• 02.06.2010 14:25

  • von Gerald Dirnbeck & Dieter Rencken

Whitmarsh: "Ohne FOTA gäbe es weniger Teams"

FOTA-Präsident Martin Whitmarsh über den aktuellen Stand der Dinge bei der Teamvereinigung - Genug Raum für Verbesserungen

(Motorsport-Total.com) - Die Teamvereinigung FOTA wurde im Juli 2008 gegründet, als die Zukunft der Formel 1 auf der Kippe stand. Erstmals seit über zehn Jahren schlossen sich damals die Rennställe zusammen, um mit einer Stimme zu sprechen. Mittlerweile ist einige Zeit vergangen und die Vereinigung hat in verschiedenen Bereichen Fortschritte erzielt. An der Spitze steht derzeit McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh.

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh (Teamchef)

FOTA-Präsident Martin Whitmarsh macht sich Gedanken über die Formel 1

"Wir haben nicht mit einer Stimme gesprochen und dabei ist viel Energie verloren gegangen", so Whitmarsh über die Gründungsphase. "Ferrari und McLaren haben in den letzten 30 Jahren versucht, sich auf und neben der Strecke umzubringen. Nun wollten wir gemeinsame Wege gehen. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass uns eine Weltwirtschaftskrise bevorsteht. Es war glücklicherweise der richtige Zeitpunkt für die FOTA, denn sonst wären einige Teams nicht mehr am Start."#w1#

Eine Zusammenarbeit unter erbitterten Konkurrenten stellt die FOTA vor schwierige Aufgaben, denn es ist alles andere als leicht, gemeinsame Interessen zu finden. "Auf der einen Seite war ein Konzern wie Toyota, auf der anderen ein kleines Team, wie Toro Rosso. Beide hatten komplett unterschiedliche Interessen weshalb sie überhaupt an der Formel 1 teilnehmen", sagt Whitmarsh. "Es war ein wichtiger Kraftakt alle an einen Tisch zu bringen und zu sagen: 'Probieren wir es und arbeiten Kompromisse aus.'"

Das Budgetlimit konnte der Automobilweltverband FIA nicht durchsetzte, aber die FOTA zwang sich Sparmaßnahmen auf, die ihre Wirkung bisher zeigten. "Wir kontrollieren das Testverbot. Davon steht nämlich nichts in den Regeln", so der McLaren-Teamchef. Weitere Einsparungen gab es beim Material. "Ein Motor kostete 20 Millionen Euro und ein Getriebe zwischen fünf und sechs Millionen. Jetzt liegen die Preise für praktisch die gleiche Technologie beim Aggregat bei fünf Millionen Euro und beim Getriebe um die 1,5 Millionen."

Des Weiteren geht die Beschränkung der Windkanalarbeit und der CFD-Berechnungen auf die Kappe der FOTA. Derzeit befinden sich die Teams in einem Prozess, in dem die Ressourcen beschnitten werden und die Rennställe in Zukunft nachhaltiger arbeiten können. Als weiteren Erfolg verbucht die FOTA den Abschluss des neuen Concorde Agreements für sich, das die finanzielle Seite des Sports sicherstellt.


Fotos: Großer Preis der Türkei


Gute Zusammenarbeit mit der FIA

Da bisher einiges für die Zukunft der Formel 1 erreicht wurde, wie sieht der derzeitige Stand bei der FOTA aus? Und wie läuft die Zusammenarbeit mit der FIA? "Wir konnten sie immer kritisieren", erinnert sich Whitmarsh an die Konflikte mit dem Automobilweltverband. "Aber wenn sie keine konstanten Meldungen von den Teams bekommen, können sie ja auch nicht ihre Arbeit leisten. Trotzdem gab es eine Zeit, wo bestimmte Personen die FOTA zerstören wollten."

"Wir waren auch innerlich etwas gespalten, aber die FOTA wurde reformiert und hat überlebt. Es ist interessant, dass sich die neuen Teams dazu entschlossen haben Mitglieder zu werden. Ich bin glücklich zu hören, dass jemand wie Tony Fernandes (der Lotus-Teamchef, Anm. d. Red.) die FOTA lobt und ihr gute Arbeit attestiert. Es gibt weiterhin Kompromisse, denn die Topteams haben andere Interessen als die Neueinsteiger."

In der Formel 1 gibt es immer die Diskussionen darüber, ob der Sport zu langweilig ist, oder wie die Technik in Zukunft aussehen soll und wie die Königsklasse umweltfreundlicher werden kann. Kritik kommt auch an der Geldvernichtungsmaschinerie. Was wäre, wenn es in der Formel 1 nur einen Chassis-Hersteller und einen Motorenlieferanten gibt, wie in anderen Serien auch?

Formel 1 ist technische Kompetenz

Whitmarsh gibt darauf eine klare Antwort: "Die DNA der Formel 1 ist die technische Herausforderung und dass man sie mit nichts anderem vergleichen kann. Außerdem wollen wir die besten Fahrer der Welt haben. Keine andere Meisterschaft zieht die Fans so an, wie die Formel 1. Man muss aber eine gute Balance finden. Ich habe die aktive Radaufhängung und all diese technischen Spielereien geliebt. Wir brauchen neue Technologie und technische Unterscheidungen."

Abgesehen vom Saisonauftakt in Bahrain haben die Fans in der laufenden Saison spannende Rennen gesehen. Die Autos sind laut, spektakulär und die Fahrer schenken sich nichts, inklusive Stallduellen. Die Ingredienzien für ein fantastisches Jahhr sind also vorhanden. Trotzdem gehen die Besucher vor Ort stetig zurück. Ein Mitgrund liegt bei den hohen Ticketpreisen.

Sebastian Vettel

In der laufenden Saison hat die Formel 1 spektakuläre Rennen gezeigt Zoom

"Vielleicht ist die Business-Moral falsch, weil wir mit zuviel Nachruck unsere Antrittsgelder von den Promotern verlangen", gesteht Whitmarsch. "Deshalb sind die Eintrittskarten so teuer und ich denke persönlich, dass es übertrieben ist. Aber das kann die FOTA leider nicht beeinflussen. Eigentlich sind wir aber sehr auf das Fernsehen fokussiert."

Jeder will die besten Fahrer sehen

Das TV will natürlich mit Action, Dramatik und Spannung punkten. Obwohl die Fans zuletzt einige spektakuläre Rennen gesehen haben, geht es in manch anderen Serien noch turbulenter zu. Whitmarsh hat aufgrund seiner langen Erfahrung eine passende Erklärung parat: "Wenn man die besten Fahrer in die besten Autos setzt und sie auf den gegenwärtigen Rennstrecken gegeneinander antreten lässt, gibt es zwangsläufig wenige Überholmanöver."

"Den Gegensatz sieht man in der GP2 und anderen Formelserien. Wenn man mittelmäßige Bruchpiloten und schlechte Teams zusammenmischt, passieren viele Fehler und daraus resultieren natürlich Überholmanöver, Unfälle und weitere Zwischenfälle. Natürlich kann das Spektakel in der Formel 1 besser sein und wir müssen es in Feinheiten verbessern."

Lernen von Amerika

Wenn man über den Atlantik blickt sieht man speziell in der NASCAR-Szene, wie perfekte Vermarktung funktioniert. Die Fernsehübertragungen in die Fan-Nähe spielen sich auf einem ganz anderen Level ab, wie in der Formel 1. Auch Whitmarsh gibt zu, dass die Königsklasse von den Amerikanern lernen kann.

"Sie machen einiges besser als wir. Speziell im Marketingbereich sind sie klüger und auch ihre Fernsehübertragungen sind besser. Kommerziell und im Business-Bereich sind sie uns überlegen. Wir können von ihnen einiges lernen, aber sie sprechen eine bestimmte Demographie an, was wir nicht tun, da wir weltweit agieren."

Kyle Busch

In Amerika kämpfen die NASCAR-Boliden Rad-an-Rad über 500 Meilen Zoom

Trotzdem sind die beiden Rennklassen sehr weit voneinander entfernt. "NASCAR macht auf ihrem Markt einen tollen Job", so Whitmarsh. "Aber wir sind nicht NASCAR. Für mich persönlich überholen sich dort drei Autos mit dem gleichen Chassis. Man sieht vielleicht viele Überholmanöver, aber ein Kampf dauert mehrere Runden. Das fasziniert mich einfach nicht."

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