Wieder ein Sieg für Michelin?
Bridgestone gibt sich selbstbewusst, doch wie werden die Michelin-Reifen auf dem Nürburgring funktionieren?
(Motorsport-Total.com) - Die Frage, die mehr als 100.000 Fans am kommenden Wochenende in die Eifel zieht, lautet: Wird Ralf Schumacher nach dem Grand Prix von Imola im Frühjahr und dem Großen Preis von Kanada vor 14 Tagen nun zum ersten Mal in seiner Karriere ein Formel-1-Rennen auf heimischem Boden gewinnen? Die Antwort liefert der Pilot des BMW-Williams-Teams spätestens am Sonntag um 16 Uhr. Dann wissen Fans wie Teammitglieder auch, ob das Paket Fahrer/Auto/Michelin-Rennreifen am Nürburgring so konkurrenzfähig gewesen ist wie zuletzt in Montreal.

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Fieberhaft arbeitet Michelin mit den Fahrern an den Reifen
Es ist gerade einmal zwei Wochen her, dass der mit 25 Jahren jüngere der beiden Schumacher-Brüder seinen älteren Bruder mit einer taktischen und fahrerischen Meisterleistung überlisten konnte. Wichtige Elemente in diesem Strategie-Spiel: Der geringere Benzinverbrauch des überaus potenten BMW-Zehnzylinders und die überlegene Konstanz der Rennpneus von Michelin erlaubten es dem deutsch-britischen Team, im ersten Turn vier Runden länger auf der Strecke zu bleiben als der Titelverteidiger im Ferrari. "Mein erster Satz Reifen sah noch aus wie neu?, staunte Ralf Schumacher denn auch im Ziel. Und auch sein Bruder bekannte in einem Interview: "Die Michelin-Pneus waren deutlich besser.?
Während nicht nur die deutschen Fans für den Grand Prix von Europa auf eine Neuauflage des spannenden Familienduells hoffen, stapelt Ralf Schumacher tief und bremst die allgemeine Euphorie etwas ein: "Es ist mein Heimrennen und hat für mich immer eine ganz besondere Atmosphäre. Es wäre natürlich schön, dort ähnlich erfolgreich zu sein wie in Kanada, aber der Nürburgring wird für uns eine schwierigere Aufgabe als die Strecke von Montreal. Von daher ist mein realistisches Ziel, in der Eifel so viele Punkte wie möglich zu sammeln.?
Für den Reifenhersteller birgt der 4,556 Kilometer lange Traditionskurs stets eine ganz besondere Herausforderung: das berühmt-berüchtigte Eifelwetter. Die mögliche Bandbreite reicht von Asphalttemperaturen knapp über dem Gefrierpunkt (für Mittwoch Morgen warnt Fernseh-Wettermann Jörg Kachelmann zum Beispiel vor Bodenfrost in dieser Region!) bis hin zu hochsommerlicher Hitze mit urplötzlichen Regenschauern ? nichts ist unmöglich. Bei der Vorbereitung auf den neunten Saisonlauf ist daher nicht nur das übliche Know-how des Reifenherstellers gefragt, sondern auch eine Portion hellseherische Gabe: Das Reglement begrenzt die Variantenvielfalt der Trockenpneus, die Michelin seinen Partner-Teams BMW-Williams, Jaguar-Cosworth, Benetton-Renault, European-Minardi und Prost-Acer am Nürburgring zur Verfügung stellen darf, auf exakt zwei Versionen. Diese werden bereits am Donnerstag bei der Formel-1-Sporthoheit FIA eingelagert und von dort aus ? um die denkbare Bevorteilung einzelner Teilnehmer zu unterbinden ? von den Sportkommissaren per Zufallslos an die einzelnen Rennställe weiter gegeben. Zwischen Donnerstag und Sonntag jedoch kann das Eifel-Wetter viele Kapriolen schlagen. Prognostizierte Regenwahrscheinlichkeit für den kommenden Sonntag: 48 Prozent.
Schon lange haben sich Bridgestone und Michelin im Regen nicht mehr miteinander gemessen, doch die Experten glauben nach den Erkenntnissen aus Testfahrten, dass Bridgestone bei Nässe weiterhin das Nachsehen gegenüber der japanischen Konkurrenz haben dürfte, insbesondere dann, wenn es nicht ganz nass ist, sondern die Piste nur leicht feucht ist.
Der Nürburgring selbst stellt die Michelin-Techniker um Projektleiter Pascal Vasselon mit seiner ausgewogenen Mischung an Links- und Rechtskurven sowie dem vergleichsweise wenig verschleißfördernden Asphalt vor keine unüberwindbaren Schwierigkeiten ? auch wenn weder der französische Reifenhersteller noch das BMW-Williams-Team in diesem Jahr vor Ort zu Testfahrten ausgerückt sind. "Bei der Abstimmung werden wir auf nahezu maximalen Abtrieb gehen?, verrät Sam Michael, Chef-Renningenieur von Ralf Schumacher. "Langsamen und mittelschnellen Kurven schenken wir besondere Aufmerksamkeit. Es gibt nur eine Hochgeschwindigkeitskurve. Die Schikane am Ende der Runde ist ein wichtiges Kriterium für die Fahrwerksabstimmung und bietet eine Überholmöglichkeit. Die meisten Positionswechsel finden auf dieser Strecke aber anlässlich der Boxenstopps statt. Von daher erwarte ich am Rennsonntag einige interessante Strategien.?
Nicht nur das BMW WilliamsF1 Team, auch die weiteren Michelin-Partner machen sich Hoffnung auf Erfolg in der Punktejagd ? allen voran Jaguar-Cosworth und Prost-Acer, die jeweils bei den vergangenen beiden Großen Preisen in die Top-Sechs vorfahren konnten. Speziell die grünen Raubkatzen aus England würden in der Eifel gerne den Erfolg ihres Vorgängerteams von 1999 wiederholen: Damals holte Johnny Herbert den ersten und einzigen Formel 1-Sieg für Stewart-Grand Prix ? am Ende eines chaotischen Regen-Rennens, was sonst.

