von Daniel Ricciardo auf der Ziellinie, sondern weil der französische Antriebshersteller spätestens seit Schanghai noch tiefer im Defektsumpf steckt, als das ohnehin schon der Fall war. Ricciardo etwa muss in Barcelona seinen vierten Motor einbauen lassen. Selbst wenn Renault jetzt wie durch ein Wunder die Trendwende schaffen sollte, sind (mehrere) Grid-Strafen in der Saison 2015 unausweichlich. Schließlich dürfen Stand jetzt maximal vier Antriebseinheiten pro Fahrer verwendet werden.

Formel-1-Timing-App ist einer Königsklasse nicht würdig

Und dann wäre es mir noch ein Anliegen gewesen, endlich mal auf einen Techniker der FOM draufzuhauen. Denn dass es das Milliardenbusiness Formel 1 nicht schafft, ordentlich funktionierende TV-Einblendungen zustande zu bringen und eine Timing-App zu betreiben, die einigermaßen zuverlässig ist, das ist einer sogenannten Königsklasse unwürdig (besonders für schlappe 26,99 Euro). Wie auch die TV-Regie, die es immer wieder schafft, in den spannendsten Momenten plötzlich wegzublenden, und damit meinen geschätzten Kollegen Sascha Roos von Sky (völlig zurecht) regelmäßig zur Weißglut treibt. Aber leider kennen wir den Namen des oder der Herren nicht, die bei der FOM dafür verantwortlich sind.

Also McLaren-Honda, schlägt Kollege Wittemeier beim letzten Zug aus meiner Camel Natural vor. Und darauf können wir uns dann doch einigen. Jenson Button? Wäre nach einem Seuchen-Wochenende mit so vielen Defekten, dass wir sie gar nicht mehr zählen konnten, ein Kandidat. Aber ein offenbar völlig in sich ruhender Ex-Weltmeister, der das Rennen ganz cool via Twitter kommentiert, weil er wegen eines technischen Defekts gar nicht erst starten kann, der wirkt nicht so, als könne er gerade besonders schlecht schlafen. Besonders nicht nach ein paar Cocktails in der Dilmun-Lounge am Flughafen von Manama.

Honda-Sportchef Yasuhisa Arai hingegen hat allen Grund dazu. Nicht einmal so sehr, weil Fernando Alonso für seine direkten Gegner im Rennen Kanonenfutter war und der elfte Platz freundlicher aussieht, als es um McLaren-Honda wirklich bestellt ist - nein, den steilen Aufwärtstrend kann man nicht wegdiskutieren. Aber möglicherweise ist Arai nicht nur besorgt, den Anschluss an die Spitze nicht allzu bald zu finden, sondern vor allem auch um das Wohlergehen seiner Fahrer.

Wie gefährlich sind Hondas Elektronikprobleme?

Es macht uns schon stutzig, wenn ein Alonso nach einem rätselhaften Testunfall, für den uns die verschiedensten (aber keine stimmige) Erklärungen geliefert wurden, das erste Rennen auslassen muss, obwohl er angeblich völlig fit ist. Es macht uns stutzig, wenn ein Button in Bahrain mehrmals mit Elektronikproblemen ausrollt, sich einmal sogar dreht, weil sich der Motor plötzlich abschaltet, und er das Rennen gar nicht erst in Angriff nehmen kann. Weil kurz vor dem Fire-up ein Folgedefekt entdeckt wird, "der sein Rennen ohnehin kaputt gemacht hätte", wie es im offiziellen Press-Release heißt.

Der (manchmal ein bisschen zu) paranoide Formel-1-Journalist vermutet da gleich die Verschwörung: Hatte McLaren Angst um die Sicherheit Buttons, hat man ihn deswegen nicht ins Rennen geschickt? Hat Alonso in Barcelona am Ende doch einen Stromschlag abbekommen, wie so viele Experten unterstellen? McLaren gibt darauf keine Antworten. Man wolle erstens "nicht über die Technologien in unserem Auto reden", heißt es auf Anfrage kryptisch, und zweitens möchte man "keinesfalls einen Keil zwischen McLaren und Honda treiben".

Warum besteht Alonso auf einer Untersuchung?

Aha. Keinen Keil zwischen McLaren und Honda treiben. Weil es eigentlich, in einer Welt ohne PR-Maulkörbe, naheliegen würde, Honda den Schwarzen Peter zuzuschieben und endlich Klartext zu sprechen, nämlich dass der Hybridmotor der Japaner nicht nur ein sportliches Fiasko, sondern auch ein Sicherheitsrisiko ist? Warum sonst sollte Alonso eine besonders tiefschürfende Untersuchung der Zuverlässigkeit fordern, mit so nachdrücklichen Worten, wie man sie sonst in vergleichbaren Situationen noch selten von einem Rennfahrer gehört hat?

Jenson Button

Wer sein Auto liebt, der schiebt: Jenson Button beim Grand Prix von Bahrain Zoom

Zugegeben, wir können unseren Verdacht nicht beweisen, aber man darf darüber spekulieren. Und alleine schon deswegen muss Arai-san letzte Nacht eigentlich schlecht geschlafen haben. Davon mal ganz abgesehen, dass mit "Mister McLaren" Ron Dennis sicher nicht mehr lange gut Kirschen essen sein wird, wenn Honda (der einstige Superpartner aus den 1980ern) es weiterhin nicht schafft, einen halbwegs konkurrenzfähigen Motor zu bauen.

McLaren-Honda wird langfristig Erfolg haben, davon gehe ich aus. Aber gerade jetzt möchte ich nicht in Yasuhisa Arais Haut stecken.


Fotostrecke: GP Bahrain, Highlights 2015

Ihr

Christian Nimmervoll

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