• 28.04.2011 18:07

  • von Peter Szczecinski

Warum die Formel 1 ein stärkeres KERS braucht

Jonathan Eddolls, Dateningenieur bei Williams, spricht über die Besonderheiten des Hybridsystems KERS und erklärt die Komplexität des Systems

(Motorsport-Total.com) - Das kinetische Energie-Rückgewinnungs-System KERS sorgt zurzeit für eine Menge Gesprächsstoff in der Formel 1. Die Technologie stellt dem Fahrer für knapp 6,7 Sekunden pro Runde 80 zusätzliche PS zur Verfügung, indem es die Bremsenergie speichert und auf Knopfdruck wieder abgibt. Nachdem 2010 sämtliche Teams darauf verzichtet hatten, wurde KERS in dieser Saison wiedereingeführt, um zusammen mit dem verstellbaren Heckflügel (Drag-Reduction-System oder kurz: DRS) für mehr Überholmanöver zu sorgen.

Titel-Bild zur News: KERS

Bei seiner Einführung 2009 setzten nur vier Teams - McLaren, Ferrari, Renault und Sauber - das KER-System ein, die anderen verzichteten darauf, weil es einen enormen Gewichtsnachteil mit sich brachte. Die damals dominierenden Rennställe Brawn und Red Bull hatten KERS zu keiner Zeit in ihren Fahrzeugen. Vor dieser Saison wurde das Mindestgewicht der Formel-1-Autos um 20 Kilogramm erhöht, wodurch mehr Spielraum für die Designer und Ingenieure der Rennboliden entstand, um das Hybridsystem in die Rennwagen zu integrieren.

Bis auf die kleinen Teams Lotus, HRT und Marussia-Virgin ist KERS in dieser Saison in sämtlichen Autos an Bord. Zu ihnen gehört auch Williams, das sein System als einziger Rennstall im eigenen Unternehmen baut. Jonathan Eddolls, Dateningenieur von Rubens Barrichello bei Williams, spricht über den Einsatz von KERS in diesem Jahr.

"Die Anhebung des Mindestgewichts hilft uns sehr. Bereits 2009 haben wir die Technologie getestet, aber wir kamen nie auf den Level, das uns einen Einsatz ermöglicht hätte", erklärt Eddolls. "Seitdem das Nachtankverbot besteht, haben wir größere Tanks und dadurch noch weniger Platz für KERS, aber irgendwie haben wir es geschafft, es ins Auto einzubauen. Durch den größeren Radstand ist zusätzlicher Stauraum entstanden."

Software optimiert den KERS-Einsatz
Die Aufgabe von Ingenieuren wie Eddolls liegt darin, herauszufinden, wo der Einsatz von KERS am meisten Sinn macht. Dabei greift Williams auf eine Simulationssoftware zurück. "Unsere Simulation ermittelt, wo und für wie lange man auf den verschiedenen Strecken am meisten aus KERS herausholt", sagt er.

"Das System hilft dir dabei, den Topspeed schneller zu erreichen. Also nutzen wir es ausgangs von langsamen Kurven, auf die lange Geraden folgen. Am Ende einer Geraden macht der Einsatz keinen Sinn mehr, weil man dort die Höchstgeschwindigkeit bereits erreicht hat."

Wie bereits 2009 kommt der Hybridantrieb in dieser Saison zusammen mit einem verstellbaren Flügel zum Einsatz. In dieser Saison kann man den Heckflügel flacher stellen, während vor zwei Jahren nur der Frontflügel verstellt werden konnte. Eddolls sieht das DRS als entscheidenden Faktor an, ob ein Überholmanöver gelingt oder nicht, wobei KERS ebenso eine Rolle spielen kann.

DRS ist effektiver als KERS
"In Bezug auf die Höchstgeschwindigkeit ist KERS nicht so effektiv wie der verstellbare Heckflügel. An den ersten Rennwochenenden haben wir gesehen, dass die Teams in den Trainingseinheiten und im Qualifying das DRS fast nach jeder Kurve einsetzen. Im Vergleich zum Rennen, wo man den Heckflügel nur einmal pro Runde in der Überholzone benutzen darf, macht das einen großen Unterschied aus."

"Der Entscheidung des Fahrers, ob er KERS betätigt oder nicht, hängt davon ab, was im Rennen um ihn herum passiert", erklärt der Dateningenieur. "Wenn man es zur Verteidigung nutzt, verbraucht man es normalerweise auf einmal, wodurch man aber Zeit verliert. Solange man aber das andere Auto hinter sich lassen kann, ist es in Ordnung."

Das Hybridsystem hat aber nicht nur Vorteile. Der Fahrer muss seine Fahrweise anpassen, wenn er in einem Boliden mit KERS unterwegs ist - vorwiegend um beim Bremsen die Akkus des Systems zu laden. "Unsere Einheit lädt sich in jeder einzelnen Kurve auf, somit bleibt das Gefühl für den Fahrer immer gleich", erläutert Eddolls. "Das Schlimmste wäre, wenn sich das System in der einen Kurve aufladen würde und in der nächsten nicht. Die Bremsbalance würde sich in diesem Fall sehr stark verändern."

Schwungrad als Alternative zur Batterie
Williams Hybrid Power, die Tochterfirma des Formel-1-Teams, arbeitet unterdessen weiter an der Entwicklung eines kinetischen Energie-Rückgewinnungs-Systems auf Basis eines Schwungrads. Ein Schwungrad kann Energie im Vergleich zur Batterie effizienter speichern und freisetzen. Nachdem diese innovative Technologie bereits in Porsche-GT3-R-Fahrzeugen erfolgreich im Motorsport eingesetzt wurde, arbeitet das Team daran, die Schwungrad-Variante in Zukunft auch in seinen Formel-1-Boliden einsetzen zu können.

"KERS auf Basis des Schwungrads ist ein kinetisches Speichergerät, während das Batteriesystem die Energie elektrisch speichert. Bei der Batterie geht der Ladezustand hoch und runter, was uneffizient ist. Allerdings hat es keine beweglichen Teile und ist viel einfacher zu verstauen", erklärt Eddolls.

"Das Schwungrad hat dagegen eine vordefinierte Größe und kommt auf hohe Drehzahlen. Es ist dementsprechend eine große technische Herausforderung, es zum Arbeiten zu bringen. Vor allem in einem Formel-1-Auto, wo große Beschleunigungskräfte auf das System einwirken."

¿pbvin|512|1419|KERS|0|1pb¿"Solange die Voraussetzungen in der Formel 1 ein batteriebetriebenes KERS attraktiver machen, werden wir das Schwungrad nicht einsetzen, weil wir darüber hinaus auch ein neues Chassis benötigen würden", sagt der Williams-Ingenieur. Ein stärkeres KER-System wird eine tragende Rolle im neuen Motorenreglement ab 2013 spielen. Eddolls begrüßt diese Regeländerung und wünscht sich für die Zukunft eine Lösung, die schneller auf Serienautos übertragen werden kann.

"Es macht Sinn, die Kapazität des Systems zu vergrößern, da es zurzeit gerade einmal 0,25 Sekunden pro Runde bringt. Dagegen brachte der verstellbare Heckflügel, der viel einfacher und günstiger eingebaut werden kann, in Melbourne sieben Zehntel. Der geringe Nutzen im Vergleich zum großen Aufwand ist der gegenwärtige Nachteil von KERS. Hätten wir die dreifache Leistung, würden es mehr Leute nutzen wollen. Im Moment ist die Technologie zu sehr auf die Formel 1 ausgerichtet. Wir brauchen ein System, das näher an den Straßenfahrzeugen ist, damit es auch für die Leute da draußen interessant ist."

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