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Todt: "Mein Job ist erledigt"
Ferrari-Teamchef Jean Todt im Interview über die Fahrerbekanntgabe, seine Erwartungen an Kimi Räikkönen und die Individualität der Menschen
(Motorsport-Total.com) - Jean Todt: "Ich werde erst sagen, wie es um meine Gefühle steht, und dann können mir Fragen gestellt werden. Wir haben angekündigt, heute unsere Fahrer für nächstes Jahr bekannt zu geben, und wir kommen dieser Ankündigung nach. Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.) und Felipe (Massa; Anm. d. Red.) werden 2007 für Ferrari in der Formel 1 fahren. Michael (Schumacher; Anm. d. Red.) hat sich dazu entschlossen, seine Karriere nach dem Ende der Saison zu beenden. Er wird weiterhin gewisse Aufgaben für Ferrari übernehmen, aber das werden wir erst nach Saisonende im Detail bekannt geben."

© xpb.cc
Jean Todt freut sich schon auf die Zusammenarbeit mit Kimi Räikkönen
"Nach diesem außergewöhnlichen Rennen haben wir gute Chancen in der Weltmeisterschaft, denn drei Rennen vor Schluss liegen wir bei den Konstrukteuren um drei Punkte vorne und Michael fehlen bei den Fahrern nur noch zwei Punkte. Felipe hat seinerseits fünf Punkte Vorsprung im Kampf um Platz drei. Wir haben ein gutes Auto, Bridgestone stellt uns sehr gute Reifen zur Verfügung und das Team ist sehr motiviert, das Bestmögliche zu leisten, um das zu erreichen, was wir uns vorgenommen haben. Dass wir die Entscheidung von Michael jetzt kennen und offiziell gemacht haben, ist ein zusätzlicher Ansporn, den Fahrertitel zu holen, aber wir wissen, dass das nicht einfach wird. Unsere Konkurrenten sind sehr stark, aber wir werden unser Bestes geben."#w1#
Schumacher-Entscheidung fiel nach Indianapolis
Frage: "Wann ist die Entscheidung gefallen, dass sich Michael Schumacher am Saisonende zurückziehen wird?"
Todt: "Vor einer Weile."
Frage: "Bist du erleichtert, dass es jetzt raus ist und dass die Spekulationen aufhören werden?"
Todt: "Die Spekulationen wurden immer intensiver, denn wenn ich die Presse gelesen habe - und das mache ich nicht oft -, bekam ich eigentlich schon einen recht klaren Eindruck davon, wer für uns fahren würde, obwohl es ja Michaels Entscheidung war. Zwischen sehr starken Spekulationen und einem offiziellen Statement ist aber noch einmal ein Unterschied, daher sind wir froh, dass es jetzt raus ist, denn so können wir uns auf die Weltmeisterschaft konzentrieren. Jeder weiß, was Sache ist, und wir haben 100 Prozent Fokus."
Frage: "Du bist mit Michael Schumacher eng befreundet. Wie nahe geht dir sein Rücktritt?"
Todt: "Ich habe gemischte Gefühle. Mein finales Gefühl werde ich nach Brasilien sagen, denn im Moment ist Michael sehr stark. Er gehört zu den besten Fahrern der Formel-1-Geschichte. Es sind noch drei Rennen zu fahren, das habe ich im Kopf. Sobald das letzte Rennen vorbei ist, werde ich mehr dazu sagen."
Frage: "Macht das auch die Entscheidung für deine eigene Zukunft schwieriger?"
Todt: "Ich habe meine Zukunft schon seit einer ganzen Weile klar in meinem Kopf. Michael und ich stehen uns sehr nahe, empfinden Freundschaft, Zuneigung, Respekt füreinander. Wir sehen viele Dinge ähnlich und wir sind beide professionell. Ich werde in Zukunft definitiv viel Zeit mit Michael verbringen, genau wie in den vergangenen elf Jahren, aber das heißt nicht automatisch, dass wir zusammen arbeiten müssen."
Frage: "Glaubst du, dass die Entscheidung von Michael Schumacher zum richtigen Zeitpunkt kommt?"
Todt: "Ich kenne die Entscheidung schon seit einiger Zeit und freue mich in gewisser Hinsicht, aber vor allem konzentrieren wir uns auf das nächste Rennen und auf die Tests nächste Woche. China, Japan, Brasilien - das sind die Dinge, auf die es ankommt."
Frage: "Glaubst du, dass euch jetzt, wo alles raus ist, die Arbeit einfacher fallen wird?"
Todt: "Ich denke, dass wir gezeigt haben, dass wir uns trotz aller Spekulationen auf unsere Arbeit konzentrieren können. Genau das werden wir tun."
Frage: "Du bist gut darin, ein Geheimnis zu wahren. Wie schwierig waren diesbezüglich die vergangenen Wochen?"
Todt: "Ehrlich gesagt mache ich mir deswegen keinen Kopf. Das wisst ihr ja. Vielleicht ist es gut oder schlecht für mich, aber mich kümmert nur, was im Team vorgeht. Ich weiß, dass Michael Unterstützung braucht und verdient. Das ist wichtig für ihn. Spekulation ist Teil unserer Welt, und das akzeptiere ich auch. An dem Tag, an dem ich das nicht mehr akzeptieren kann, werde ich gehen, denn der einzige Grund, warum ich in diesem Business bin, ist, dass ich es genieße, das Team um mich zu haben. Zum Glück kann ich mich selbst entscheiden. Das ist also eher positiv als negativ."
Vorvertrag mit Räikkönen nur ein Phantom?
Frage: "Wann wurde der Vertrag mit Kimi Räikkönen abgeschlossen? Das war ja ein offenes Geheimnis..."
Todt: "Ich möchte mich auf das konzentrieren, was wichtig ist. Wichtig ist, dass wir nie einen Vorvertrag hatten, sondern wir haben einen Vertrag unterschrieben. Manchmal musste ich lächeln, als ich über einen Vorvertrag mit Kimi las, aber entscheidend ist, dass wir ihn für einen sehr starken und talentierten Fahrer halten. Ich mag ihn als Person und er ist für die nächsten Jahre an Ferrari gebunden."
Frage: "Glaubst du, dass es möglich ist, auch mit einem anderen Fahrer eine solche Beziehung wie zu Michael Schumacher aufzubauen?"
Todt: "Nein, das ist immer etwas anderes. Zu Michael habe ich eine sehr spezielle Beziehung, auch zu Felipe, aber das ist anders. Ich bin sicher, wir werden auch zu Kimi eine starke Beziehung aufbauen, aber auch die wird anders sein. Das Schöne an Menschen ist, dass sie nicht wie ein Auto von der gleichen Spezifikation sind, sondern jeder Mensch hat seine eigene Spezifikation. Das mag ich."
Frage: "Traust du Kimi Räikkönen die gleichen Erfolge wie Michael Schumacher zu?"
Todt: "Das wird schwierig, hängt von der Zeit und so weiter ab. Kimi war sehr konkurrenzfähig. Jetzt liegt es an uns, ihm bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen, ihm das beste Auto zu geben. Michael hat vergangenes Jahr nur ein Rennen gewonnen - und das war ein Geschenk. Er hat sonst kein einziges Rennen gewonnen. Man braucht also ein gutes und zuverlässiges Auto. Das wird gerade gebaut. Ich bin sicher, dass Kimi gut damit umgehen wird."
Frage: "Erwartest du, dass Kimi Räikkönen in seinem ersten Ferrari-Jahr um die Weltmeisterschaft fahren wird?"
Todt: "Wenn er ein gutes Auto hat, hoffe ich schon."
Frage: "Du hast die Teamkollegen für Michael Schumacher immer sehr sorgfältig ausgewählt. Glaubst du wirklich, dass er und Kimi Räikkönen als Kombination funktioniert hätten?"
Todt: "Das wird nicht passieren. Ihr macht euren Job, ich meinen. Mein Job ist erledigt, denn wir haben Kimi und Felipe."
Frage: "Hatte das einen Einfluss auf Michael Schumachers Entscheidung?"
Todt: "Einige Leute, die spekulieren, dass sich Michael so entschieden hat, weil er sich dem Duell mit Kimi nicht stellen wollte, sind einfach dumm."
Räikkönen war Todts erklärter Wunschkandidat
Frage: "Welche Qualitäten siehst du in Kimi Räikkönen, die ihn zu deinem Wunschkandidaten machen?"
Todt: "Zunächst muss man schauen, wer am Markt verfügbar ist und wen man davon haben möchte. Vielleicht ist das ein bisschen unfair, denn es gibt auch einige junge Fahrer, die sehr stark sind. Felipe und Kubica legten heute ein sehr starkes Rennen hin, es kommen talentierte Fahrer aus der GP2, aber im Grunde genommen waren die drei schnellsten Fahrer klar. Einen hatten wir schon bei uns, einer war unser Favorit - und den haben wir bekommen. Ehrlich gesagt war es keine schwierige Entscheidung, sondern eine leichte, und auch die Verhandlungen gestalteten sich einfach, denn er wollte zu Ferrari und wir wollten ihn bei Ferrari haben."
Frage: "Wie fühlst du dich eigentlich als Motorsportler, wenn Fernando Alonso nach seiner Rückversetzung in der Startaufstellung sagt, dass er die Formel 1 nicht mehr als Sport betrachtet?"
Todt: "Ich möchte darauf nicht eingehen, weil ich es für unfair halte, solche Kommentare abzugeben. Ich fühlte mit Felipe, dass er nicht einmal einen Punkt holen konnte, weil er vom vierten Platz starten musste, obwohl er vielleicht die Pole drin gehabt hätte. Wir werden es nie erfahren. Wir haben uns damit abgefunden, so ist der Rennsport."
"Wenn man zurückschaut, dann war ich schon oft unglücklich, weil ich einige Entscheidungen nicht nachvollziehen konnte, aber wir haben diese immer akzeptiert, denn solange man in diesem Business ist, muss man akzeptieren, dass es eine Sporthoheit gibt, dass Leute Situationen einschätzen und dass da Kommissare sind. Das ist in allen Sportarten so. Wenn man sich die Wiederholung eines Fußballspiels anschaut, sieht man Schiedsrichterentscheidungen vielleicht auch anders, also haben wir uns nicht über Felipes Position beschwert, aber man kann sich sicher sein, dass sein Rennen niemals so schwierig geworden wäre, wenn er weiter vorne gestanden wäre. Vielleicht hätte Michael dann aber nicht gewonnen, wer weiß? Wenn manche Leute nicht mehr in diesem Geschäft sein wollen, dann können sie jederzeit aufhören."
Frage: "Es ist aber traurig, wenn der Weltmeister so denkt, oder?"
Todt: "Ich werde dazu nichts mehr sagen."

