• 25.08.2009 16:16

Vasselon: "Ein magischer Ort"

Toyotas Technischer Direktor Pascal Vasselon im Interview über die Strecke von Spa-Francorchamps und das spezielle Flair dieses Kurses

(Motorsport-Total.com) - Spa-Francorchamps ist eine Ausnahmeerscheinung im Rennkalender der Formel 1. Geschichte und Gegenwart gehen auf der knapp sieben Kilometer langen Achterbahnfahrt durch die Ardennen Hand in Hand - und nicht selten sorgen Niederschläge für spannende und spektakuläre Rennen. Auch Toyotas Technischer Direktor Pascal Vasselon ist ein Fan von Spa, wie er im Interview erläutert.

Titel-Bild zur News: Pascal Vasselon (Chefdesigner)

Pascal Vasselon hält Spa-Francorchamps noch immer für einen großen Klassiker

Frage: "Pascal, was macht Spa so besonders?"
Pascal Vasselon: "Für die meisten Fahrer ist Spa die wahrscheinlich beste Strecke der Welt. Einzig Suzuka kommt diesem Kurs vielleicht noch nahe. Der Grund dafür ist schlicht und ergreifend, dass Spa eine der letzten Naturstrecken der Formel 1 ist. Das bedeutet, das Layout des Kurses ist nicht künstlich, sondern wird durch die Landschaft vorgegeben. Die Hügel und Wälder rund um die Strecke schaffen zudem eine wundervolle Atmosphäre."#w1#

"Der andere Grund ist, dass Spa eine Hochgeschwindigkeitsstrecke ist und die Zuschauer sind einfach fasziniert von diesem hohen Tempo. Abgesehen von Monaco, das eine Ausnahme der Regel darstellt, ist mir noch nie zu Ohren gekommen, dass ein Fahrer von einer langsamen Strecke begeistert war. Die Kombination dieser Faktoren macht Spa zu einem solch besonderen Ort."

Die Kurve der Formel 1 schlechthin: Eau Rouge

Frage: "Ist der Kurs auch nach den jüngsten Veränderungen noch immer magisch?"
Vasselon: "Die Rennstrecke von Spa hat eine lange Tradition und man könnte natürlich sagen, dass sie einen Teil ihrer Magie schon nach den großen Umbaumaßnahmen in den späten 1970er-Jahren eingebüßt hat."

"Damals wurde die Rennbahn - sie war ein langer Kurs wie die Nordschleife des Nürburgrings - auf das Layout zurechtgestutzt, wie wir es heute kennen. Diese ursprüngliche Kursvatiante wirkt total verrückt für uns, denn die Autos rasten damals mit Vollgas durch Ortschaften und die Sicherheitsstandards waren weit von den heutigen entfernt."

"Damals war es wirklich ein magischer Ort, doch das musste sich einfach ändern. Das gegenwärtige Spa-Layout wurde vor kurzem noch einmal leicht angepasst, aber das hat die Seele dieser Strecke nicht verändert. Die Anziehungskraft dieses Kurses wurde dadurch keineswegs vermindert."

"Die Anziehungskraft dieses Kurses wurde keineswegs vermindert." Pascal Vasselon

Frage: "Was sagst du zur Eau Rouge?"
Vasselon: "Das ist eine fantastische Kurve, den ihr Verlauf ändert sich wirklich in alle Richtungen. Du fährst erst nach links, dann nach rechts - und gleichzeitig hinunter und hoch. Diese Kombination macht die Eau Rouge wirklich einmalig."

"Allerdings muss ich gestehen, dass ein Teil ihrer Magie verlorenging, weil man diese Kurve nun problemlos mit Vollgas nehmen kann. Wir gehen fest davon aus, sie auch in diesem Jahr im Trockenen mit Bleifuß zu bewältigen - trotz der aerodynamischen Veränderungen vor dieser Saison. Das liegt größtenteils daran, dass die Slicks den Abtriebsverlust durch einen verbesserten Grip wettmachen."


Fotos: Toyota, Großer Preis von Europa


"Im Regen erhält die Eau Rouge ihre Magie aber wieder zurück. Einen Formel-1-Wagen im Nassen durch diese Kurve zu beobachten ist einfach unglaublich. Besonders eindrucksvoll wird dieses Erlebnis, wenn man schon andere Fahrzeuge bei ähnlichen Bedingungen dort hat fahren sehen. Formel-1-Boliden sind einfach um ein Vielfaches schneller."

Spa stellt die Motoren auf den Prüfstand

Frage: "Wie wichtig ist die Eau Rouge im Hinblick auf eine schnelle Runde? Ist sie überhaupt wichtig oder nur eine Kurve unter vielen?"
Vasselon: "Sie ist nun nicht mehr eine Passage, wo man eine Sekunde gewinnen oder verlieren kann, wie das noch in der Vergangenheit der Fall war, als sie noch nicht mit Vollgas durchfahren werden konnte."

"Eine Gerade in dem Sinne ist Eau Rouge nicht, aber weil man mit Bleifuß durch sie hindurchbrettert, wird sie als solche wahrgenommen. Auf jeden Fall muss man diese Kurve aber zu einem gewissen Grad in die Berechnung des Setups mit einbeziehen, denn man will ja ein Aufsetzen des Wagens verhindern. Insofern hat Eau Rouge also einen gewissen Einfluss."

"Wir designen ein Auto, sodass es die extremsten Belastungen aushält." Pascal Vasselon

Frage: "Welche Kräfte wirken in der Eau Rouge auf ein Fahrzeug?"
Vasselon: "Wir designen ein Auto, sodass es die extremsten Belastungen aushält. Die Eau Rouge ist dabei einer der Faktoren, denn dort wird die hohe vertikale Beschleunigung aufgrund der Kompression mit großen seitlichen Kräften kombiniert. Diese Werte werden von unseren Wagen nirgendwo sonst im Kalender übertroffen. Vor allem die Aufhängung wird so ausgelegt, dass sie den speziell mit den in der Eau Rouge auftretenden Kräften klarkommt."

Frage: "Wie sehr nimmt Spa die Motoren ran?"
Vasselon: "Spa ist schlichtweg der wichtigste Kurs des Jahres für die Motoen - sogar noch vielmehr als Monza. Das liegt daran, dass es in Spa neben den langen Geraden noch einige Hochgeschwindigkeitskurven gibt. In Monza hat man nur die langen Geradeauspassagen und langsame Schikanen. Daher planen wir damit, bei diesem Rennen für jedes Auto einen frischen Motor zu verwenden."

Frage: "Gibt es ein Element des Wagens, das in Spa nicht unter erheblicher Belastung steht?"
Vasselon: "Das Bremssystem wird unterdurchschnittlich belastet. Das ist aber der einzige Teil des Wagens, der nicht übermäßig stark rangenommen wird."

Toyota mit speziellen Aerodynamikpaket

Frage: "Welchen Faktor spielt das möglicherweise schlechte Wetter?"
Vasselon: "In Spa kann man sich durchaus in einer Situation wiederfinden, wo man ein Regensetup entwickeln muss. Das war zum Beispiel 2005 der Fall, als mit absoluter Wahrscheinlichkeit Regen für den Sonntag vorhergesagt war."

"Selbst wenn sich das Wetter in Spa von seiner ordentlichen Seite präsentiert, muss man doch auf alles gefasst sein. Man sollte aber gewiss nicht glauben, dass Spa nicht auch gutes Wetter im Angebot hat. Ich wohne dort in der Nähe und die Anzahl der Sonnentage ist doch recht groß. Der Ruf von Spa ist also übertrieben."

"Wir haben extra für diese beiden Rennen ein spezielles Paket geschnürt." Pascal Vasselon

Frage: "Wird das Team beim belgischen Grand Prix einige Updates an den Start bringen?"
Vasselon: "Spa und Monza stechen in dieser Saison als die beiden Rennstrecken heraus, die ein Paket für geringen Abtrieb verlangen. Das müssen wir beachten. Daher haben wir extra für diese beiden Rennen ein spezielles Paket geschnürt. Dieses beinhaltet veränderte Front- und Heckflügel sowie weitere aerodynamische Veränderungen."

Frage: "Was macht das Team, um den jüngsten Unterschieden zwischen der Geschwindigkeit in der Qualifikation und im Rennen auf den Grund zu kommen?"
Vasselon: "Timo hat in Valencia die schnellste Rennrunde gedreht und das war keine einmalige Aktion. Wenn man sich seine Rundenzeiten ansieht, dann kann man erkennen, dass er konstant schnell war. Wir hatten aber ganz offensichtlich ein Problem mit der Qualifikationsgeschwindigkeit."

"Wir sind von dieser Situation nicht gerade angetan und schauen uns das Problem genau an: Reifenmanagement, Setup sowie die Art und Weise, wie wir uns auf das Qualifying vorbereiten, um mehr aus der einen schnellen Runde herauszuholen. Wir studieren jeden Faktor, der uns eine Erklärung liefern könnte, weshalb unsere Geschwindigkeit im Rennen relativ besser ist als in der Qualifikation. Wir werden dann entsprechend darauf reagieren."