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Was die Formel 1 von der MotoGP lernen kann

Die Königsklassen auf zwei und vier Rädern im Check: Wo wird mehr Geld verdient, was bekommt der Zuschauer für sein Geld und welche Parallelen existieren

(Motorsport-Total.com) - Spricht man im Formel-1-Fahrerlager über MotoGP, dann scheiden sich die Geister. Für die einen ist man ein Verräter, während andere ihrer Begeisterung freien Lauf lassen und über die todesmutigen Akrobaten auf zwei Rädern schwärmen. Dennoch geht man einander aus dem Weg: Zwischen MotoGP und der Formel 1 gibt es eine ungeschriebene Abmachung, dass sich die Termine der Rennen nicht überschneiden.

Titel-Bild zur News: Vitantonio Liuzzi, John Hopkins

Wer schneidet im Vergleich zwischen Formel 1 und MotoGP besser ab?

Während die Formel 1 vom in Paris sitzenden Automobil-Weltverband FIA ausgetragen wird, heißt das MotoGP-Pendant FIM und sitzt in Genf. Dennoch gibt es viele Sponsoren, die in beiden Serien auftreten - zum Beispiel Philip Morris, jahrelang mit Marlboro Zigarettensponsor von Ferrari und Ducati.

Ecclestone einst im Besitz der Motorrad-WM-Rechte

Nach wie vor ist man bei beiden Teams aktiv, auch wenn das Tabak-Werbeverbot die Möglichkeiten inzwischen stark einschränkt. Auch beim traditionellen Wrooom-Event im Winter in Madonna di Campiglio kommt es jedes Jahr zum Aufeinandertreffen der Rennställe von Ferrari und Ducati. Castrol, PUMA und Alpinestars sind ebenfalls in beiden Fahrerlagern als Sponsoren vertreten.

Beinahe wäre sogar CVC Capital Partners - Besitzer der kommerziellen Rechte der Formel 1 - an beiden Serien beteiligt gewesen. Doch das europäische Parlament zerschlug dies aus monopolrechtlichen Gründen: CVC musste die Beteiligung an der Dorna aufgeben, als CVC 2006 63 Prozent von Bernie Ecclestones Formula One Group übernahm. Der Formel-1-Boss war selbst einmal Inhaber der kommerziellen Rechte der Motorrad-WM gewesen, verkaufte aber später an die in Madrid sitzende Dorna.

Formel 1 macht vier Mal so viel Umsatz

Geht es rein nach dem Umsatz, muss man Ecclestone im Nachhinein recht geben. In diesem Jahr machte die Formel 1 einen Umsatz in Höhe von 800 Millionen Pfund (umgerechnet 908 Millionen Euro), die Dorna muss froh sein, wenn man auf ein Viertel davon kommt. Geld verdient man allerdings auf ähnliche Weise - durch Renngebühren, TV-Verträge und Merchandising sowie Hospitality. Vor allem die Veranstaltergebühren sind bei der Formel 1 deutlich höher als bei der MotoGP.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Streckenbertreiber in der Formel 1 40 Millionen Pfund (umgerechnet 45 Millionen Euro) überweisen muss - das ist zum Beispiel bei den Rennen in Singapur und Abu Dhabi der Fall. In der MotoGP sind es vergleichsweise günstige 2,5 Millionen Pfund (2,8 Millionen Euro). Kein Wunder also, dass die europäischen Streckenbetreiber unter den hohen Gebühren ächzen, doch das ist der Grund, warum Ecclestone in den letzten Jahren alles daran setzte, den asiatischen Markt zu erschließen.

Adrian Sutil

Abu Dhabi zahlt rund 45 Millionen an Veranstaltergebühren für die Formel 1 Zoom

Dort sind Regierungen bereit, viel Geld zuzuschießen, um die Welt-Sportart Formel 1 austragen zu dürfen. Durch die hohen Gebühren, die ein Streckenbetreiber für ein Rennen an die Formel 1 überweisen muss, ist man gezwungen, dieses Budgetloch durch hohe Ticketpreise wieder zu stopfen.

Deutlich mehr Zuschauer bei MotoGP-Rennen

In der MotoGP erhält der Fan für etwas mehr als 100 Euro ein Ticket mit einem durchaus vernünftigen Überblick über die Rennstrecke - die Formel-1-Fans müssen dafür drei Mal so viel Geld ausgeben. Einen guten Vergleich bietet der Circuit de Catalunya nahe Barcelona. Nur vier Wochen trennten dort die Rennen der beiden Sportarten - in der MotoGP kostete das teuerste Ticket 150 Euro, in der Formel 1 450 Euro.

Das Resultat: Formel-1-Rennen gehen teilweise vor beinahe leeren Rängen über die Bühne. Obwohl der aktuelle Formel-1-Weltmeister mit Sebastian Vettel ein Deutscher ist und damals sechs deutsche Piloten am Start waren, hielten sich die Besucherzahlen am Sonntag sogar beim Grand Prix auf dem Nürburgring mit 50.000 in Grenzen.

Fahrer-Parade

Nicht immer sind die Tribünen in der Formel 1 gut besucht Zoom

Anders die Situation auf dem Sachsenring: 250.000 Fans sorgten allein am Renntag für eine fantastische Atmosphäre - dabei musste die Königsklasse MotoGP ohne Lokalmatador auskommen. Bloß in den Unterklassen gibt es deutsche Beteiligung. Der vielversprechendste Pilot ist mit Stefan Bradl der aktuelle Leader in der Moto2-Klasse. Doch Deutschland war kein Einzelfall: Auch die ehemaligen Ostblock-Rennen in Budapest (Formel 1) und Brünn (MotoGP) weisen mit 50.000 und 155.000 Zuschauern eine ähnliche Diskrepanz auf.

Merchandising: Nachholbedarf für Formel 1

Bloß Silverstone weicht von dieser Tendenz ab: Im Mutterland der Formel 1 sahen über 100.000 Leute das Formel-1-Rennen, bei der MotoGP kam man am Renntag auf 73.000 Fans. Während in der Formel 1 bloß in Spanien (noch) zwei Rennen ausgetragen werden, ist dies in der Motorrad-WM durchaus üblich. Durch die enorme Popularität auf der iberischen Halbinsel finden dort mit Barcelona, Valencia, Aragon, Jerez und Estoril gleich fünf Rennen vor ausverkauftem Haus statt - in Italien gibt es mit Mugello und Misano immerhin zwei Rennen.

Beim Merchandising ist die MotoGP ebenfalls fanfreundlicher. Es gibt mehr Stände - der Abgang der Hersteller bedeute diesbezüglich für die Formel 1 einen Aderlass. Dazu kommt, dass sich die MotoGP-Fans mit ihren Helden und den Marken auch über die Startnummern identifizieren. So fährt Valentino Rossi stets mit der Nummer 46 - sogar als Weltmeister. Das gilt allerdings nicht für alle Fahrer: Weltmeister Jorge Lorenzo wechselte diese Saison auf die Nummer eins. In der Formel 1 ändern sich die Startnummern hingegen jedes Jahr, was allerdings auch dazu führt, dass sich Hardcore-Fans Jahr für Jahr die aktuelle Kappe aus der Fankollektion kaufen.

Ganz allgemein bekommt der MotoGP-Interessierte mehr für sein Geld - das gilt auch für den exklusiven VIP-Bereich: Für einen Besuch im VIP-Village der MotoGP zahlt man pro Wochenende etwas mehr als 1.000 Euro, für zwei Tage im Paddock-Club muss man hingegen rund 3.500 Euro berappen.

MotoGP: Besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bei TV-Rechten

Ein Phänomen, das sich durch alle Bereiche durchzieht: Die TV-Rechte sind in der Formel 1 fünf Mal so teuer wie in der MotoGP, obwohl die Motorrad-Rennen immerhin halb so viele Zuschauer anlocken - das ergibt ein deutlich besseres Preis-Leistungs-Verhältnis. Kein Wunder, dass sich die 'BBC' in Zukunft die Formel-1-Rechte nicht mehr leisten will und nur noch die Hälfte aller Rennen live überträgt. Einmal mehr wird der Zuschauer zur Kasse gebeten - er muss sich in Großbritannien in Zukunft das Pay-TV-Angebot von 'Sky' leisten, will er alle Rennen sehen.

Während die Einnahmequellen bei Formel 1 und MotoGP ähnlich sind, sind die internen Geschäftsmodelle komplett unterschiedlich. In der Formel 1 sorgt das Concorde Agreement dafür, dass rund die die Hälfte des Umsatzes (800 Millionen Pfund - umgerechnet 900 Millionen Euro) nach dem Stand der Konstrukteurs-WM des Vorjahres auf die Teams aufgeteilt werden. Die Ausgaben belaufen sich auf 100 Millionen Pfund (114 Millionen Euro), der Formel-1-Gruppe bleiben also 300 Millionen Pfund (341 Millionen Euro). Noch sind aber Zahlungen an die Royal Bank of Scotland fällig, die für den Verkauf der 113 Jahre gültigen Rechte an CVC die Geldmittel bereitstellte. Das ergibt eine Gewinnspanne von 37,5 Prozent.

Start zum MotoGP-Rennen in Indianapolis 2011

Die MotoGP-Rechte sind für TV-Stationen kostenffizienter als die Formel 1 Zoom

Steckt CVC zu viel Geld in die eigene Tasche?

Bei der Dorna wird der Kuchen anders verteilt. Die meisten Teams verhandeln ihre Anteil individuell, IRTA (International Road Racing Teams Association) übernimmt die Verhandlungen für die restlichen Teams und für die Unterklassen Moto2 und 125ccm. Die IRTA ist im Fahrerlager omnipräsent und kann durchaus mit der Teamorganisation FOTA in der Formel 1 verglichen werden.

Wenn es um die Gewinnspanne geht, dann kann die Dorna aber nicht mit der Formel 1 mithalten. Quellen im MotoGP-Fahrerlager deuten an, dass es sich um einen Betrag in Höhe von rund 20 Millionen Pfund (23 Millionen Euro) handelt - das sind weniger als 10 Prozent, was ungefähr die Norm bei Sportveranstaltungen ist. Das bedeutet aber auch, dass der Formel-1-Rechteinhaber einen unüblich großen Anteil in die eigene Tasche steckt. Würde man dies angleichen, würde CVC pro Jahr statt 300 "nur" 100 Millionen Pfund (113,5 Millionen Euro) einstecken und die Teams 600 (681 Millionen Euro) statt 400 Millionen Euro (454 Millionen Euro) kassieren - ein wesentlicher Unterschied.

Budgets in der Formel 1 deutlich höher

Auch bei der Betreuung der Medien gibt es große Unterschiede: In der MotoGP kümmert sich die Dorna um alle Journalistenakkreditierungen, in der Formel 1 ist die FIA für Print- und Internet-Medien zuständig, während Formula One Admininstation die Radio- und TV-Akkreditierungen behandelt.

Teuer ist die Formel 1 nicht nur für die Zuschauer, TV-Station und Streckenbetreiber. Auch die Teams geben trotz der Kostenspar-Maßnahmen viel Geld aus. Während Topteams wie Ferrari, McLaren und Red Bull rund 250 Millionen Pfund (284 Millionen Euro) ausgeben, bewegen sich die Budgets von Honda und Ducati laut Quellen im Fahrerlager von Brünn im Bereich von einem Sechstel der Formel-1-Topteams. Obwohl die Rennen nur 45 Minuten lang dauern, ist das ein eklatanter Unterschied, zumal die Japaner derzeit vier Motorräder einsetzen.

Fernando Alonso, Felipe Massa

Trotz Sparmaßnahmen geben die Teams in der Formel 1 weiter viel Geld aus Zoom

Die Privatteams sind in der MotoGP nicht wie in der Formel 1 gezwungen, ein eigenes Auto zu konstruieren. Für etwas mehr als zwei Millionen Euro pro Jahr kommen Privatteams in den Genuss der Motorräder der Herstellerteams - die Budgets der Privaten liegen bei unter 4,5 Millionen Euro. Das schließt Erfolge keineswegs aus: Marco Simoncelli gelang es zuletzt in Brünn mit seiner Gresini-Honda, auf das Podest zu fahren.

MotoGP: Weniger Geld, mehr Spaß?

Die MotoGP-Piloten müssen trotz des enormen Risikos mit weniger Gehalt auskommen als ihre Kollegen aus der Formel 1. Das Jahresgehalt von Superstar Rossi wird auf ungefähr fünf Millionen Pfund (5,7 Millionen Euro) geschätzt. Zum Vergleich: Das ist in etwa ein Drittel des Gehalts seines Formel-1-Pendants Michael Schumacher.

Die Szene ist auch deutlich bodenständiger. So erzählte Ex-MotoGP-Pilot Alex Hoffmann, dass der nunmehrige Superstar und WM-Leader Casey Stoner zu Beginn seiner WM-Karriere noch mit seinem Mechaniker im Anhänger nächtigte. Zudem ist die Stimmung lockerer und ausgelassener als in der äußerst sterilen Formel 1.

Das bestätigen auch Leute, die bereits in beiden Rennserien gearbeitet haben. "Wir haben nur die Hälfte der Räder, aber drei Mal so viel Spaß - dadurch ist MotoGP sechs Mal besser", scherzt ein ehemaliger Formel-1-Hospitality-Mitarbeiter, der inzwischen in der Motorrad-WM gelandet ist.