• 07.07.2008 14:04

Whitmarsh: "Lewis war cool und gelassen"

McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh im Interview über den beeindruckenden Sieg von Lewis Hamilton und die Sorgen mit der Sicht

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton wird nach seinem Heimsieg beim Grand Prix von Großbritannien lautstark gefeiert. Die britischen Zeitungen nennen ihn "Held von Silverstone" oder sogar "König von England", weil er den motorsportlichen Thron der Briten besteigen durfte und am Ende des Regenrennens über eine Minute Vorsprung auf den Rest des Feldes hatte. Entsprechend zurfrieden und glücklich ist man natürlich auch beim britischen Siegerteam McLaren-Mercedes. Geschäftsführer Martin Whitmarsh beschrieb im Teaminterview den großen Heimsieg aus seiner Sicht.

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh

Martin Whitmarsh: Viel Lob für Lewis Hamilton und Heikki Kovalainen

Frage: "Martin, es war ein aufregendes Rennen. Wie beeindruckend war die Ruhe, die Lewis bei dem hohen Druck an den Tag legte?"
Martin Whitmarsh: "Ich kann gar nicht deutlich genug ausdrücken, wie cool und gefasst Lewis während des gesamten Rennens blieb. Er stand unter immensem Druck. Nicht nur dem Druck, ein gutes Ergebnis holen zu müssen, sondern er durfte auch keine Fehler machen - und das bei den wohl schwierigsten Bedingungen, die er jemals erlebt hat. Dass er das mit einer solch großen Lockerheit und Konzentration geschafft hat, ist schon erstaunlich. Im Boxenfunk hörte es sich fast so an, als sei Lewis auf einer entspannten Spanzierfahrt am Sonntagnachmittag. Er war ruhig und entspannt, es schien ihm nichts schwer zu fallen."#w1#

"Nach dem ersten Stopp wussten wir bezüglich Kimis Reifen bescheid und informierten Lewis sofort. Kurz vor seinem zweiten Stopp haben wir ihn dazu angehalten, auf das Auto zu achten und sein Tempo wegen der Wetterverhältnisse etwas anzupassen. In den letzten Runden haben wir ihn dann gebeten, es noch etwas langsamer angehen zu lassen. Aber er sagte uns im Funk, dass er bereits so langsam fährt wie möglich."

Meteorologen als Strategiehelfer

Frage: "Das Wetter hat sich während des gesamten Rennens immer wieder verändert. Wie wichtig waren die Wettervorhersagen?"
Whitmarsh: "In solchen Situation blicken wir immer extrem konzentriert auf die Wettervorhersagen. Wir nutzen verschiedene Quellen, um ein möglichst detailliertes Bild von den aufziehenden Wetterfronten zu bekommen. Zum Start des Rennens wussten wir schon, dass es kurz vor dem Start aufhören würde zu regnen, aber dass es um ein Uhr dann noch einmal einen kleinen Schauer geben würde - mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit, dass er die Strecke trifft."

Lewis Hamilton und Heikki Kovalainen

Teaminternes Duell: Rennsieger Hamilton zieht an Polemann Kovalainen vorbei Zoom

"Wir wussten ebenso, dass es zur Mitte des Rennens heftigen Regen geben sollte, aber zum Glück waren die heftigen Schauer nur kurz. Das führte trotzdem zu einer wirklichen arbeitsreichen und leicht chaotischen Rennphase, denn einige Fahrer kamen mit dem stehenden Wasser einfach nicht zurecht. Direkt vor seinem zweiten Stopp fragte er uns, ob es sich eventuell lohnen könnte, auf die Regenreifen zu wechseln. Wir erklärten ihm dann, dass unsere Wettervorhersage nachlassende Schauer prognostizierte. Glücklicherweise hat sich das als richtig herausgestellt und wir haben die Intermediates für den letzten Stint draufgelassen."

Frage: "Was gab es für ein Problem mit dem Visier am Helm von Lewis?"
Whitmarsh: "In der Mitte des zweiten Stints beschrieb uns Lewis per Funk, dass er heftige Sichtprobleme hätte. Uns war das Ausmaß der Probleme nicht so ganz klar. Später haben wir festgestellt, dass sein Visier an der rechten Seite immer beschlagen war. Wenn er das Visier leicht öffnete floss direkt Wasser in den Helm. Wir fragten ihn per Funk, ob er seinen Stopp deshalb etwas vorziehen wolle, aber er meinte, er könnte damit umgehen. Das ist ein klares Zeichen dafür, wie cool und ruhig er während des Rennens blieb. Man konnte sehen, wie er einmal auf der Hangar-Geraden sein Visier per Hand gewischt hat. Da haben wir dann entschieden, dass wir es beim zweiten Stopp von innen und außen reinigen werden. Wir positionierten also einen Mechaniker beim zweiten Boxenstopp entsprechend. Das Problem mit dem Beschlagen taucht wirklich selten auf, bei uns ist es vorher nie aufgetreten."

Kovalainen mit Grip-Problemen

Frage: "Heikki ist zum ersten Mal auf die Pole-Position gefahren. Was passierte im Rennen mit ihm?"
Whitmarsh: "Heikkis Rennen wurde durch Graining an den Hinterreifen erheblich erschwert. Das hat ihn in allen drei Stints betroffen und das Auto war immer schwieriger zu fahren. In den letzten Runden musste er sich ganz schön wehren, aber er konnte Fernando mit einem tollen Manöver überholen - und das mit einem Auto, welches bezüglich Grip und Traktion schon erheblich gelitten hatte. Schon vom Start weg berichtete er uns mangelnden Grip an der Hinterachse und später wurde es sowohl in langsamen als auch in schnellen Kurven sehr unruhig. Es war sicherlich immer schwerer zu kontrollieren."

Lewis Hamilton

Endlich der ersehnte Heimsieg: Lewis Hamilton schreit die Freude heraus Zoom

"Aber wenn man seinen Speed mal an diesem gesamten Wochenende betrachtet, so ist das eigentlich unvergleichlich. Seitdem wir das Auto etwas verändert haben, kommt es wohl Heikki mehr zugute. Sein Selbstbewusstsein und auch seine fahrerische Leistung erreichten in Silverstone einen neuen Spitzenwert. Er sollte ermutigt sein durch den Speed und die Konstanz, die er im Qualifying hatte. Ich glaube, Heikki kann aus diesem Wochenende viel mitnehmen und sollte ermutigt sein."

Frage: "Haben sich die mechanischen und aerodynamischen Veränderungen vom vergangenen Test ausgezahlt?"
Whitmarsh: "Das Auto hatte auf jeden Fall eine deutlich bessere Balance. Natürlich machen wir während der gesamten Saison systematische Schritte, aber wir haben speziell vor Magny-Cours und auch bei dem Test in der vergangenen Woche in Silverstone deutliche Fortschritte erzielt. Lewis und Heikki haben von der neuen Balance geschwärmt und das hat sich am Freitag und Samstag auch auf der Strecke in Silverstone gezeigt. Sowohl die aerodynamischen als auch die mechanischen Änderungen haben sich deutlich ausgezahlt, aber sie sind nur ein kleiner Teil unseren gesamten Entwicklungsprogrammes."

Frage: "Haben Sie ebenfalls ein neues Öl des Partners ExxonMobil verwendet?"
Whitmarsh: "In den vergangenen sechs Monaten haben wir von McLaren und von Mercedes sehr eng mit den Ingenieuren und Chemikern von ExxonMobil zusammengearbeitet, um die Reibungsverhältnisse in unserem V8-Motor zu analysieren. Die eingefrorene Motorenentwicklung hat uns dazu gebracht, noch einmal genau zu erforschen, wie das Öl die Motorleistung beeinflussen kann. Mobil hat uns ganz sicher zu einem Leistungsgewinn verholfen, indem sie ganz präzise die Anforderungen unseres V8-Motors treffen - so etwas ist im Regelwerk erlaubt."