Warum Toyota KERS zunächst zurückhält
Toyota-Teamchef Pascal Vasselon über die grundlegenden KERS-Probleme: Performance, Zuverlässigkeit, Reifenverschleiß und Kühlung
(Motorsport-Total.com) - Die neue Hybridtechnologie in der Formel 1 hat in den vergangenen Monaten für viele Diskussionen gesorgt. Aus einer anfangs guten und spannenden Idee hat sich mittlerweile ein großer Berg von Problemen entwickelt. Sogar die FIA hatte ansatzweise ein Einsehen und stellte den Einsatz der Systeme in der kommenden Saison frei. Dass sogar Toyota als Hybrid-Vorreiter bei Straßenautos nun sein KERS auf die lange Bank schiebt, ist mehr als bezeichnend.

© Toyota
Nur ein Versuch: Timo Glock probierte in Portugal das Toyota-KERS aus
"Zwei Faktoren sind grundlegend wichtig: Erstens muss es im Betrieb absolut sicher sein, und zweitens muss es einen Vorteil bei der Rundenzeit bringen", stellte Toyota-Technikchef Pascal Vasselon im Interview mit 'ITV' noch einmal die Rahmenbedingungen klar. Die Japaner haben sich alle Optionen offen gehalten. Man baute sogar zwei verschiedene Chassis, die beide von der FIA abgesegnet werden mussten, um bei der Entscheidung ebzüglich KERS alle Freiheiten zu haben.#w1#
Die Hauptprobleme liegen einerseits in der Zuverlässigkeit des Systems, zum anderen schlägt sich das Gewicht negativ nieder. KERS wird bei Toyota hinter dem Fahrersitz verbaut und sorgt somit für eine Verschiebung des Schwerpunktes nach hinten. Konsequenz: Die Hinterreifen werden dadurch noch stärker rangenommen. Auf die Pneus an der Hinterachse kommen wegen der neuen Aerodynamik und der Umstellung auf Slicks ohnehin schon höhere Belastungen zu.
"Uns war von vornherein klar, dass sich die Tendenz auch ohne KERS schon in Richtung Übersteuern verschiebt", schilderte Vasselon. "In einem solchen Fall wird die Abnutzung hinten im Verlauf eines Longruns immer schlimmer. Es war also unsere Aufgabe, genau dies sofort zu verhindern." Allem Anschein nach hat Toyota diese Aufgabe recht gut bewältigt. Augenzeugen berichteten, dass die Hinterreifen am TF109 beim jüngsten Test deutlich weniger litten als jene der Konkurrenz.

© xpb.cc
Toyota-Technikchef Pascal Vasselon steht KERS skeptisch gegenüber Zoom
Die Japaner haben jedoch ein ganz anderes Problem: Die selbst entwickelten Batterien werden unter dem Tank platziert und erzeugen hohe Temperaturen. Ein neuer Kühlkreislauf muss die Betriebswerte innerhalb bestimmter Grenzen halten. Ein solches Kühlsystem hat wiederum nicht nur mehr Gewicht, sondern auch Probleme beim Einbau zur Folge. KERS scheint eine ganze Reihe von Kompromissen zu verlangen. Immerhin spürt man beim Aufladen des Systems sogar eine veränderte Bremsstabilität.
"Andere Teams, wie zum Beispiel BMW, arbeiten mit Luftkühlung", berichtete der Toyota-Technikchef. "Bei uns dürfte so etwas nicht funktionieren. Außerdem hat eine Luftkühlung gleich wieder massive Auswirkungen auf das gesamte Fahrzeugkonzept. So etwas muss beim Bau des Chassis bedacht werden und es wirkt auf den gesamten Luftfluss am Auto. Wir halten uns aber auch in diesem Bereich noch mehrere Optionen offen."
Fazit: Die KERS-Gleichung beinhaltet - zumindest bei Toyota - noch die Unbekannten Zuverlässigkeit, Performance, Gewichtsverteilung, Reifenverschleiß, Bremstabilität und Kühlung. Angesichts der wenigen Testtage bis zum Saisonstart wird man kaum zur ultimativen Lösung gelangen. Anschließend wird es aufgrund des Testverbots nicht gerade leichter, ein solches System zur Rennreife zu bringen. "Unser KERS funktioniert, aber es bringt bisher keine Vorteile", fasste Vasselon abschließend zusammen.

