Vasselon erklärt den verstellbaren Heckflügel

Pascal Vasselon erläutert das Prinzip des in dieser Saison erstmalig zum Einsatz kommenden, vom Cockpit aus verstellbaren, Heckflügels

(Motorsport-Total.com) - Wenngleich Toyota seit dem Formel-1-Ausstieg Ende 2009 nicht mehr aktiv als Hersteller in der Königsklasse vertreten ist, so macht man sich im Hauptquartier des Teams in Köln-Marsdorf weiterhin Gedanken zu den aktuellen Entwicklungen. Der Technische Direktor Pascal Vasselon, unter dessen Leitung die Toyota-Ingenieure derzeit mehreren Teams beratend zu Seite stehen, hat sich die Zeit genommen, den neuen verstellbaren Heckflügel im Detail zu erklären.

Titel-Bild zur News: Pascal Vasselon (Chefdesigner)

Pascal Vasselon blickt mit wachsamen Augen auf die akutellen Entwicklungen

Vasselon beginnt seine Ausführungen mit einer Erläuterung, warum das Überholen in der Formel 1 heutzutage so schwierig ist: "Jeder Rennwagen erzeugt beim Fahren Luftturbulenzen. Ein Wagen, der einem anderen unmittelbar folgt, verliert durch das dichte Auffahren und damit den Eintritt in diese Turbulenzen einen Großteil an Effizienz", erklärt der Franzose gegenüber 'Auto123.com' und bedient sich dabei eines Vergleichs aus dem Wassersport.

"Wenn ein Jetski einem anderen unmittelbar folgt, wird der hintere ineffizient und damit schwieriger zu steuern, weil ihm gewissermaßen das Wasser ausgeht. Das Gleiche passiert in Formel 1, nur mit Luft anstelle von Wasser", veranschaulicht der Toyota-Cheftechniker.

Dieses Problem ist innerhalb der Formel 1 hinlänglich bekannt und so beschäftigt sich die "Arbeitsgruppe Überholen" der FOTA seit einiger Zeit intensiv mit möglichen Lösungsvarianten. Grundsätzlich gibt es zwei Ansätze, so Vasselon: "Entweder man erhöht kurzfristig die Motorleistung oder man reduziert den Luftwiderstand, um damit mehr Topspeed generieren zu können. Für 2011 hat man sich für Letzteres entschieden."

"Die FOTA hat sich für die Variante entschieden, den Luftwiderstand zu reduzieren." Pascal Vasselon

Der Heckflügel eines Formel-1-Boliden erzeugt nicht nur eine Menge Abtrieb, sondern auch enorme Turbulenzen. Genau hier kommt der verstellbare Flügel ins Spiel, der sich mittels Knopfdruck dahingehend verändern lässt, dass der Abstand zwischen zwei Flügelelementen vergrößert wird. Auf diese Weise werden sowohl Luftwiderstand als auch Abtrieb reduziert.

Das genaue Funktionsprinzip sieht dabei wie folgt aus: "Durch Betätigung des Knopfs im Cockpit wird der vordere Teil des oberen Flügelblatts angehoben. Dadurch teilt sich der Luftstrom und bewirkt damit bezogen auf den gesamten Flügel eine Reduktion des Widerstands. Die Folge davon ist eine Erhöhung der Endgeschwindigkeit um 7 bis 13 km/h", weiß Vasselon.

"Der verstellbare Heckflügel bewirkt eine 7 bis 13 km/h höhrere Endgeschwindigkeit." Pascal Vasselon

Gemäß der neuen Regeln ist das System im Verlauf eines Rennens allerdings nicht uneingeschränkt nutzbar. Der Fahrer hat erst dann die Möglichkeit zur Aktivierung, wenn er einem vorausfahrenden Fahrzeug mit weniger als einer Sekunde Abstand folgt. Dieser Zustand wird mittels einer Kontrolllampe im Cockpit automatisch signalisiert. Während des Trainings sowie des Qualifyings hingegen ist es den Fahrern erlaubt, das System jederzeit zu nutzen.

Die derzeitigen technischen Vorgaben den Heckflügel betreffend sehen einen Mindestabstand von 10 Millimetern zwischen den beiden Flügelelementen vor. Wird das neue System zur Verstellung des Flügels aktiviert, erhöht sich der Abstand auf 50 Millimeter. Dieser Wert bleibt solange erhalten, bis der Fahrer entweder das nächste Mal die Bremse betätigt oder aber den nächsten Messpunkt durchfahren hat, nachdem der Überholvorgang abgeschlossen wurde. Von diesem Moment an steht dem nunmehr hinterherfahrenden Piloten die Möglichkeit zur Aktivierung des Systems offen.

Laut Vasselon liegt der Charme der neuen Errungenschaft darin, dass sich der Aktivierungszeitraum - falls notwendig - jederzeit leicht anpassen lässt. Während der ersten Rennen der kommenden Saison behält sich die FIA vor, die Konfiguration dahingehend zu ändern, dass Überholen noch einfacher bzw. wieder schwieriger zu gestalten, indem die zeitliche Variable, ab wann der Fahrer den Knopf betätigen darf, entsprechend verändert wird.

"Das neue System lässt sich jederzeit leicht anpassen." Pascal Vasselon

Der Verdacht, wonach eine im Qualifying herausgefahrene Pole Position durch den verstellbaren Heckflügel ein Nachteil in der Startphase sein könnte, wird durch einen weiteren Passus im Regelwerk entkräftet. Während der ersten zwei Runden eines Grand Prix steht das System keinem der Fahrer zur Verfügung, unabhängig vom Abstand zum Vordermann. Gleiches gilt für die ersten beiden Runden im Anschluss an eine Safetycarphase. Erst mit Beginn der dritten Runde im Renntempo setzt die Messung und damit die Möglichkeit, das System zu nutzen, ein.