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  • 24.05.2002 15:22

  • von Reinhart Linke

Warum Fitness in der Formel 1 so wichtig ist

Sato, Heidfeld, Montoya, Barrichello, Villeneuve und Sauber-Petronas-Physiotherapeut Leberer über die Fitness in der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Die Fitness der Formel-1-Rennfahrer ist heute so wichtig wie noch nie in der Königsklasse des Motorsports. Meist jeden zweiten Sonntag müssen die 22 Fahrer 90 Minuten lang Höchstleistungen zeigen. "Wenn man auf einer Zwei- oder Dreistoppstrategie unterwegs ist, fährt man im ganzen Rennen, eineinhalb Stunden lang volles Rohr, also muss man sehr fit sein", hat Takuma Sato schon festgestellt, der erst in Melbourne beim Grand Prix von Australien sein Debüt in der Formel 1 gab.

Titel-Bild zur News: Alex Yoong (Minardi-Asiatech)

Minardi-Asiatech-Fahrer Alexander Yoong beim Training in Malaysia

Besonders für die neuen, jungen Fahrer ist die Belastung groß, was auch der 25-Jährige festgestellt hat. "Die Formel 1 hat eine unglaublich hohe Geschwindigkeit, vor allem in den Kurven", weiß der Japaner. "Dort treten häufig in den schnellen Ecken über 4 g auf, was unglaublich viel ist."

Formel-1-Neulinge müssen hart trainieren

Die Physiotherapeuten der Teams haben so vor allem mit den Debütanten viel Arbeit zu tun. In diesem Jahr gab neben dem Jordan-Honda-Fahrer auch Mark Webber (Minardi-Asiatech), Allan McNish (Toyota) sowie Sauber-Petronas-Fahrer Felipe Massa sein Formel-1-Debüt. Für den Brasilianer war im Schweizer Team Josef Leberer zuständig. Der Physiotherapeut, der bis zum Tod Ayrton Sennas mit dem dreifachen Formel-1-Weltmeister zusammengearbeitet hatte, sah Ende 2001, als klar wurde, Felipe Massa fährt 2002 bei Sauber-Petronas Formel 1, eine schwierige Aufgabe vor sich.

"Im Prinzip eine fast unmögliche Aufgabe", hielt es der Österreicher fast für unmöglich, den damals noch 20 Jahre jungen Brasilianer für die Königsklasse des Motorsports fit zu machen. Denn die "Belastungen sind enorm", so Josef Leberer gegenüber der 'Credit Swiss'. "In einzelnen Kurven muss der Fahrer rund das vierfache Gewicht des Körpers aushalten. Arme, Schultern, Beine, aber auch die Rumpfpartie ist dauernd in Bewegung. Dazu kommt die Hitze, bei Regen die Nässe. Und natürlich der mentale Stress, die Konzentration. Ohne Ausdauer verliert der Fahrer an Lockerheit, und damit auch wertvolle Zehntelsekunden."

Sato: Die Fitness hilft auch bei einem Unfall

Auch bei Unfällen profitieren die Fahrer von ihrer guten Fitness, wie "Taku" Sato beim Grand Prix von Österreich am eigenen Leib erfuhr: "Wenn man solch einen schweren Unfall wie ich vor zwei Wochen hat, hilft es sofort, wenn man fit ist, weil man den Crash dann sehr gut übersteht. Außerdem findet der nächste Grand Prix ja schon in zwei Wochen wieder statt."

Josef Leberer betont, dass die Fahrer für ihre Fitness vor allem selbst verantwortlich sind. "Formel-1-Rennfahrer sind ungewöhnlich ehrgeizig und professionell", so der Physiotherapeut des Schweizer Formel-1-Teams. "Die braucht man nicht mehr zu motivieren."

Denn die Fahrer haben längst erkannt, wie wichtig Fitness ist. "In der heutigen Formel 1 ist es wirklich eine Notwendigkeit, richtig fit zu sein", weiß Nick Heidfeld. "Wenn du dir alle Fahrer anschaust sieht man, dass sie wirklich alle richtig fit sind." Und Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve fügt hinzu: "Man benötigt definitiv körperliches Training, aber man muss auch mental fit sein, weil die Rennen lang sind, es eine Menge Druck gibt und du musst mental über dich hinausgehen können, was sehr wichtig ist."

In Monaco bleibt kaum Zeit zum Entspannen

Auf mentale Fitness kommt es vor allem in Monte Carlo an, wo am Sonntag der Grand Prix von Monaco ausgetragen wird. Zwar liegen die G-Kräfte auf der engen 3,370 Kilometer langen Strecke im Fürstentum maximal bei 3,2 g (in der 'Massanet'-Kurve) und das Rennen wird auch nur über eine Distanz von 262,860 Kilometern statt wie sonst über 310 Kilometer ausgetragen, dafür haben die Fahrer praktisch nie Zeit zum Entspannen.

"In Monaco ist es ziemlich schwierig, weil man nicht viel Zeit zum Entspannen hat", bestätigt der 25-jährige Nick Heidfeld. "Malaysia ist wegen der hohen Temperaturen sehr hart, aber wenn man sich dann Österreich anschaut, ist es sehr einfach." Dort haben die Fahrer gleich drei lange Geraden, auf denen sie sich für ein paar Sekunden erholen können.

Alle Fahrer in der Formel 1 trainieren heute regelmäßig, bereiten sich aber unterschiedlich auf die 17 Rennen vor. "Manchmal fahre ich Fahrrad", verrät BMW-Williams-Fahrer Juan-Pablo Montoya. "Ich habe auch ein Ergometer, womit ich viel Zeit verbringe. Ich bin mit meiner Fitness wirklich zufrieden. Ich kann alle Rennen durchfahren und die ganze Zeit attackieren, ich habe keine Probleme."

Barrichello: "Testfahrten sind das beste Training"

Rubens Barrichello hält hingegen das Fahren im Formel-1-Auto für die beste Vorbereitung. "Ich denke, die beste Übung ist, mit dem Auto auf der Strecke zu fahren", so der seit Donnerstag 30 Jahre alte Brasilianer. "Und die Fahrer bei Ferrari führen eine Menge Tests durch. Aber ich laufe auch gerne, was ich vermutlich seit dem tue, seit ich Ayrton in Japan traf. Er fragte mich, ob wir ein wenig laufen gehen sollen und dann legten wir 15 Kilometer zurück. Danach war ich tot! Damals dachte ich mir, dass es besser ist, wenn ich besser vorbereitet bin, wenn er mich noch einmal fragt. Also laufe ich seit dem eine Menge."

Unterdessen findet Jacques Villeneuve, dass die Formel 1 heute einfacher geworden ist. "Seit in der Formel 1 die Slicks (profillose Trockenreifen; d. Red.) verboten sind, ist es körperlich weniger anstrengend, wie man an den ganzen jungen Fahrern sehen kann, die nach einem Grand Prix einfach aus ihrem Auto aussteigen, ohne wirklich müde zu sein", findet der 31-Jährige Kanadier, der seit 1996 in der Formel 1 ist und daher zwei Jahre lang mit Slicks um Siege kämpfen konnte. "Die Formel 1 ist viel einfacher geworden, aber am Ende des Tages ist es nicht gut, wenn man wie eine Leiche aus dem Auto aussteigt, weil man dann am Ende nicht mehr so stark fahren konnte."

Der elffache Grand-Prix-Sieger glaubt, dass sich jeder Rennfahrer in einem richtigen Rennen anstrengen muss und an seine Grenzen gehen muss. "Selbst der beste Fahrer wird am Ende eines richtigen Rennens müde sein und verschwitzt aussehen", so der BAR-Honda-Fahrer. Jacques Villeneuve findet aber gleichzeitig auch, dass es einfacher ist, ein Auto eines Top-Teams zu fahren als in einem kleineren Team um die Plätze weiter hinten im Feld zu kämpfen. "Es ist einfacher, ein Topauto zu fahren", so der 13-fache Pole-Setter. "Am Ende des Feldes ist es viel schwieriger und wesentlich anstrengender."