Whitmarsh: "Es war die richtige Entscheidung"

McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh verteidigt den relativ frühen Stopp von Jenson Button und verzeiht Lewis Hamilton den Monza-Fehler

(Motorsport-Total.com) - Jenson Button hat seine gute Chance auf den Monza-Sieg nicht nutzen können. Der amtierende Champion führte das Rennen nach einem guten Start zuerst an, musste Fernando Alonso nach dem Boxenstopp aber ziehen lassen. Der Spanier sicherte sich den Ferrari-Heimsieg, weil er eine Runde länger auf seinen Boxenhalt wartete als Button. McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh erklärt, was im Rennen nicht wie gewünscht lief.

Titel-Bild zur News: Jenson Button, Martin Whitmarsh (Teamchef)

Martin Whitmarsh und Jenson Button haben auch nach Platz zwei gute Laune

Frage: "Martin, war es richtig, Jenson zu jenem Zeitpunkt in die Box zu holen?"
Whitmarsh: "Unsere Entscheidung war richtig. Allerdings haben wir beim Stopp zwei oder drei Zehntel verloren und Fernando war extrem schnell. Es waren eben diese zwei oder drei entscheidenden Meter."#w1#

Frage: "Was war entscheidend? Der Stopp oder die Outlap?"
Whitmarsh: "Man kann den Fehler überall suchen. Es ging um ein paar wenige Meter. Da kann man wirklich überall nach dem Fehler suchen. Wenn wir beispielsweise auf der Runde vor dem Boxenstopp einen Hauch schneller gewesen wären, dann wäre er auch früher wieder herausgekommen."

"Jenson hat bei der Zufahrt zur Boxengasse etwas die Räder blockieren lassen, aber Tatsache ist nun einmal, dass wir verloren haben. Wir hatten strategisch letztlich keine andere Wahl. Ich habe mich für diese Strategie entscheiden. Das schnellere Auto hat uns dann eben geschlagen."

"Das schnellere Auto hat uns dann eben geschlagen." Martin Whitmarsh

Frage: "Hätte man nicht wie Vettel erst in der letzten Runde stoppen können?"
Whitmarsh: "Natürlich hätten wir das tun können. Aber dann wären wir Gefahr gelaufen, sogar auch noch von Massa verdrängt zu werden. Es war klar, dass er aufgeholt hätte. Und wenn du dann jemanden mit dem schnelleren Reifen erst einmal hinter dir hast, dann wird es schwierig. Je länger du ihn hinter dir hast, desto verwundbarer bist du."

"Wir hatten einfach keine andere Wahl. Vettel war immerhin schneller als die Autos vor und hinter ihm. Wenn wir aber draußen geblieben wären, dann hätte Fernando einfach gestoppt, sobald er in den Verkehr kommt und wir hätten uns hindurcharbeiten müssen und wären sogar noch weiter hinten gewesen. Hätten wir dann noch länger gewartet, wäre sogar Massa vor uns gelandet."

"Wir haben aus meiner Sicht alles richtig gemacht, waren aber bei der Ausführung nicht ganz schnell genug. Außerdem hatte Ferrari heute das schnellere Auto. Wenn du gegen schnellere Autos kämpfen musst, dann bist du auf Fehler der anderen angewiesen. Die haben sie aber nicht gemacht."

Frage: "Es machte den Eindruck, als hätte Jenson sogar eine Sekunde länger gestanden als die Konkurrenz..."
Whitmarsh: "Von 0,8 Sekunden habe ich gehört, gesehen habe ich aber nur 0,3 Sekunden. Wir haben es eben beim Stopp verloren. Wenn ich mir die reine Standzeit anschaue, dann fehlen 0,3 Sekunden - was enttäuschend ist. Auf die gesamte Boxendurchfahrt gesehen waren es vielleicht diese 0,8 Sekunden. Aber trotzdem war es ein guter Stopp. Natürlich wären wir gerne noch eine Sekunde schneller gewesen, aber unsere Jungs haben ihr Bestes gegeben."

"Es war nicht zu aggressiv, sondern es war einfach Lewis Hamilton." Martin Whitmarsh

Frage: "War Lewis auf der Zufahrt zur Schikane zu aggressiv?"
Whitmarsh: "Es war nicht zu aggressiv, sondern es war einfach Lewis Hamilton. Er ist eben ein aggressiver Fahrer. Wenn man sich die Zeitlupe anschaut, dann sieht man, dass er vielleicht sogar Fernando hätte packen können, aber es hat eben nicht geklappt. Man muss als Rennfahrer so etwas probieren. Man hätte versuchen können, sich als Vierter auf seinen guten Speed zu verlassen. Aber das ist Lewis Hamilton. Ich würde ihn nicht ändern wollen, er ist ein toller Typ."

"Natürlich hätten wir die Situation lieber anders erlebt, aber es ist nun einmal so, dass er morgen früh aus dem Bett fallen wird und sich sofort Gedanken darüber macht, wie wir das Auto für Singapur schneller machen können - ob wir nun die WM anführen oder nicht. Wir sind fünf Punkte hinten in der Fahrerwertung und drei in der Konstrukteursmeisterschaft. Das ist nichts."

"Lewis ist jederzeit in der Lage, in Situationen Punkte einzufahren, wo es unmöglich erscheint. Nun ist es eben so, dass er morgen ganz schnell eine Enttäuschung abhaken muss. Er kommt damit bestimmt klar. Lewis zählt zweifellos zu den besten Rennfahrern der Welt. Um das zu erreichen, musst du auch mal aggressiv sein."

"So etwas ist immer auch Glückssache. Manchmal greifst du an und scheidest deswegen aus, manchmal attackierst du und kommst durch. Es geht bei äußerst hohen Geschwindigkeiten nur um Millimeter. Es ist ein schmaler Grat zwischen Hero und Zero. Das liegt aber in der Natur des Sports."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Italien


Frage: "Aber ausgerechnet auf einer für Red Bull schwachen Strecke ist eine Nullnummer doch für ihn besonders enttäuschend..."
Whitmarsh: "Ja, natürlich ist das so. Wenn du als WM-Kanditat mit einer Nullnummer nach Hause fährst, dann ist das immer schlimm - das gilt für jeden Fahrer jedes Teams. Solche Dinge passieren. Wir dürfen uns damit nicht zu lange beschäftigen, sondern wir müssen nach vorne schauen."

Frage: "Werdet ihr in Singapur technisch nachlegen?"
Whitmarsh: "Ehrlich gesagt, weiß ich noch gar nicht, wie umfangreich das Paket sein wird. Mal schauen, was wir machen können. Es wird ein Kampf sein bis Abu Dhabi, und das ist eine tolle Geschichte. Ich finde das wirklich bemerkenswert. Ich hoffe, dass viele Leute was wahrnehmen: Diese Saison ist eine der besten in der Geschichte der Formel 1. Das ist doch super. Lewis und Jenson, beide Red-Bull-Fahrer und Fernando Alonso sind alle noch voll dabei. Das ist fantastisch."

"Diese Saison ist eine der besten in der Geschichte der Formel 1." Martin Whitmarsh

Frage: "Gibt es jetzt in den letzten Rennen spezielle Stärken und Schwächen?"
Whitmarsh: "Das glaube ich nicht. Red Bull und Ferrari sind stark, wir selbst sind auch nicht ganz schlecht. Ich würde nicht Wahrsager spielen wollen. Alle sind richtig schnell. Hier war Ferrari leicht voraus, wir waren nicht schlecht und Red Bull vielleicht etwas zurück. In Singapur kann sich das Kräfteverhältnis dieser drei Teams wieder ganz anders darstellen."

Frage: "Kann man sich mit Lewis Hamilton nun keine Fehler mehr leisten?"
Whitmarsh: "Man will nie auch nur einen einzigen Fehler in der Saison. Das gilt für das Team, die Pitcrew, für alle. Meine Erfahrung sagt mir aber, dass Fehler immer passieren können. Im Titelkampf geht es nur darum, diese Fehler zu minimieren."