Von Obergrenzen, Einheitsbrei und harter Arbeit
Ron Dennis, Norbert Haug, Patrick Head und Mario Theissen sprechen über die sportpolitischen Themen, die im Moment die Formel 1 bewegen
(Motorsport-Total.com) - Die Kosten in der Formel 1, darauf haben sich FIA-Präsident Max Mosley und die Repräsentanten der Formula One Teams Association (FOTA), Luca di Montezemolo und John Howett, gestern in Genf geeinigt, müssen gesenkt werden. Aber wie? "Wir wünschen uns eine Kostenreduktion ohne massive technische Einschnitte", sagt beispielsweise Williams-Teilhaber Patrick Head.

© xpb.cc
Die Teams treten gemeinsam auf, um ihre Ziele durchsetzen zu können
Dieser Satz mag naiv klingen, denn weniger Geld ausgeben für das gleiche Spiel, das wird nicht passieren. Gestern wurden Übergangsmaßnahmen beschlossen: Motoren, die drei statt zwei Rennwochenenden halten müssen, billigere Kundenmotoren für die unabhängigen Teams, Standardisierung mancher Komponenten. Doch früher haben es die Ingenieure immer wieder geschafft, das Geld für etwas anderes auszugeben, wenn ihnen ein Bereich weggenommen wurde.#w1#
Es liegt in der Natur der Sache...
"Wenn man sehr kompetenten Menschen viel Geld gibt, um Autos schneller zu machen, dann werden sie das schaffen. Das ist schließlich ihr Job", nickt Head. "Wir wollen fairen Wettbewerb, wir wollen, dass die Fahrer ihr Können zeigen können, wir wollen, dass Ingenieure ihre Kompetenz unter Beweis stellen können. Da die richtige Balance zu finden, ist sehr schwierig, und ich behaupte nicht, dass ich ein Patentrezept dafür habe."
Das scheint im Moment niemand zu haben. Mosley wünscht sich den Einheitsmotor, aber gegen den laufen die Hersteller naturgemäß Sturm. Können Sie sich vorstellen, dass Ferrari 2010 Weltmeister wird - und auf dem Motor "powered by Mercedes-Benz" steht? Selbst wenn eine dritte, nicht in der Formel 1 aktive Firma die Motoren entwickeln würde: Ein Einheitsmotor nimmt den Herstellern eine Möglichkeit weg, ihre Kompetenz unter Beweis zu stellen.
McLaren-Mercedes-Teamchef Ron Dennis ist "sehr enttäuscht" über die Initiative des Einheitsmotors. Die Teams und Hersteller seien nun mal das Rückgrat der Formel 1, deshalb müsse man auch deren Wünsche berücksichtigen. In Form der FOTA haben sie sich erstmals zusammengeschlossen, um ihre Interessen gemeinsam zu vertreten, und es wird ihnen wohl gelingen, den Einheitsmotor zu verhindern. Oder doch nicht?
"Ich glaube, Max ist die Sache ernst", so Head. "In all den Jahren, in denen er sich nun schon mit den Teams und Herstellern herumschlägt, hat er die Ansicht entwickelt, dass jede Änderung wehtun muss. Denn wenn du ihnen sagst, dass die Kosten reduziert werden müssen, dass sich etwas ändern muss, dann will sich niemand ändern. Das ist das Problem." Der Brite glaubt auch nicht, dass Mosley den Einheitsmotor nur als radikale Verhandlungsbasis in den Raum stellt.
Vielmehr stecke jetzt mehr dahinter: "In der Vergangenheit war das oft Max' Verhandlungstaktik, aber ich glaube, dass es ihm diesmal ernst ist", sagt der Williams-Teilhaber. Mosley stehe in regelmäßigem Kontakt mit Vorständen der Hersteller und Mitarbeitern der unabhängigen Teams: "All diese Leute sagen ihm, dass die derzeitigen Kosten in der Formel 1 nicht leistbar sind. Daher vertritt er die Ansicht, dass sich einige Teams zurückziehen werden, wenn alles so bleibt, wie es heute ist."
Die magische Grenze von 20 Autos
Und das gilt es zu verhindern, denn mit einem weiteren Rückzug eines Rennstalls würde das Starterfeld unter die magische Grenze von 20 Autos fallen. Es ist jedoch ein schmaler Grat, wenn die Kosten vor allem im Motorenbereich eingedämmt werden sollen, denn marginale Anpassungen werden die unabhängigen Teams nicht von ihren Sorgen befreien und massive Einschnitte werden sich die Hersteller nicht gefallen lassen. Aber es spricht auch etwas für den Einheitsmotor.
Head: "Ein Vorstand eines Automobilherstellers liest in der Zeitung, dass der Ferrari-Motor besser ist als der Renault-Motor, weil Toro Rosso schneller ist als Red Bull, und er liest, dass die FIA den Motor als Performancefaktor nivellieren will. Er weiß, dass sein Unternehmen 150 bis 200 Millionen Euro pro Jahr in einen Motor investiert, der keinen Leistungsvorteil bringt und bringen darf. Dann wird er sich vielleicht auch denken, es wäre schon, diese Summe zu reduzieren."
Denn wozu einen Haufen Geld dafür ausgeben, dass man am Ende doch nur gleich gut sein darf wie alle anderen? So geschehen bei der aktuellen Homologierung: Einige Motoren sollen weniger Leistung entwickeln, nun dürfen sie den besten Motoren angeglichen werden. Aber es bleibt beim Grundsatzproblem: "Wenn du als Vorstand gefragt wirst, ob du einen Motor eines anderen Herstellers einsetzen willst, was sollst du dann antworten? Natürlich muss dazu ein Nein kommen", betont Head.
Teams und Hersteller wünschen sich lieber weiterhin möglichst viele Freiheiten, um ihre technische Kompetenz unter Beweis stellen zu können, gleichzeitig wissen sie aber, dass die Kosten reduziert werden müssen. Das schreit eigentlich nach einer einheitlichen Budgetobergrenze, denn: Innerhalb eines vordefinierten Rahmens finanzieller Mittel dürfte dann jeder den festgelegten Geldbetrag so einsetzen, wie es ihm am sinnvollsten erscheint.
Eine schöne Idee, aber auch eine schwierig durchführbare. Die Budgetobergrenze lag schon auf dem Tisch von FIA-Mann Tony Purnell, doch der fand mit seinen Leuten kein ausreichendes Konzept zur Überwachung der Einhaltung. Daher wurde dieser Ansatz nach recht intensiven Diskussionen am Jahresanfang wieder verworfen - obwohl es für BMW Motorsport Direktor Mario Theissen und einige andere Herren ein Wunschszenario wäre.
Budgetobergrenze: Vor- und Nachteile
"Über dieses Thema würde ich schon gerne noch einmal reden", meint Theissen zur Budgetobergrenze. "Ich glaube durchaus, dass das Thema kontrollierbar ist. Auf den letzten Euro geht das sicherlich nicht, aber im Rahmen von fünf bis zehn Prozent schon. Es ist nicht einfach, das stimmt, aber wir müssen irgendetwas tun. Meiner Meinung nach ist dieser Ansatz vernünftiger, als irgendwelche Dinge zu reglementieren."
Das große Problem der schönen Idee: Selbst wenn die FIA wie ursprünglich angedacht Aufsichtspersonen in die Buchhaltungen der Teams integriert, können die Teams einzelne Ausgaben immer noch auslagern - etwa über Kanäle des Mutterkonzerns. Übertrieben formuliert: Wie soll ein FIA-Mann in Hinwil feststellen, ob der Konzern BMW gerade auf einer Karibikinsel einen neuen Windkanal baut, um dort das Formel-1-Auto feinzutunen?

© xpb.cc
"Wir sind die Mafia": Ecclestone und Mosley wollen ihre Ideen durchsetzen Zoom
Und es gibt noch einen entscheidenden Stolperstein: Die aktuellen zehn Formel-1-Teams haben Niederlassungen in mindestens sechs verschiedenen Ländern und unterliegen somit auch sechs verschiedenen Gesetzgebern. Dennis: "Wenn wir alle im gleichen Legislaturbereich angesiedelt wären, sagen wir in den USA, dann würde es vielleicht gehen. Das ist aber nicht der Fall. Zu glauben, man kann eine Budgetobergrenze überwachen, ist unrealistisch."
Denn zusätzlich zu den Legislaturunterschieden kommen auch noch verschiedene Sprachen in den verschiedenen Ländern hinzu, die es sehr schwierig machen, eine einheitliche Formulierung zu finden. Doch im Gegensatz zu Theissen findet Dennis ohnehin, dass eine Budgetobergrenze nicht der richtige Weg ist, um die Formel 1 auch für die Kleinen wieder leistbar zu machen. Er differenziert zwischen "costs of competing" und "costs of being competitive".
"Die Kosten für das Teilnehmen und die Kosten dafür, konkurrenzfähig zu sein, stehen in einem Verhältnis von 1:3. Das überschüssige Fett in den minimalen 100 Millionen ist sehr klein. Was sagt eine Budgetobergrenze also wirklich aus? Wir wollen dein Budget kürzen, damit du weniger konkurrenzfähig bist! Die Budgetobergrenze reduziert aber nicht die Kosten für die Teilnahme! Konkurrenzfähig zu sein wird immer mehr Kosten als nur teilzunehmen", erläutert Dennis.
Seitenhieb auf die Milliardäre
Außerdem ärgert es ihn, wenn Milliardäre neu in die Formel 1 einsteigen und über die hohen Kosten jammern, denn: "Als ich McLaren Anfang der 80er übernommen habe, waren wir nirgendwo. Die Firma war fast pleite und wir hatten keinerlei Perspektive, eine Weltmeisterschaft zu gewinnen. Da musst du dir eben deinen Weg herausarbeiten. Wir haben verdammt hart gearbeitet. Das erfordert Kompetenz, Wissen, Expertise, Leidenschaft und die Fähigkeit, Menschen zu überzeugen."
"Das braucht eben seine Zeit. Wenn Leute neu in die Formel 1 kommen, einen Scheck unterschreiben, der nur die Kosten für die Teilnahme abdeckt, und erwarten, in ein, zwei oder drei Jahren konkurrenzfähig zu sein, dann sage ich denen: Vergesst es! So läuft es nicht - nicht im Sport, nicht im Business, nicht im echten Leben", übt der "Mister McLaren" unterschwellig Kritik an den Konsorten Dietrich Mateschitz, Vijay Mallya und Co.
Überhaupt sehen die Silberpfeile - wie übrigens auch BMW - das Kostenthema etwas entspannter als andere. Denn für die, die erfolgreich sind, rechnet sich die Formel 1 schon jetzt. Das belegen Studien, die im Auftrag der großen Sponsoren Jahr für Jahr angestellt werden, schließlich pumpen Weltunternehmen wie der Mobilfunkanbieter Vodafone keine Millionen in ein Engagement, wenn sie nicht wissen, was es ihnen wirklich bringt.
Und das ist eine Menge: "Vodafone ist der meistgesehene Sponsor der Formel 1", unterstreicht Mercedes-Sportchef Norbert Haug, der auch mit einem weiteren Vorurteil, das mancherorts gepusht wird, aufräumt: "Die Formel 1 ist definitiv keine Geldverbrennungsmaschine. Wenn uns TV-Spots oder andere Werbeformen mehr bringen würden, dann würden wir es tun. Wir wollen also Geld sparen, aber wir wollen, dass die Formel 1 die Königsklasse des Motorsports bleibt."
Ein bisschen sauer stoßen auch dem Deutschen die neuesten Vorschläge der FIA hinsichtlich des Einheitsmotors auf, schließlich wurde das Motorenformat in den vergangenen Jahren mehrfach geändert: vom V10 auf den V8, mit Drehzahlbegrenzung, dann die Homologierung und vor allem die Langlebigkeit für mehrere Rennwochenenden. Haug: "Jede Veränderung kostet Geld. Daher sollten wir uns die nächsten Schritte sehr gut überlegen."
... und dann doch wieder eine Piratenserie?
Sollten es Schritte wie der Einheitsmotor sein, mit denen die Hersteller nicht leben können (wovon nach dem Meeting in Genf nicht auszugehen ist), dann könnten BMW und Co. ja wieder einmal ihre Säbel in die Hand nehmen und im Takt einer Piratenserie rasseln. "Das war in den vergangenen Jahren einige Male der Fall", erinnert sich Head. "Im Detail wird es aber dann kompliziert, denn die FIA ist zuständig für die Sicherheit auf nahezu allen Rennstrecken der Welt."
Und weiter: "Die FIA hat seit Imola 1994 eine ganze Reihe von Sicherheitsmaßnahmen und Crashtests für Formel-1- und andere Autos eingeführt. Ich frage mich: Wie einfach wäre es für die Hersteller, in eine Formel-1-Meisterschaft einzutreten, die nicht von der FIA sanktioniert wird, aber gleichzeitig weiterhin an anderen Rennserien, zum Beispiel Tourenwagenmeisterschaften, teilzunehmen, die sehr wohl weiterhin von der FIA sanktioniert werden?"
"Außerdem besitzt Bernie die TV-Verträge für viele Jahre. Die meisten Strecken sind an Bernie und die FIA gebunden. Ich glaube auch, dass Bernie und Max jetzt wieder die starke Beziehung zueinander haben, wie das früher der Fall war. Ich sage nicht, dass es ohne die beiden nicht geht, denn die in der Formel 1 involvierten Hersteller sind zum Teil sehr mächtig, aber es wäre ein sehr komplexes Unterfangen", analysiert der Partner von Frank Williams.
Derzeit sieht es nicht so aus, als würde es zur neuerlichen Androhung einer Piratenserie kommen, schließlich ziehen die Teams erstmals seit vielen Jahren an einem Strang. Die Teamchefs haben aus ihren Fehlern der Vergangenheit gelernt, als Mosley und Ecclestone ihre Uneinigkeit dazu nutzten, um ihre eigenen Ideen kompromisslos durchzusetzen. Das geht jetzt nicht mehr. Selbst wenn ein Team gegen eine FOTA-Idee sein sollte, ordnet es sich unter. Die Tage des Vetorechts sind vorbei.
"Die Tatsache, dass wir einen einheitlichen Beschluss haben, der vom größten bis zum kleinsten Team getragen wird, ist sicherlich eine Novität. Wir haben uns vorher darauf verständigt, dass es jeder mitträgt, wenn wir 70 Prozent Ja-Stimmen haben", erklärt Theissen. Mit dem FOTA-Mandat in Händen wurden di Montezemolo und Howett gestern nach Genf geschickt - und konnten gegenüber Mosley eine einheitliche Position der Teams vertreten...

