Todt: "Die Kosten müssen sinken"
Auch Ferrari-Rennleiter Jean Todt ist für eine drastische Kostensenkung - doch die gemachten Vorschläge enthalten zu viele ungeklärte Fragen
(Motorsport-Total.com) - Jean Todts Pressemeetings nach den Rennen waren zumeist geprägt von ausschweifendem Lob für das Team, die Fahrer und die Partner. In Interlagos fiel dies kürzer aus, und das nicht nur, weil in Brasilien kein Ferrari gewann. Das bestimmende Thema war ein anderes. Neun Teams beschlossen massive Änderungen zur Reduzierung der Kosten - Ferrari blieb außen vor. Rennleiter Jean Todt erklärte nun seine Sichtweise.

© Ferrari
Ferrari-Rennleiter Jean Todt sparte nicht mit Kritik an den Vorschlägen
"Ich möchte nicht arrogant erscheinen, so wie viele es in diesem Geschäft sind", begann der Franzose. "Aber man darf das nicht emotional angehen, sondern pragmatisch und logisch. Am Freitag, vor zwei Tagen, um 17 Uhr, verabschiedete die Formel-1-Kommission die Regeln der Formel 1 für die Saison 2005." Dennoch fanden weitere Treffen statt.#w1#
Die Sinnigkeit dieser Treffen stellte Todt jedoch öffentlich in Frage. "Einige davon ignorierten die FIA, und wir wissen, dass im Moment nichts durchgesetzt werden kann. Ob man das nun mag oder nicht, das ist einfach ein Fakt", erklärte er. "Am Samstag gab es dann ein weiteres Meeting, und es ist falsch, zu sagen, Ferrari war nicht dabei - wir waren nicht eingeladen. Warum? Vielleicht hat man uns vergessen, aber wir leben in einer Welt, in der jeder ein Mobiltelefon hat."
Unklarheit über die Testbeschränkung
So wurde ohne Ferrari ein Vorschlag zur Kostenreduzierung erarbeitet und verabschiedet. Der 58-Jährige trägt es mit Fassung. "Ich werde nicht kindisch sein und den Vorschlag nur deshalb nicht unterstützen, weil wir nicht eingeladen waren", stellte er klar. Doch auch bei Ferrari ist man für eine Kostensenkung - angesichts der Geschäftszahlen der Ferrari-Maserati-Gruppe ist das nicht verwunderlich.
"Wenn die Formel 1 nicht untergehen soll, dann müssen die Kosten runter", so die klare Aussage Todts. "Aber das muss drastisch sein, nicht nur durch weniger Tests der Top-Teams. Ich verstehe den Vorschlag auch nicht ganz. Soll am Freitag (an dem zwei zweistündige Testsessions geplant sind; d. Red.) nun der gleiche Motor zum Einsatz kommen wie am Rest des Rennwochenendes oder ein anderer?"
Sollte es derselbe Motor sein, dann würde sich, so Todt, wenig für die kleinen Teams ändern, "denn die kleinen Teams nutzen ja ohnehin nicht alle verfügbaren Testtage. Für sie macht das keinen Unterschied." In diesem Jahr absolvierte jedoch nur Minardi weniger als die geplanten zehn Testtage, alle anderen Teams, auch Jordan, mehr. Zudem fährt man ja ohnehin zu den Rennen. Sollte dort gleichzeitig eine Testmöglichkeit bestehen, so würde dies durchaus Einsparungspotenzial besitzen.
Vorschläge nicht im Sinne der kleinen Teams?
Außerdem würde die Show am Wochenende dadurch schlechter. "Jeder wird am Samstagmorgen in der Box warten, weil man ja schon am Freitag gefahren ist", so der Franzose. "Man wird also nach den neuen Regeln nur eine schnelle Runde (im Qualifying) fahren. Die Leute kommen also wegen einer Runde an die Strecke und werden sich wegen der schlechten Show beschweren. Am Sonntag gibt es dann wieder nur eine schnelle Runde und dann das Rennen."
Sollte bei den Freitagstests ein neuer Motor zum Einsatz kommen, so würde dies die starken Teams wieder bevorzugen. "Sie kommen dann mit ihrem Testteam, den Autos, Motoren - das wird teuer", erklärte er. "Außerdem braucht man dann keine Motoren für 1.400 Kilometer Laufleistung mehr, das wäre wieder ein anderer Motor. Für die kleinen Teams wäre das teurer, denn sie bräuchten dann wieder Extrageld für die Motoren."
Was Jean Todt nicht ansprach: Der Vorschlag der neun Team zielt nicht ausschließlich auf eine Kostenreduzierung ab, sondern auch auf eine Verbesserung des Spektakels. Sicher würde ein Team wie Minardi bei zehn erlaubten Testtagen kaum Kosten sparen - in dieser Saison nahmen die Italiener nur fünf Tage in Anspruch -, doch die gigantischen Zeitabstände zwischen den Teams könnten, so die Idee, damit verringert werden.
Michelin und Bridgestone sollten nicht ignoriert werden
Ein weiterer Kritikpunkt Ferraris ist der Vorschlag bezüglich der Reifen. "Ich war da wieder etwas überrascht, denn ich sah verschiedene Versionen des unterzeichneten Briefes", so Todt. "Zuerst sah ich eine Version, in der es nur einen einzigen Reifenhersteller geben sollte. Ich habe mit Michelin und Bridgestone gesprochen, sie wussten davon nichts. Ich denke, es ist schon schwach, wenn man Partner von dieser Dimension hat und ihre Meinung ignoriert. Sie haben Verträge mit den Teams und die Teams mit ihnen."
In der endgültigen Fassung des Vorschlages war jedoch die Rede von weiteren Gesprächen mit den Reifenfirmen. Formel-1-Chef Bernie Ecclestone soll diese in den kommenden Tagen und Wochen führen. Auch die an die Vorschläge gekoppelte Erweiterung des Kalenders auf 19 Grands Prix stößt bei Jean Todt auf Verwunderung.
Im Concorde-Agreement sind 16 Rennen vereinbart, ein 17. kann als Ausnahme stattfinden. Für alle weiteren Rennen müssten die Teams entlohnt werden. "Wie würde das Geld für das 18. und 19. Rennen verteilt werden?", fragte sich nicht nur Todt. "Wie kann ich also etwas kommentieren, wenn niemand weiß, worüber er eigentlich redet?"
Jean Todt hat eigene Vorschläge
Doch in einem übergeordneten Punkt stimmt Todt mit allen anderen Teamchefs überein: Die Kosten müssen sinken. Nur die Art und Weise der gemachten Vorschläge empfindet er als schwer nachvollziehbar, auch deshalb, weil wichtige Bereiche ausgeklammert wurden. "Ich habe nicht das Gefühl, dass die Formel-1-Fahrer, die die besten Fähigkeiten haben, elektronische Hilfen brauchen", wirft der Franzose einen Vorschlag ein. "Wir sind für eine standardisierte elektronische Steuereinheit. Brauchen wir eine Traktionskontrolle? Verbessert das die Show? Müssen wir viel Geld ausgeben, um Ballast zu finden? Da draußen sitzen Zuschauer, sie haben davon keine Ahnung und es kümmert sie auch nicht."
Was passiert nun mit dem Vorstoß der anderen Teams? Es muss sicher nachgebessert werden, Ferrari muss hinzugezogen und gefragt werden. "Ich muss leider sagen, dass das, was veröffentlicht wurde, nicht vernünftig ist", so Todt. "Sie sind natürlich froh. Erstmals haben sich neun verschiedene Gruppen geeinigt. Ich habe mit einigen davon gesprochen, über die Motoren (bei den Freitagstests; d. Red.) haben sie verschiedene Meinungen."
Das Fazit des Franzosen: "Dieses Schreiben kann man getrost wegwerfen!". Doch ganz so voreilig sollte er nicht handeln. Es stellt sich die Frage, warum neun Teams für diese Abrüstungen sind. Ganz so unvernünftig können sie nicht sein. Ferraris Einwände sind aber durchaus berechtigt, doch man sollte beachten, dass der Vorschlag nur ein Stück Papier ist - und Papier ist geduldig. Es ist eine Absichtserklärung, ein Hoffnungsschimmer, dass sich etwas bewegt. Und damit sich etwas in der Formel 1 bewegt, ist auch Ferrari daran zu beteiligen.

