• 12.09.2005 02:02

Todt: "2005 ist einfach nicht unser Jahr"

Ferrari-Teamchef Jean Todt über das Rennen in Belgien, die Reifenfrage, das Ausscheiden von Peter Sauber und Paul Stoddart und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Nach jedem Rennen nimmt sich Ferrari-Teamchef Jean Todt Zeit, um mit einigen Medienvertretern das zurückliegende Wochenende zu analysieren. Gestern in Spa-Francorchamps hatte er nach dem Ausfall von Michael Schumacher zwar keinen Grund zur Freude, dennoch zeigte er sich relativ gesprächig.

Titel-Bild zur News: Jean Todt

Bild mit Symbolcharakter: Jean Todt steht mit seiner Stoppuhr im Regen...

Frage: "Jean, was bleibt nach so einem Rennen bei dir hängen?"
Jean Todt: "Ich bin zwar kein Freund solcher Einschätzungen, aber 2005 ist einfach nicht unser Jahr. Heute hatten wir ein besseres Paket als man sehen konnte. Michael war bis zu seinem Ausfall sehr konkurrenzfähig und konnte sogar auf Alonso aufholen."#w1#

Wechsel auf Trockenreifen war ein schwerer Fehler

"Leider - aber wir waren nicht die Einzigen - haben wir Trockenreifen montiert, als er während der Safety-Car-Phase an die Box gekommen ist. Dann haben wir realisiert, dass das nicht klappen würde, also mussten wir wieder auf Intermediates zurückgehen. Button, der Dritter geworden ist, lag zu diesem Zeitpunkt noch hinter ihm. Leider lag aber auch Sato hinter ihm. Damit war sein Rennen beendet."

"Man hat heute auch wieder gesehen, wie wichtig die Reifen sind, aber unsere Ziele sind noch genauso ambitioniert wie vor ein paar Rennen. Unser Ziel ist, in der Konstrukteurs-WM vor Toyota Dritter zu werden. Heute haben wir Toyota zwei Punkte abgenommen, und wir hoffen, dass wir die Situation bis Saisonende weiter verbessern können. Die letzten drei Grands Prix werden auch davon abhängen, wie wir mit Bridgestone arbeiten, aber gleichzeitig schielen wir schon mit einem Auge auf die Zukunft und auf den V8. Wir wollen, dass 2005 ein einzelnes schlechtes Jahr in unserer Erfolgsperiode bleibt. 2006 wollen wir wieder vorne mitmischen."

Frage: "Ist die Leistung im Qualifying etwas, aus dem ihr Mut schöpfen könnt?"
Todt: "Nein. Die Performance im Qualifying war nicht gut. Aber man kann das wieder ganz einfach analysieren: Als Webber und Klien am Ende des Rennens auf Trockenreifen gewechselt haben, kamen sie sofort auf gute Zeiten, während es bei Rubens wieder zwei Runden gedauert hat. Wir wissen, dass diese speziellen Reifen ein wenig brauchen, bis sie auf Betriebstemperatur sind."

Wäre Michelin im Trockenen in Probleme geraten?

"Was man nicht sehen konnte, war, dass unsere Konkurrenten nach ein paar Runden wesentlich mehr Graining hatten. Dazu ist es aber wegen des Wetters nicht gekommen, weil ja kaum mal jemand mit Trockenreifen draußen war. So gesehen hat es mich überrascht, Michael nur eine Sekunde hinter der Pole zu sehen, denn wenn man bedenkt, wie schwierig die erste Runde mit unseren Reifen ist, war das gar nicht schlecht. Andererseits ist es natürlich noch lange nicht das, was wir uns vorstellen."

Frage: "Michael Schumacher hat in Bezug auf Takuma Sato recht deutliche Worte von sich gegeben..."
Todt: "Michael ist normalerweise ziemlich cool, aber die Art und Weise, wie er heute reagiert hat, hat etwas zu bedeuten. Er weiß, dass ihm eine gute Möglichkeit entglitten ist, und weil wir davon dieses Jahr nicht allzu viele hatten, war er so verärgert."

Frage: "Was hat Michael Schumacher zu dir gesagt, als er nach der Kollision in die Box gekommen ist?"
Todt: "Er hat mich gefragt, ob ich dafür sorgen kann, das Meeting mit der Rennleitung nach vorne zu verlegen, damit er früher nach Hause fliegen kann. Er hat mich angerufen, um genau zu sein. Normalerweise nehme ich an der Boxenmauer das Telefon nicht ab, aber ich spürte das Vibrieren und dachte nach einer Weile: Okay, schauen wir nach, vielleicht hat jemand einen guten Rat, wie wir noch gewinnen können! Dabei war es nur Michael, der früher weg wollte..."

Zwei zusätzliche Bridgestone-Teams helfen auch Ferrari

Frage: "Bridgestone wird nächstes Jahr zwei weitere Teams ausstatten. Bedeutet das, dass ihr mit diesen Teams zusammenarbeiten und folglich eventuell auch eure privaten Tests reduzieren werdet?"
Todt: "Wir haben das auch erst dieses Wochenende erfahren. Jetzt müssen wir einmal schauen, was passiert, dann können wir uns darüber Gedanken machen."

Frage: "Nachdem Red Bull Minardi gekauft hat, stehen jetzt schon vier Teams auf Bernie Ecclestones Seite, zu der ja auch Ferrari zu zählen ist. Glaubst du, dass ihr euch am Ende durchsetzen werdet?"
Todt: "Das ist sicherlich ein Zeichen, dass es in die richtige Richtung geht, was die Unterschriften unter das Concorde Agreement angeht. Ich bin mir aber sicher, dass es damit noch lange nicht getan ist. Das ist eine gute Sache. Die Tapferkeit von Dietrich Mateschitz ist bewundernswert. Es ist schon mutig, ein Team zu übernehmen, aber zwei sind sehr beeindruckend."

Frage: "Ihr beliefert Red Bull ja ab 2006 mit Motoren. Könnte dieses Engagement nun auch auf Minardi ausgeweitet werden?"
Todt: "Nein, nicht einmal mit dem V10. Ich denke auch nicht, dass das Red Bull überhaupt will, daher haben wir bisher nicht darüber nachgedacht."

Todt traurig über Abschied von Peter Sauber

"Um unser persönliches Verhältnis tut es mir Leid. Ich habe ja sonst nicht allzu viele Freunde in diesem Geschäft!" Jean Todt

Frage: "Ihr habt eure Motoren viele Jahre lang an Peter Sauber geliefert, der an BMW verkauft hat und 2006 nicht mehr oft im Fahrerlager zu sehen sein wird. Traurig darüber?"
Todt: "Es sind ja noch drei Rennen zu fahren, und ich weiß, dass die 'Credit Suisse' am Donnerstag vor dem Grand Prix in China eine große Party für ihn steigen lässt. Ich werde meine Treffen an den Rennwochenenden mit ihm definitiv vermissen. Gestern war er bei mir. Er war ein bisschen nostalgisch und hat gesagt, dass er weiterhin zu einigen Rennen kommen wird. Er hat großartige Arbeit geleistet. Er war 39 Jahre in diesem Geschäft und hat seinem Unternehmen Kontinuität gesichert, indem er an BMW verkauft hat."

"Ich halte das für einen großen Erfolg, aber um unser persönliches Verhältnis tut es mir Leid. Ich habe ja sonst nicht allzu viele Freunde in diesem Geschäft! Manchmal muss man aber einen Schlussstrich ziehen - vor allem dann, wenn man aus einer Sache, in die man viel investiert hat, einen Gewinn schöpfen kann. Es werden aber auch die Leute, die für das Team arbeiten, profitieren. Dafür gebührt ihm Respekt."

Stoddarts Abgang beschäftigt Todt überhaupt nicht

Frage: "Wirst du auch Paul Stoddart vermissen?"
Todt: "Nein. Ich finde nicht, dass er der Formel 1 irgendetwas gegeben hat. Peter Sauber war ein Racer. Paul Stoddart habe ich einige Male getroffen, als er Minardi übernommen hat. Dann hat er Michael mal ermöglicht, mit dem Doppelsitzer zu fahren. Meine Gefühle ihm gegenüber haben sich aber in letzter Zeit geändert, daher wird er mir nicht fehlen."

Frage: "Und wie steht es mit Minardi? Es ist immerhin das viertälteste Team der Formel 1, und früher gab es auch eine enge Zusammenarbeit mit Ferrari..."
Todt: "Ich persönlich stehe nicht so sehr auf Dinge wie Namen. Das ist mir nicht wichtig, das spielt keine Rolle für mich. Ich denke eher, dass es gut für das Team ist, dass ein großer Investor das Ruder übernimmt. Ich bin mir auch sicher, dass dadurch Kontinuität gegeben sein wird, was für die Formel 1 insgesamt nur gut sein kann. Wenn man Vor- und Nachteile gegeneinander abwägt, dann finde ich, dass die Vorteile bei weitem überwiegen."