• 25.07.2001 19:27

  • von Fabian Hust

Wenn 18.000 PS durch den Wald heulen...

Auf kaum einer anderen Strecke sind die vielen PS aus den Wunderwerken der Technik wichtiger als in Hockenheim

(Motorsport-Total.com) - Wer noch nie bei einem Formel-1-Rennen vor Ort war, der weiß nicht, warum viele Fans immer wieder mehrere Hundert Mark hinblättern, obwohl man vor Ort weniger vom Rennen mitbekommt als vor dem Fernseher. Der Sound spielt in der Formel 1 eine gewaltige Rolle und er ist schlichtweg phänomenal. Wenn im Freien Training in Hockenheim ein Auto in den Wald hineinfährt und das Kreischen des Motors immer mehr verhallt und verschwimmt, läuft dem Formel-1-Fan ein kalter Schauern den Rücken herab.

Titel-Bild zur News: Hockenheimer Wald

Im Wald von Hockenheim sind die Formel-1-Boliden plötzlich ganz klein...

Der beißende und fast schmerzhaft helle Klang der Motoren führt beim Start zu einem überraschenden Phänomen. Wenn die 18.000 PS lospreschen, dann vibriert es im Magen wie wenn man in der Disko neben der Bassbox steht. Ohne Ohrschutz hält man ein Formel-1-Rennen unbeschadet nicht aus, das Militär versucht bei einigen Rennen die Soundkulisse vor dem Rennen mit einer Düsenjäger-Flugschau noch einmal zu übertrumpfen.

In Hockenheim kommt dem Motor eine sehr wichtige Rolle zu, denn auf einer Qualifyingrunde ist der Fahrer auf den 6,823 Kilometern zu 70 Prozent mit Vollgas unterwegs. Die Flügel sind für die langen Geraden möglichst flach gestellt, dies bedeutet nicht nur Höchstgeschwindigkeiten von rund 370 km/h, sondern auch extrem hohe Umdrehungszahlen, die die Motoren aushalten müssen.

Der Motorsportweltverband versucht, die Geschwindigkeiten zu bremsen, das fängt vom Aerodynamik-Reglement an und geht bis zum Motor selbst. Würde die Konstruktion des Chassis keinen Restriktionen unterliegen, so sähen wir in Hockenheim Autos, die mit mehr als 400 km/h unterwegs wären. Bis 2008 wird zumindest das Motorreglement unangetastet bleiben und somit wird es immer potentere Motoren geben.

Trotz stabilem Reglement schaffen es Motorenbauer wie Mario Illien immer wieder mehr PS aus dem Motor zu kitzeln, so spricht Benettons Technischer Direktor Mike Gascoyne von 30 PS, die die Motorenbauer pro Jahr finden. Nebenbei wird natürlich das Gewicht, die Größe, der Schwerpunkt und der Verbrauch gesenkt, die Fahrbarkeit und Zuverlässigkeit erhöht und weitere Eigenschaften verbessert.

Vor zehn Jahren wog ein Top-Motor 170 Kilogramm und leistete 700 PS, das war damals State-of-the-Art. Zehn Jahre später sind 92 Kilogramm und 850 PS der Maßstab - und dabei müssen die Ingenieure diese Leistung statt aus 3.5 Litern Hubraum aus 3.0 Litern beziehen! Auch die Umdrehungszahlen der Motoren sind gestiegen, Mitte der 90er-Jahre konnte Renault dank dem Wechsel von Stahlfedern zur Steuerung der Ventile auf eine hydropneumatische Steuerung die 14.000 U/min-Marke knacken. Sechs Jahre später drehen einige Motoren bis zu 18.500 U/min und es wird wohl nur noch drei, vier Jahre dauern, bis der erste Motor die 20.000-Marke knacken wird.

Die Steigerung der Umdrehungszahlen bringt viele Probleme mit sich, denn die Reibungsverluste müssen mit dem Faktor hoch drei berücksichtigt werden. Die Ventile der Motoren werden von Jahr zu Jahr kleiner, schon längst fahren die Boliden nicht mehr mit Standardöl, es würde zu viel Reibung in den Lagern bieten, aber schon jetzt sind die synthetischen Öle so flüssig wie Wasser und viel Spielraum bleibt hier nicht mehr. Schwierigkeiten haben die Ingenieure auch vermehrt bei der Fehlerdiagnose, wenn die Motoren sich immer schneller drehen. Wenn ein Motor mit 18.000 U/min platzt, dann bleibt im Inneren nicht mehr viel übrig. Meist sind es klitzekleine Staub- oder Metallkörner, die den Motor im Inneren zerstören.

In der heutigen Zeit ist der Motor längst nicht nur ein Aggregat im Auto, das die nötige Power liefert, sondern ein wichtiges Element im Auto. Die Hinterradaufhängung wird vom Motor mitgetragen und auch das Getriebe wird an die V10s der Formel 1 anmontiert. Und wenn der Motor statt 100 Grad Betriebstemperatur 130 Grad verträgt, können die Kühler am Auto kleiner konstruiert werden, dies bringt auf der Geraden mehr Top-Speed - auch ohne mehr Motorpower.

Der Trend in der Formel 1 ist klar: Alles wird kleiner, einfacher, leichter und leistungsfähiger. So werden in Zukunft Motor und Getriebe eine Einheit bilden - damit experimentierte man bei Jaguar in der letzten Saison schon herum. Der Vorteil: Getriebe und Motor können sich einen Ölkreislauf teilen, das bedeutet einen nicht unerheblichen Gewichtsvorteil, weil man sich Öl, Tanks und Pumpen einsparen kann. In der Formel 1 gibt es eben keinen Stillstand - der Motor ist das beste Synonym dafür.

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