Wie Toro Rosso die Großen ärgern will

Bei Toro Rosso verfolgt Technikchef Giorgio Ascanelli einen konsequenten Weg in Richtung der Top-5-Teams - Gerhard Berger verteidigt Fahrerwahl

(Motorsport-Total.com) - Toro Rosso, das zweite Formel-1-Team im Besitz von Red Bull, beendete die Saison 2011 mit 43 WM-Punkten auf Platz sieben der Konstrukteurswertung. Auf Position sechs (Sauber) fehlten lediglich drei Zähler. Im Vergleich zur vorangegangenen Saison, die man mit 13 WM-Punkten auf Rang neun abschloss, legte das B-Team der "Bullen" eine bemerkenswerte Steigerung an den Tag.

Titel-Bild zur News: Giorgio Ascanelli

Technikchef Giorgio Ascanelli will den großen Teams ein Schnippchen schlagen

In der bevorstehenden Saison 2012 soll der nächste Schritt gemacht werden. Der neue Toro Rosso STR7 wird am Dienstag kommender Woche im spanischen Jerez vorgestellt. Unmittelbar im Anschluss an die Präsentation gehen die beiden Youngster Daniel Ricciardo und Jean-Eric Vergne für die ersten Testfahrten auf die Strecke.

Als Toro Rosso im Dezember verkündete, dass man sich für die Saison 2012 gleich von beiden Stammfahrern - Jaime Alguersuari und Sebastien Buemi - trennt und in Person von Ricciardo und Vergne stattdessen auf die nächste Riege der Red-Bull-Junioren setzt, schien der Verdacht bestätigt, dass das Team rund um Teamchef Franz Tost lediglich als Übungsplatz für die Nachwuchspiloten des Energy-Drink-Riesen dient.

Technikchef Giorgio Ascanelli sieht das allerdings anders. "Wir stehen im Moment vor der Mission, diesen Jungs die richtigen Voraussetzungen bereitzustellen, um so schnell wie möglich zu lernen", so der Italiener gegenüber 'Autosport'. Mit einer riesigen Investition auf einen Schlag plant Ascanelli nicht. Stattdessen will er aus dem ehemaligen Minardi-Team Schritt für Schritt etwas Größeres formen.

Großes Budget nicht das Allheilmittel

"Um unter die besten Fünf vorzustoßen, braucht es vielleicht fünfzig, sechzig, achtzig Millionen Euro", rechnet der ehemals in Diensten von Ferrari, McLaren und Benetton stehende Rennleiter vor und betont, dass er an der Rechtfertigung einer derartigen Investition seine Zweifel hätte: "Ist es das wert?"

Stattdessen geht der seit fünf Jahren für Toro Rosso arbeitende Ascanelli konsequent seinen Weg. "Ich versuche, sämtliche Aktivitäten innerhalb des zur Verfügung stehenden Budgets abzuwickeln. Wir werfen das Geld nicht einfach zum Fenster hinaus. Wenn wir eine vielversprechende technische Lösung parat haben, dann bauen wir sie ans Auto", sagt er.

Die Entwicklung des letztjährigen STR6 stoppte das Team bereits im Juli, "um im Februar ein homologiertes Auto zu haben", wie Ascanelli betont. In dieser Aussage wird der Unterschied zu den großen Teams deutlich, die anders als Toro Rosso aufgrund ihrer Ressourcen parallele Entwicklung betreiben können.

Ascanelli ist überzeugt, dass sein Weg in diesem Jahr Früchte tragen wird. "Wenn ein Mann mit einem Gewehr auf einen mit einer Pistole trifft, ist derjenige mit der Pistole ein toter Mann. Es sei denn, der mit dem Gewehr ist blind", findet der Toro-Rosso-Technikchef blumige Worte in Bezug auf seine Situation, in der in der Rolle des Underdogs den Mann mit der Pistole spielt.

"Wenn ein Mann mit einem Gewehr auf einen mit einer Pistole trifft, ist der mit der Pistole ein toter Mann. Es sei denn, der mit dem Gewehr ist blind." Giorgio Ascanelli

Berger kritisiert Alguersuari und Buemi

Ex-Toro-Rosso-Teilhaber Gerhard Berger sieht sein ehemaliges Team ebenfalls auf dem richtigen Weg. Der Österreicher, für den Ascanelli zu Ferrari-Zeiten als Renningenieur tätig war, vergleicht den Rauswurf von Alguersuari und Buemi mit einer ähnlichen Situation in der Vergangenheit. "Mit Scott Speed und Tonio Liuzzi stand Toro Rosso damals vor einem ähnlichen Dilemma - zwei Fahrer die Mittelmaß waren", so Berger gegenüber 'auto motor und sport'.

"Mit zwei solchen Fahrern ist es naheliegend, dass alles aufs Auto abgewälzt wird. Ich glaube aber, dass der letztjährige Toro Rosso kein schlechtes Auto war", setzt Berger fort. Der Österreicher hätte sogar noch früher gehandelt, wie er sagt: "Buemi und Alguersuari waren einfach nicht schnell genug. Deshalb war es ein richtiger Schritt, sich von beiden zu trennen. Noch richtiger wäre es gewesen, einen der beiden schon Ende 2010 auszusortieren und so einen fließenden Übergang zu schaffen."

"Es wäre besser gewesen, einen der beiden schon Ende der Saison 2010 auszusortieren." Gerhard Berger

Im Sinne der Rolle als Einsteigerteam für junge Nachwuchsfahrer aus dem eigenen Förderprogramm stellt sich in Bezug auf die Toro-Rosso-Piloten seit jeher die Frage, wer den Sprung ins Red-Bull-Team schaffen kann. "Dafür war weder der eine, noch der andere geeignet", sagt Berger im Hinblick auf Alguersuari und Buemi und stellt trocken fest: "Damit haben sie ihre Aufgabe nicht erfüllt." Buemi bekommt zumindest als offizieller Testfahrer bei Red Bull noch einmal eine Chance, während sich Alguersuari bis dato erfolglos nach Alternativen umsieht. Man darf gespannt sein, wer sich im neuen Toro-Rosso-Duell Ricciardo vs. Vergne durchsetzen wird.