• 13.11.2010 21:30

  • von Dieter Rencken

Webber: "Es sollte nicht sein"

Red-Bull-Fahrer Mark Webber ist enttäuscht von seiner Qualifikation, will den Kopf aber nicht in den Sand stecken: "Noch ist der Titel nicht vergeben"

(Motorsport-Total.com) - Die Titelkandidaten der Formel 1 fanden sich in der Qualifikation von Abu Dhabi geschlossen an der Spitze des Klassements wieder - nur Mark Webber fiel aus dem Rahmen. Der australische Rennfahrer wurde "nur" als Fünfter abgewinkt und hat damit eine Aufholjagd vor sich, will er sich am Sonntag zum neuen Formel-1-Weltmeister krönen. In seiner Medienrunde spricht Webber über seine Chancen und darüber, weshalb es in der Qualifikation beim letzten Grand Prix nicht wirklich für ihn laufen wollte.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Mark Webber hat am Sonntag eine sehr schwierige Aufgabe vor sich - nach P5

Frage: "Mark, in Q3 habt ihr euch für einen einzelnen Anlauf entschieden. War das eine Entscheidung des Teams? Wie viel hatten die Fahrer dabei zu sagen?"
Mark Webber: "Wir haben gemeinsam entschieden, dass wir es so angehen würden. Wir konnten die erste Runde auf den Reifen einfach nicht so umsetzen wie die anderen. Vielleicht waren unsere Anläufe etwas lang, doch die Pneus haben über diese Distanz gut funktioniert. Wir hatten den Eindruck, immer schneller und schneller zu werden."

"Es war eine seltsame Situation. Wir haben das zum Teil schon im vergangenen Jahr an dieser Strecke beobachtet. Im Hinblick auf die Arbeitsweise der Reifen kann dieser Kurs eine echte Ausnahme sein. So war es auch am Samstagabend. McLaren hat sich unterm Strich wohl dazu entschieden, jeweils eine schnelle Runde zu absolvieren. Fernando hat seine schnellste Zeit ebenfalls über eine Runde absolviert."

"Ich hatte nicht erwartet, auf Rang fünf zu liegen. Ich rechnete damit, weiter vorne zu sein. So ist es nun aber. Die Uhr läuft vom Anfang der Session und am Ende hört der Countdown auf. Da stehe ich nun. Natürlich bin ich nicht sonderlich erbaut über diese Qualifikation. Das dritte Freie Training, Q1 und Q2 schienen okay zu sein. Gerade die wichtigste Einheit sollte nicht sein für uns. Das ist schade."

"Unterm Strich wäre ich aber selbst dann nicht Weltmeister, wenn ich auf der Pole-Position stehen würde. Der Titel wird nämlich erst am Sonntag vergeben. Ich bin noch immer perfekt positioniert, um vom Pech oder dem Reifenverschleiß, Boxenstopps oder Safety-Car-Phasen zu profitieren. Ich kann es noch immer schaffen. Im Augenblick bin ich natürlich noch enttäuscht, aber das ist nur menschlich."

Webber schwächelt im zweiten Sektor

Frage: "Kannst du sagen, wo genau du im zweiten Sektor die Zeit verloren hast? Waren es die langen Geraden und die paar wenigen langsamen Ecken? Hatte es mit dem Abtrieb zu tun?"
Webber: "Ich habe mir den Vergleich zu Sebastian noch nicht angesehen. Mir ist aber klar: Dort habe ich etwas Zeit auf ihn verloren."

"Im Hinblick auf McLaren liegt es natürlich am Topspeed, klar. Dabei haben wir schon immer viel auf McLaren eingebüßt. Die zwei, drei Schlussminuten waren nicht gerade großartig für mich. Ich persönlich hatte nicht die Leistung und auch das Auto hatte sie nicht. Das müssen wir uns genau anschauen."

"Meistens kann ich auf die Aussage der Boxentafel mit einer entsprechenden Rundenzeit reagieren." Mark Webber

"Es war so ziemlich das erste Mal in diesem Jahr, dass ich auf die Boxentafel geschaut habe und sagte: 'Ich kann diese Zeit wirklich nicht fahren.' Meistens kann ich auf die Aussage der Boxentafel mit einer entsprechenden Rundenzeit reagieren und wieder mitmischen. In Q3 von Abu Dhabi war mir das aber nicht möglich."

Frage: "Du bist im zweiten Sektor nicht in Topform. Machst du dir daher Sorgen, was das Überholen anbelangt?"
Webber: "Das ist der wichtigste Abschnitt für Überholmanöver, doch sollten manche Leute zum Ende des Rennens Probleme mit ihren Reifen bekommen, könnte das ebenfalls Optionen bieten. Sektor zwei ist allerdings der beste Teil, um Manöver zu starten."

Frage: "Wie gut ist dein Auto im Hinblick auf den Reifenverschleiß?"
Webber: "Ziemlich gut."

Frage: "Hattest du das gleiche Setup wie Sebastian?"
Webber: "Ein recht ähnliches."¿pbvin|512|3275|dhabi|0|1pb¿

Die Qualifikation wäre nicht schuld...

Frage: "Die Meisterschaft wird nach 19 Rennen gewonnen oder verloren. Ärgerst du dich über diese Qualifikation?"
Webber: "Nein. Ich hätte in Spa verunfallen können, als es in Q3 zu regnen begann. So war es aber nicht - ich holte die Pole-Position. Aber wie du schon sagtest: Es sind zwölf Monate harte Arbeit. Da kannst du nicht einfach einen Punkt herausgreifen."

"Du hast niemals die Chance, den Titel zu gewinnen, wenn du nicht über die gesamte Saison hinweg eine gute Leistung bringst. Das ist mir gelungen und deswegen habe ich eine Chance auf den Titelgewinn. Eine Qualifikation zu kritisieren - schau dir nur einmal die Zeittrainings von Fernando an. Die waren in diesem Jahr auch nicht so besonders gut."

"Natürlich ist das enttäuschend, aber so habe ich mich nun einmal qualifiziert." Mark Webber

"Das passiert. Natürlich ist das enttäuschend, aber so habe ich mich nun einmal qualifiziert und so starte ich am Sonntag auch in einen langen Grand Prix. Es wäre aber falsch, am Sonntagabend dazusitzen und zu sagen: 'Ich habe den Titel nicht gewonnen, weil ich nicht auf Startplatz zwei gefahren bin.'"

Frage: "Erklärt der Druck, den dieses Wochenende mit sich bringt, einen Teil deiner Leistung vom Samstag?"
Webber: "Nein. Nein."

Frage: "Du scheinst noch immer ziemlich aufgebracht zu sein. Sieht es so auch in deinem Inneren aus?"
Webber: "Naja. Wäre ich Dritter, wäre es ziemlich ähnlich, oder? Eine Position vor oder hinter Fernando anzukommen ist einfach nicht genug. Ich muss gewinnen oder er muss Probleme kriegen."

"Das ist die Ausgangslage nach Brasilien. Seither hat sich diesbezüglich gar nichts verändert. Er ist da, weil er in den vergangenen fünf Rennen immer zur Stelle war. Zu glauben, wir könnten hierher kommen und ihm davonfahren - so läuft der Hase einfach nicht."

Webber zerbricht sich nicht den Kopf

Frage: "Wirst du in der Nacht zum Sonntag ein paar Rechnungen anstellen, um zu wissen, wo du im Rennen ankommen musst?"
Webber: "Wir werden einfach sehen, wer sich in der letzten Rennrunde an welcher Position befindet. Zu Beginn der letzten Runde werde ich meiner Meinung nach wissen, ob ich Weltmeister bin oder nicht."

Frage: "Hast du dich mit Sebastian über gewisse Situationen unterhalten, bei denen er dir helfen oder nicht helfen wird?"
Webber: "Nein."

"Wenn ich nicht die Zielflagge sehe, werde ich auch nicht Weltmeister." Mark Webber

Frage: "Fernando weiß, dass er es sich leisten kann, am Sonntag hinter dir ins Ziel zu kommen. Wie aggressiv musst du sein, um ihn zu überholen?"
Webber: "Schau: Ich muss vor ihm ankommen. Wenn ich nicht die Zielflagge sehe, werde ich auch nicht Weltmeister. Das gilt für alle drei."

"Lewis hätte natürlich gerne, dass wir drei ausfallen. Und vielleicht gewinnt er dann. Man kann den Ablauf des Rennens aber unmöglich vorhersagen. Warten wir einmal ab, wer am Ende Weltmeister ist. Eine Sekunde nach dem Rennen wird der Titel vergeben, wer auch immer ihn bekommt."

Frage: "Wie sehr glaubst du noch an den Titelgewinn?"
Webber: "Ziemlich. Noch ist der Titel nicht vergeben worden. Ginge das Rennen nur über eine Runde, würde es wohl nicht allzu gut aussehen. Der Grand Prix dauert aber zwei Stunden und die Dinge können sich verändern."


Fotos: Mark Webber, Großer Preis von Abu Dhabi


Frage: "Ist es nun einfacher oder schwieriger geworden, wo die McLaren-Piloten vorne mitmischen?"
Webber: "Keine Ahnung, mein Freund. Es ist gleich geblieben."

Als Rennfahrer will man immer mehr

Frage: "In Spanien und Monaco warst du dominant. Wo hast du deiner Meinung nach ein bisschen das Vertrauen in das Auto verloren?"
Webber: "Das habe ich gar nicht. Die Leute scheinen zu vergessen, dass ich nur um sechs Hundertstel an der Pole-Position von Suzuka vorbeigeschrammt bin. In Brasilien war es erneut sehr eng."

"Und jedes Mal, wenn Sebastian ein Rennen gewonnen hat, lag ich nur zwei Sekunden hinter ihm. Wir tragen ein Duell aus und es ist ja nicht so, dass ich 25 Sekunden hinterher hinke und vergessen habe, wie man fährt. Natürlich hätte ich in letzter Zeit gerne ein paar Siege gehabt, doch ich habe alles getan, um sie zu kriegen."

"Ich habe 2010 aber ein paar Mal gewonnen. So übel ist es nicht." Mark Webber

"Unterm Strich habe ich sie nicht erreicht, weil ich sie nicht verdient hatte. So einfach ist das. In Budapest haben wir nach einer schönen Fahrt gewonnen und auch in Silverstone hatten wir einen tollen Sieg. Ich könnte hier sitzen wie Felipe und keinen Sieg auf dem Konto haben. Ich habe 2010 aber ein paar Mal gewonnen. So übel ist es nicht."

Frage: "Unabhängig davon, was am Sonntag passiert: Ist es nicht sehr erfreulich, wenn du dich an deine Tage in der Formel Ford zurückerinnerst, dass du eines Tages beim letzten Rennen um den Formel-1-Titel kämpfen würdest?"
Webber: "Absolut. Wie ich schon immer sagte: Es liegt in der menschlichen Natur, immer mehr zu wollen."

"Wenn du ein Rennen gewinnst, willst du zwei Siege, dann drei, dann vier. Danach willst du sechs, sieben oder zehn. Wo hört das auf? Ich hatte eine unglaubliche Saison und ich sitze nicht hier und bin pessimistisch, dass ich den Titel nicht gewinne. Ich sitze hier und sage, dass ich 2010 viele Dinge abgehakt habe."

"Darauf bin ich stolz. Ich hoffe, ich kann auch am Sonntag noch unglaublich gut auftreten und dem Ganzen das Sahnehäubchen aufsetzen. Die Sonntage waren üblicherweise sehr gut für mich, abgesehen von zwei Rennen in diesem Jahr. Alles in allem ist da doch viel Positives. Ich denke, das überwiegt das Negative."