Tombazis über Fry: Mehr Druck in Maranello

Chefdesigner Nikolas Tombazis spricht über den frischen Wind, den Pat Fry zu Ferrari gebracht hat, und technische Konzepte wie etwa die Zugstreben-Radaufhängung

(Motorsport-Total.com) - Seit 1. Juli 2010 arbeitet Ex-McLaren-Mann Pat Fry für Ferrari, seit Mai 2011 als Nachfolger von Aldo Costa in der Position des Technischen Direktors. Nach drei Jahren ohne Titel (2008 gewann die Scuderia immerhin die Konstrukteurs-WM) soll der Brite dem erfolgreichsten Team der Formel-1-Geschichte wieder zu seinem angestammten Thron verhelfen.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa und Nikolas Tombazis

Nikolas Tombazis findet, dass der Druck unter Pat Fry größer geworden ist

Während Costa bei der Belegschaft sehr beliebt war, weht unter Fry ein etwas anderer Wind in der Gestione Sportiva: "Pat hat eine sehr druckvolle Arbeitsweise zu Ferrari gebracht", erklärt Chefdesigner Nikolas Tombazis diplomatisch und gibt zu Protokoll: "Wir haben in den Abteilungen gemeinsam mit dem Technischen Direktor analysiert, warum wir in den vergangenen Jahren nicht so performt haben wie erwartet."

Druck größer als in früheren Jahren

Der Druck, der von Fry ausgeht, breitet sich vor Saisonbeginn im ganzen Team aus: "Als Chefdesigner spüre ich dieses Jahr noch mehr Druck als sonst, weil wir alle ganz wild darauf sind, endlich wieder konkurrenzfähig zu sein und wieder zu gewinnen. Diesen Druck spüren alle - von ganz oben bis ganz unten im Unternehmen. Wir arbeiten daher an guten Ergebnissen, denn die würden den Druck ein bisschen reduzieren", sagt Tombazis.

Der Grieche ist als Chefdesigner einer der Hauptverantwortlichen für das gewöhnungsbedürftige Aussehen des F2012, der derzeit in Jerez de la Frontera seine ersten Testkilometer absolviert und beim gestrigen Testauftakt zwar zuverlässig war, aber nicht im Spitzenfeld lag. Doch Bestzeiten sind in diesem frühen Stadium der Saisonvorbereitung auch nicht das Ziel. Wichtig ist, das Design des F2012 bestmöglich zu optimieren.

"Wir kamen zu dem Schluss, dass der einzig richtige Weg ein deutlich aggressiveres Design ist", erläutert Tombazis. "Es ist noch zu früh, um einzuschätzen, ob wir dieses Jahr gewinnen können oder nicht, aber man kann uns jedenfalls nicht vorwerfen, dass wir an dieses Auto zu zahm herangegangen sind. Wir haben uns für eine sehr aggressive Herangehensweise entschieden. Das hat einerseits mit Pat zu tun, aber auch mit der Analyse der vergangenen Jahre."

Schubstange statt Zugstrebe

Neben vielbesagtem Höcker auf der Nase, der am Ferrari besonders radikal aussieht, ist am F2012 auffällig, dass die Vorderradaufhängung auf einer Zugstreben-Variante basiert und damit nicht dem von Red Bull vorangetriebenen Schubstangen-Trend folgt. Ferrari ist das einzige Topteam mit einer solchen Vorderradaufhängung und nimmt somit für aerodynamische Vorteile ein höheres Maß an dynamischer Belastung in Kauf.

"Der Grund, weshalb wir uns für eine Zugstreben-Variante entschieden haben, ist vor allem aerodynamischer Natur. Wir glauben, dass die Handhabung der Frontflügel-Struktur auf diese Weise besser funktioniert. Das war der hauptsächliche Beweggrund", so Tombazis. "Natürlich waren wir über die verschiedenen Belastungen für die Radaufhängung besorgt, also haben wir viel Zeit damit verbracht, unsere Hausaufgaben in diesem Bereich zu erledigen."

Felipe Massa

Das Konzept der Vorderradaufhängung am F2012 entspricht nicht dem Trend Zoom

"Die Radaufhängung musste in ein paar Bereichen robuster gestaltet werden, um diesen Belastungen standzuhalten", erklärt er und ergänzt: "Wenn man das Auto von vorne betrachtet, sieht man, dass die Zugstreben und die Querlenker zueinander in einer relativ gewöhnlichen Dreiecks-Konfiguration stehen. Unterm Strich haben wir also eine Lösung, die vielleicht etwas stärker belastet wird, aber trotzdem akzeptabel ist."

Großbaustelle Auspuffgase

Ein weiterer Technikbereich, auf den sich Ferrari im vergangenen Winter konzentriert hat, ist der Auspuff. Das Konzept des angeströmten Diffusors konnte die Scuderia im vergangenen Jahr nie optimal umsetzen. "Den Auspuff hinzubekommen, ist nicht einfach", räumt der Ferrari-Chefdesigner ein, "weil man diesen Bereich weder im Windkanal noch mit CFD hundertprozentig zuverlässig simulieren kann."

"Im Vorjahr hatten wir im Auspuffbereich eindeutig ein Defizit. Wir verstanden nicht so viel darüber wie unsere Hauptgegner und bezahlten dafür den Preis", zeigt sich Tombazis selbstkritisch. Doch daraus habe man Konsequenzen gezogen: "Demzufolge arbeiteten wir viel härter in diesem Bereich. Aber weil wir wissen, dass das keine genaue Wissenschaft ist, planen wir auch eine Reihe von Experimenten bei den Tests, um Vergleichswerte zu erhalten."


Fotos: Ferrari, Testfahrten in Jerez


Was die Interpretation der neuen Regeln angeht, die kaum noch Spielraum lassen, glaubt Tombazis nicht an einen Streit zwischen den Teams: "Wir hatten schon viel Schriftverkehr mit der FIA. Meiner Meinung nach ist ziemlich klar, was legal ist", relativiert er Medienberichte, wonach einige Teams mit ihren Auspuffvarianten innerhalb der neuen Regeln schon wieder an die Grenzen gehen - und er betont: "Ich glaube, dass das, was wir haben, sicher legal ist."