Toro Rosso: Größer, schneller - und weiter vorn?
Teamchef Franz Tost schildert, wie Toro Rosso die Weichen für die Zukunft stellt, spricht über 2011 und das Ziel, in die Top 8 der Konstrukteure zu kommen
(Motorsport-Total.com) - Der neue STR6 von Toro Rosso ist in Valencia auf Jungfernfahrt. Es ist das zweite Auto, dass das italienische Team um Chef Franz Tost selbst gebaut hat. Das Ziel der Mannschaft aus Faenza ist klar: Sebastien Buemi und Jaime Alguersuari sollen die Lücke auf die nach vorn schließen. Gleichzeitig werden die Weichen für die Zukunft gestellt. Bei der heutigen Präsentation des STR6 sprach Tost über die Expansion seines Teams, über seine Erwartungen für 2011 und die anhaltenden Gerüchte, Toro Rosso stehe zum Verkauf:

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Franz Tost will mit Toro Rosso in die Top 8 der Konstrukteurswertung fahren
Frage: "Franz, was ist euer Ziel für die kommende Saison?"
Franz Tost: "Unser Ziel für diese Saison ist, sie in der Konstrukteurswertung in den Top 8 zu beenden."
Frage: "Ist das ein entscheidendes Jahr für das Team?"
Tost: "Es ist die sechste Formel-1-Saison für Toro Rosso. Die vergangenen fünf Jahre weisen eine gute Statistik für das Team auf, da wir ja alles beinahe von Null aus aufgebaut haben. Wir sind recht zuversichtlich, dass wie eine gute Zukunft und eine gute Saison 2011 haben werden. Wir bauen immer noch unsere Infrastruktur auf. In einem Formel-1-Team herrscht immer Bewegung. Deshalb muss man jede Abteilung im Auge behalten, wenn man versucht, die Performance zu verbessern."
Frage: "Das ist die zweite Saison, für die ihr euer eigenes Auto baut. Um wie viel fühlt ihr euch besser gerüstet als 2010?"
Tost: "Ich denke, dass wir einen großen Schritt nach vorn gemacht haben. In der Formel 1 ein Team aufzubauen, ist ein Prozess, der über Jahre geht. Im Vergleich zum Vorjahr haben wir die Zahl der Mitarbeiter in unserer Aerodynamik-Abteilung in Bicester erhöht. Dort arbeiten wir derzeit im Windkanal mit zwei Schichten."
"In Faenza haben wir vor allem im Bereich Produktion die Zahl der Mitarbeiter erhöht. Auch die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen funktioniert wesentlich besser als im vergangenen Jahr. Ich denke, dass wir auf dem richtigen Weg sind, auch wenn dieser Prozess noch nicht abgeschlossen ist. Das ist ein Prozess, der sich in dieser und auch in der nächsten Saison fortsetzen wird."
Frage: "Wieviel Prozent der Teile des Autos werden jetzt in Faenza gefertigt?"
Tost: "Bei den Kohlefaser-Bauteilen sind es 90 Prozent. Wir machen fast alles bei uns im Haus, das Monocoque, das komplette Bodywork. Bei den mechanischen Teilen sind es rund 40 Prozent."
Frage: "Und Getriebe und Kraftübertragung?"
Tost: "Wir haben unser eigenes Getriebe, das auch bei uns im Haus gefertigt wird."
Frage: "Es wird die bisher längste Saison. Wie geht das Team sie an?
Tost: "Wir haben die Zahl der Mechaniker erhöht und auch die Zahl weiterer Mitarbeiter, zum Beispiel in der Elektronikabteilung. Für den Anfang der Saison rechne ich nicht mit größeren Problemen. Aber für das Saisonende, mit dem letzten Rennen erst Ende November, bedeutet dies, dass die gesamte Organisationsarbeit für 2012 wesentlich früher beginnen muss, möglicherweise schon im September oder Oktober. Denn man verliert den kompletten November, in dem man normalerweise Umstrukturierungen und andere Aufgaben angeht, die man am Ende der Saison erledigen muss."
"Ich persönlich freue mich auf jede Formel-1-Saison, denn ich gehe gern zu Rennen, und ich habe auch keinerlei Problem damit, zu 20 Rennen zu gehen. Es könnten sogar mehr sein! Wir werden sehen, wie die Saison läuft, aber ich rechne nicht damit, dass es Probleme mit Stress oder so gibt. Denn meistens sind zwischen den Rennen zwei Wochen Pause. Es gibt zwar ein paar Back-to-Back-Rennen. Aber während der Saison sehe ich keine großen Probleme."
Frage: "Ende des Monats müsst ihr eure Zahlen für das Ressources Restriction Agreement (RRA) vorlegen. Bist du zuversichtlich, dass ihr euch im Rahmen bewegt, in allen Bereichen?"
Tost: "Total zuversichtlich, in allen Bereichen. Sowohl was die Anzahl der Angestellten angeht, als auch die externen Ausgaben sind wir vollkommen auf der sicheren Seite."
Frage: "Du hast es angesprochen, ihr habt eure Mitarbeiterzahl erhöht, wie viele Leute habt ihr jetzt?"
Tost: "Im Vergleich zum Vorjahr haben wir jetzt rund 30 Leute mehr. Wir haben nun rund 260 festangestellte Mitarbeiter und 20 bis 30 vertraglich befristete Mitarbeiter, die im Januar und Februar für uns arbeiten, vor allem im Bereich Produktion."

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Der STR6 bestreitet heute in Valencia seine Jungfernfahrt Zoom
Frage: "Und wie groß ist die Fabrik jetzt?"
Tost: "In der Fabrik haben wir jetzt ein bisschen mehr Platz. Wir verfügen dort über rund 12.000 Quadratmeter. Von 2010 auf 2011 haben wir nicht ausgebaut. Wir werden die Fabrik 2012/2013 vergrößern, denn wir haben ein Grundstück mit 10.000 Quadratmetern gekauft, auf denen wir unsere eigene Fertigung bauen werden. Denn das Gebäude, in dem wir momentan fertigen, ist auch angemietet. Und ab 2012/2013 werden wir dort in Faenza unsere eigene Einrichtung dafür haben. Gleich auf der anderen Straßenseite."
Frage: "Es gibt eine Menge Regeländerungen, manche davon sollen das Überholen erleichtern. Was für eine Saison erwartest du dir generell für den Sport?"
Tost: "Die wesentlichsten Regeländerungen, die für Überholmanöver sorgen sollen, sind die verstellbaren Heckflügel und KERS. In Sachen Heckflügel besagt das Reglement, dass ein Fahrer den Flügel verstellen darf, wenn er weniger als eine Sekunde hinter dem Vordermann ist. Das bedeutet, dass er am Ende einer langen Gerade zehn bis 15 km/h schneller ist als sein Gegner, was ihm das Überholen ermöglichen sollte."
"KERS wird sicher die Performance im Qualifying verbessern, um drei oder vier Zehntelsekunden. Es wird auch die Performance am Start verbessern und dem Fahrer helfen, wenn er aus langsamen Kurven heraus beschleunigt. Ich denke, dass wir mit diesen beiden Systemen mehr Überholmanöver sehen werden. Obwohl ich sagen muss, dass wir schon 2010 einige gute Überholvorgänge und eine sehr aufregende Saison erlebt haben. Ich freue mich auf 2011 und wir werden sehen, ob diese Änderungen die Anzahl der Überholmanöver erhöhen wird oder nicht."
Frage: "Werdet ihr in dieser Saison KERS einsetzen?"
Tost: "Wir sind mit dem KERS von Ferrari gefahren und wir testen es hier auch. Und ich hoffe, dass alles funktioniert."
Frage: "Sind eure Fahrer schon fix unter Vertrag?"
Tost: "Die Fahrer sind fix, wir haben Sebastien und Jaime und als Ersatzfahrer Dani. Und bisher denke ich, dass wir auch in diesem Bereich gut aufgestellt sind. Denn unsere Fahrer haben jetzt wesentlich mehr Erfahrung als in den Vorjahren und sind gereift."

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Das Fahrertrio: Sebastien Buemi, Jaime Alguersuari und Daniel Ricciardo Zoom
bFrage: "Welche Leistungen erwartest du von den beiden Toro-Rosso-Stammpiloten?"
Tost: "Ich erwarte von beiden eine gute Performance. Sebastien Buemi geht in seine dritte Saison bei uns. Das bedeutet, dass er den Job kennen und erfahren genug sein sollte, gut zu fahren. Aber es hängt auch davon ab, wie gut unser Auto ist. Jaime Alguersuari geht in seine zweite volle Saison und ich erwarte auch von ihm eine Leistungssteigerung. Wenn er so weitermacht wie im vergangenen Jahr, wo er sich von Rennen zu Rennen verbessert und zum Saisonende hin eine wirklich gute Performance gezeigt hat, und wenn unser Auto gut ist, dann rechne ich mit einer guten Saison, in der wir die Lücke zu den Teams, die momentan noch vor uns sind, schließen können."
Frage: "Toro Rosso ist das Juniorteam von Red Bull, das junge Fahrer fördert. Was sagst du dazu, dass Daniel Ricciardo als Freitagstester zu euch stößt?"
Tost: "Ich freue mich, dass aus dem Fahrerpool von Red Bull ein weiterer hochtalentierter junger Pilot zu uns kommt. Denn Ricciardo hat schon in den vergangenen Jahren sehr gute Leistungen gezeigt, und ich sehe es nicht als zusätzliche Arbeitsbelastung für uns, dass er an den Rennwochenenden die ersten freien Trainings am Freitagvormittag für uns fährt. Sein Programm ist klar: Er wird bei allen Grand-Prix-Wochenenden dabei sein, er wird in der Renault-World-Series fahren und für uns freitags die erste Session bestreiten. Er wird alle Rennstrecken kennen lernen und sich an die Formel 1 gewöhnen. Abgesehen davon gibt es uns die Möglichkeit, zu sehen, wo unsere anderen beiden Fahrer stehen. Ich denke, dass Toro Rosso diese Aufgabe gut erledigt, wie wir mit Vettel gezeigt haben."
Frage: "Bedeuten Ricciardos Einsätze am Freitag nicht, das Sebastien und Jaime weniger Zeit für ihre Rennvorbereitung haben?"
Tost: "Nein, das denke ich nicht. Denn sowohl Jaime als auch Sebastien sind jetzt wesentlich erfahrener. Sie kennen alle Rennstrecken. Und am Freitagmorgen drehen die Fahrer normalerweise nicht so viele Runden. Und am Nachmittag ziehen sie dann sowieso ihr Testprogramm durch. Die richtige Arbeit am Setup wird ohnehin immer in der zweiten, und nicht in der ersten Session erledigt. Die erste Session ist dafür gedacht, dass junge Fahrer die Strecke lernen können, wie Daniel. Wir werden mit ihm so viele Runden wie möglich abspulen, und die richtige Arbeit beginnt dann am Freitagnachmittag."
Frage: "Wie sehen die langfristigen Pläne mit Daniel aus?"
Tost: "Der langfristige Plan ist, dass er ein Formel-1-Fahrer wird."
Frage: "Bei euch?"
Tost: "Kann sein. Wir werden sehen, was sich für 2012 entwickelt. Wenn er einen guten Job macht, könnte das sein."
Frage: "Was sind deine Hoffnungen und Befürchtungen vor der kommenden Saison?"
Tost: "Ich fürchte mich grundsätzlich vor gar nichts, das liegt in meiner Natur. Meine erste Hoffnung ist, dass wir eine gute Leistung zeigen, mit einem guten, schnellen und konkurrenzfähigen Auto. Abgesehen davon, müssen die Fahrer und das Team einen guten Job machen. Wenn all diese Komponenten sich zusammenfügen, dann bin ich überzeugt, dass wir eine gute Saison haben und die Lücke auf unsere direkten Gegner schließen können."
Frage: "Bist du aufgeregt beim Gedanken, dass jetzt eine neue Saison beginnt?"
Tost: "Ja, ich freue mich schon darauf. Denn dass wir im Winter keine Rennen fahren, ist eine dumme Zeitverschwendung!"
Frage: "Die Gerüchte, dass Toro Rosso zum Verkauf steht, halten sich hartnäckig. Kannst du das klären? Steht das Team zum Verkauf oder nicht? Wie ist die Situation?"
Tost: "Seit ich bei Toro Rosso bin, habe ich diese Frage kommentiert. Es ist jetzt die sechste Saison, und Red Bull ist immer noch der Eigentümer des Teams. Es liegt allein an Dietrich Mateschitz zu entscheiden, was er mit dem Team macht. Und bis dato ist er zu 100 Prozent der alleinige Eigentümer des Teams. Und ich hoffe, dass das noch möglichst lange so bleiubt."
Frage: "Steht das Team zum Verkauf?"
Tost: "Ich weiß es nicht, fragt Mateschitz."

