• 07.11.2010 09:16

  • von Roman Wittemeier & Dieter Rencken

Trulli freut sich für Williams und Cosworth

Lotus-Pilot Jarno Trulli über die Stärken und Schwächen des Cosworth-Motors, den aktuellen Titelkampf und seine Zukunft in den USA: "Wenn ein Angebot kommt..."

(Motorsport-Total.com) - Mit der sensationellen Pole-Position von Williams-Pilot Nico Hülkenberg in Interlagos wurde auch den anderen Cosworth-Partnern vor Augen gehalten, dass sich das britische Triebwerk im Formel-1-Feld nicht verstecken muss. "Bei solchen Bedingungen ist immer alles möglich", sagt Jarno Trulli, der mit dem gleichen Triebwerk im Heck seines Lotus nur auf Rang 20 kam.

Titel-Bild zur News: Jarno Trulli

USA-Fan: Jarno Trulli kann sich eine Zukunft im NASCAR-Sport gut vorstellen

"Der Cosworth-Motor ist nicht so schlecht", erklärt der Italiener. "Unser Team wechselt nicht den Motorenpartner, weil der Cosworth nicht gut genug war. Lotus wechselt eher deswegen, weil noch nicht die Strukturen vorhanden sind, um professionell die gesamte Heckpartie aus einem Guss zu entwerfen." Das bisherige Lotus-Team wird ab 2011 mit Renault-Motoren ausrücken.

"Der Cosworth ist wirklich nicht übel", so Trulli. "Natürlich gibt es bessere Motoren, aber sie sind nicht weit weg. Anfangs der Saison fehlte den Cosworth-Leuten etwas die Erfahrung. Aber sie haben schnell aufgeholt, haben all meine Wünsche erfüllt. Ich bin zufrieden, das Team ist es auch. Das Qualifyingergebnis ist das Resultat der intensiven Zusammenarbeit mit Williams. Ich freue mich für sie."

Der Hülkenberg-Coup stellte den spannenden Titelkampf für einen Augenblick am Samstagnachmittag in den Schatten. Wenn es am heutigen Sonntag ins Brasilien-Rennen geht, dann steht wieder der Kampf um die Krone im Mittelpunkt. "Es ist deshalb so spannend, weil Red Bull vorne ist und Teams wie Ferrari, McLaren und Co. die gesamte Saison aufholen müssen", sagt der erfahrene Lotus-Pilot.

"Es wirkt sehr ausgeglichen, aber man muss festhalten, dass Red Bull in Sachen Performance eigentlich immer einen Schritt voraus war. Aber sie haben es eben nicht immer hinbekommen. Da war Pech dabei, aber es gab auch verpasste Chancen", meint Trulli. "Das alles hat dazu geführt, dass wir nun zwei Rennen vor Saisonende eine solch tolle Situation haben. Ferrari führt im Augenblick - durch Glück zwar, aber sie sind eben vorne. Es ist insgesamt eine seltsame Saison. Zwischenzeitlich sah auch McLaren mal sehr gut aus, aber die fielen wieder zurück. Die Entwicklung der Autos spielt eine gewaltige Rolle."


Fotos: Jarno Trulli, Großer Preis von Brasilien


Was ein Topteam ausmacht

Gerade beim konstanten Verbessern des Boliden trennt sich die Spreu vom Weizen, meint Trulli: "Man muss ein gutes Team, die passenden Strukturen und auch das Budget haben, um jederzeit das Auto voranbringen und das Beste herausholen zu können. Bei Toyota waren wir zwar zum Beispiel mal zum Saisonstart gut dabei, aber wir konnten anschließend nicht mithalten - auch nichts aufholen. Da fehlte eben noch etwas im Vergleich zu den Topteams."

"Nur die Topteams sind in der Lage, während der Saison konstant Fortschritte zu machen", sagt der Italiener. "In dieser Saison hat Ferrari wohl die größten Schritte gemacht, Red Bull war sehr konstant. Williams hat auch ordentlich zugelegt, auch Renault machte einen guten Job. Von McLaren war ich diesbezüglich etwas enttäuscht. Ich war sicher, sie könnten vorne mithalten. Aber jetzt sieht es nicht so aus, als könnten sie Red Bull Paroli bieten."

"Nur die Topteams sind in der Lage, während der Saison konstant Fortschritte zu machen." Jarno Trulli

Nur zu gern würde Trulli im kommenden Jahr gemeinsam mit Lotus einen weiteren Schritt nach vorne machen. "Ich denke, dass dieses Team alles für eine goldene Zukunft tut. Was letztlich mit dem Namen des Teams passiert, ist nicht mein Problem", so der Italiener, der die anstehende Namensänderung aufgrund der Übernahme von Renault durch die britische Lotus-Gruppe gelassen hinnimmt.

Die Frage ist derzeit noch, ob Trulli im kommenden Jahr überhaupt noch im Cockpit sitzen wird. Heikki Kovalainen wurde für 2011 bestätigt, Trulli noch nicht. "Man muss nicht mich, sondern das Team fragen. Im Moment sind wir eher dabei, andere Probleme zu lösen", winkt der 36-Jährige aus Pescara ab. Trulli möchte wenigstens noch ein Jahr weitermachen.

Viele gute Gründe für die USA

Sollte es für den Hobbywinzer nicht zu einer Vertragsverlängerung reichen, dann steht offenbar der Schritt über den "großen Teich" an. Trulli soll angeblich intensive Kontakte zur NASCAR pflegen. "Es gibt diese Gerüchte", lacht der Italiener vielsagend. Vor wenigen Tagen hatte er einen Schritt in die USA noch fast kategorisch ausgeschlossen. Nun hört sich dies aber anders an.

"Wenn es die Chance gibt, dann würde ich sie ergreifen", so Trulli. "Ich erkläre euch, warum: In Europa läuft der Rennsport auf gewohntem Wege ab - so, wie wir das alle kennen. In den USA läuft es komplett anders, es ist eine große Herausforderung für einen Piloten. Neue Herausforderungungen sind für uns Fahrer sehr wichtig, um die Motivation hoch zu halten."

"Ich würde mit der kompletten Familie in die USA gehen." Jarno Trulli

Klartext des zweifachen Familienvaters: "Ja, wenn es eine Chance und ein Angebot aus der NASCAR geben sollte, dann würde ich nach Abschluss meiner Formel-1-Karriere dorthin gehen. Ich würde mit der kompletten Familie in die USA gehen. Das wäre kein Problem, denn wir sind ohnehin oft und gerne in Miami. Wir fühlen uns dort sehr wohl. Meine Kinder sprechen Englisch, meiner Frau gefällt es dort auch. Es lebt ohnehin ein Teil meiner Familie dort in der Nähe."