• 20.09.2016 07:45

  • von Dominik Sharaf & Roman Wittemeier

WEC-Stars gespalten: Wird die Formel 1 2017 besser?

Mehr Grip und körperliche Belastung goutieren die WEC-Asse, den Zick-Zack-Kurs der Regelhüter nicht: "Das wird die Probleme nicht lösen", sagt Lucas di Grassi

(Motorsport-Total.com) - Die LMP1-Piloten aus der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) sind geteilter Meinung, wenn es um das neue Formel-1-Reglement für die Saison 2017 geht. Während steigende körperliche Anforderungen mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen werden, äußern die Sportwagen-Asse im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' ihre Zweifel, ob mehr Attraktivität gewährleistet ist. Dennoch meint Ex-Mercedes-Testfahrer Brendon Hartley: "Schön, dass die Formel 1 wieder schneller wird."

Titel-Bild zur News: Sebastien Buemi, Pirelli, 2017

Neue Reifen und ein aggressiveres Design: So sieht die Formel 1 ab 2017 aus Zoom

Seinem Porsche-Konkurrenten pflichtet Toyota-Mann Sebastien Buemi bei. Der Schweizer testete Anfang August für Red Bull in Mugello die breiten Slicks und weitere Modifikationen auf der Rennstrecke. Er zeigt sich angetan: "Mehr Downforce und mehr Grip", stellt Buemi erfreut fest und blickt voraus: "Die Autos werden in den Kurven schneller und auf den Geraden etwas langsamer sein." Unter dem Strich soll das bis zu fünf Sekunden weniger Rundenzeit bedeuten. Bitter nötig?

Das meint zumindest Audi-Pilot Andre Lotterer, der in der Königsklasse schon für die gescheiterte Caterham-Truppe ins Lenkrad griff. Er denkt an die Rundenzeiten auf dem neuen Kurs in Mexiko-Stadt, wo sowohl die Formel 1 als auch die WEC ein Rennen austragen. "Wir wären im Qualifying nicht Letzter geworden", vergleicht er die Werte des Zeittrainings der vermeintlichen Beletage des Motorsports mit denen, die sein R18 zwar mit einem Allradantrieb, aber mit 250 Kilogramm mehr Gewicht fährt. "Irgendwo muss es doch einen Unterschied geben", fordert Lotterer mehr Tempo.

Für die Hinterbänkler wird's auch nicht schöner

Dann, so meint Porsche-Werksfahrer Neel Jani, würden die Stars ins Schwitzen kommen. "Alles, was weniger Power hat, wird einfacher zu fahren. Alles, was am Limit ist, bringt dich körperlich auch ans Limit. Dann schnell zu fahren, wird eine ganz andere Geschichte", blickt der Schweizer auf die erwartete Mehrbelastung durch höhere g-Kräfte voraus. Blitzkarrieren wie die von Max Verstappen wären weniger realistisch. Die Dinosaurier in den Cockpits müssten sich umgucken. "Es wird mehr Unterschiede zwischen Jungs und Männern geben", stimmt Lotterer zu.

Angesichts so viel Optimismus rümpft Lucas di Grassi nur die Nase: "Es wird die Probleme nicht lösen", winkt der Brasilianer mit Blick auf die Reglementnovelle ab und ortet ein philosophisches Dilemma durch das ständige Hin- und Her. "Der springende Punkt ist der fehlende Plan", erklärt di Grassi. "Dass die Formel 1 gar nicht weiß, wie sie in fünf Jahren aussehen will." Der ehemalige Virgin-Pilot ist überzeugt, dass sich Automobilkonzerne deshalb nicht langfristig binden würden.

Er ärgert sich über unnötige Störfeuer wie Forderungen nach der Rückkehr zu V8-Motoren. "Und dann beschweren sich die Piloten noch über zu weiche Reifen! Aber mit stark abbauenden Pneus war der Rennsport umwerfend." Lust, als Hinterbänkler in der Formel 1 mitzumischen, hat di Grassi vor dem Hintergrund des dauernden Sparens von Sprit und Gummi nicht mehr: "Ich erkenne keinen Spaß, wenn man ein Auto so fahren muss und bei einem miesen Team am Ende des Feldes gurkt."


Fotostrecke: Designstudie: Formel-1-Regeln 2017

Sogar, wenn die Wagen schneller wären, würde er lieber in einer anderen Serie um Siege und Titel kämpfen als die Startaufstellung aufzufüllen, hadert er und sieht die Königsklasse auf einem Zickzackkurs ohne Ziel umherirren. "Es ist nicht klar, wie sie sich zwischen Sport und Entertainment entscheiden wollen", schüttelt di Grassi den Kopf und sieht in Nordamerika sowie im Elektrosport mehr Perspektive als in einer Klasse, die sich für einen revolutionären Kopfschutz entscheidet, ohne ihn auch sicher behalten zu wollen: "Die IndyCar-Serie hat einen tollen Job gemacht. Die Formel E wächst. Es tut mir weh, wenn ich sehe, was in der Formel 1 entschieden wird, zum Beispiel Halo."