• 28.05.2010 20:57

  • von Roman Wittemeier

Testfahrten und Ersatzautos: Eine Frage des Geldes

Angesichts eines neuen Reifenlieferanten für 2011 werden die Rufe nach mehr Testfahrten wieder lauter: Teamverantwortliche sehen die Situation realistisch

(Motorsport-Total.com) - Auf der Suche nach einem Bridgestone-Nachfolger als Reifenlieferant für die Formel 1 ab 2011 zeichnet sich endlich eine Lösung ab. Pirelli gilt als Favorit auf den neuen Deal, der allerdings noch nicht in trockenen Tüchern ist. Fest steht schon jetzt: Egal, wer den Zuschlag als neuer Pneupartner erhält, die Zeit bis zum Debüt im kommenden Jahr ist knapp.

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Pirelli im Istanbul-Paddock: Die Italiener rüsten die neue GP3-Serie aus

Die neuen Gummis für die Königsklasse müssen nicht nur entwickelt und produziert, sondern möglichst auch ausgiebigen Tests unterzogen werden. Die Teams möchten sich gern im Hinblick auf 2011 auf die neuen Eigenheiten der Reifen einstellen können. Dafür wären zusätzliche Testfahrten vonnöten. Der Ruf nach solchen Tests ist laut, doch die Chancen der Realisierung sind wohl eher gering.#w1#

"Wir haben eine Balance gefunden. Wir sind mit den Kosten herunter gekommen und in den nächsten zwei Jahren gibt es im Rahmen des Resource-Restriktion-Agreements (RRA) weitere Sparmaßnahmen, die zur Umsetzung kommen", sagt Williams-Geschäftsführer Adam Parr. "Das dürfen wir nicht über den Haufen werfen. Solche Dinge verbessern die Show nicht, aber sie verursachen hohe Kosten."

Parr gegen zusätzliche Tests

"Wenn man sich das Starterfeld mal anschaut, dann werden die meisten Teams nicht in der Lage sein, plötzlich mehr Geld ausgeben zu können", so der Brite weiter. "Es ist nun wirklich nicht an der Zeit, nun Sachen auf den Tisch zu bringen, die die Kosten wieder in die Höhe treiben. Vielleicht kann man in Zukunft darüber reden, aber jetzt auf jeden Fall nicht." Parr widerspricht damit seinem Technikchef Sam Michael, der sich klar für zusätzliche Reifentests ausgesprochen hatte.

"Es ist eine Frage des Geldes, ganz einfach", stellt Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost klar. "Wenn man zusätzliche Tests machen will, dann muss man sich wieder ein Testteam anschaffen, die Infrastruktur aufbauen. Ich bin ein Typ, der immer sagt: 'Jede Minute abseits der Rennstrecke ist verwendete Zeit'. Aber in diesem Fall geht es darum, dass wir uns an die Absprachen von FOTA und FIA halten."

"Es ist eine Frage des Geldes, ganz einfach." Franz Tost

"Im Moment testen wir an Freitagen. Ich finde, das ist eine gute Lösung", so Tost weiter. "Auch bezüglich der möglichen Rückkehr von Ersatzautos kann ich nur sagen: Dann hat man ganz schnell auch wieder ein viertes Auto in der Garage, wie es früher in Monaco oft der Fall war. Wir müssen eine passende Balance aus Einnahmen und Ausgaben finden. Wir sind auf einem guten Weg. Wenn das RRA erst einmal greift, dann wird es ohnehin nicht so einfach."

Auch Ersatzautos sind zu teuer

Gerade beim Thema Ersatzwagen hat Teamchef Stefano Domenicali nach wie vor eine andere Ansicht. "Man muss an die Fans denken", sagt der Italiener. "Viele Tifosi haben auf Alonso im Qualifying gewartet, aber er konnte nicht fahren. Wir konnten das Chassis nicht wechseln. Da müsste man aus unserer Sicht eine bessere Balance herstellen. Ich finde, darüber muss man nochmal diskutieren."

"Bezüglich der neuen Reifen meine ich, dass wir die nicht erst auf den letzten Drücker testen dürfen", sagt Domenicali weiter. "Wir können es uns nicht leisten, eventuell im ersten Grand Prix eine böse Überraschung zu erleben. Ich finde das Bild vom Anheuern eines ganzen Testteams wirklich überzogen. Wir sollten vielleicht am Ende des Rennwochenendes einen Testtag anfügen. Das ist meine Sicht der Dinge."

"Wir können es uns nicht leisten, eventuell im ersten Grand Prix eine böse Überraschung zu erleben." Stefano Domenicali

Während der Ferrari-Teamchef sicherlich gern Testfahrten mit den neuen Reifen hätte, sieht Ross Brawn die Situation zwar ähnlich, argumentiert allerdings anders. "Die Wirtschaftslage ist kritisch und wir müssen die gesamte Formel 1 im Blick haben", so der Mercedes-Teamchef. "Mercedes ist beispielsweise nur deswegen werksseitig in die Formel 1 eingestiegen, weil man den guten Weg zur Kostensenkung sieht. Es soll in Zukunft keine Geldverschwendung mehr stattfinden."

Brawn und die Personalrotation

"Wir wollen an einer Formel 1 teilnehmen, die motorsportlich an der Spitze ist, neue Innovationen zulässt und die vielleicht insgesamt einen etwas anderen Weg einschlägt als in der jüngeren Vergangenheit", erklärt der Brite. "Natürlich finde ich es auch schade, dass Fernando nach seinem Crash in Monaco nicht am Qualifying teilnehmen konnte. Da müssen wir uns das Reglement im Detail vielleicht noch einmal anschauen."

"Vor allem aber müssen wir irgendwie dafür sorgen, dass wir ordentliche Reifentests bekommen. Das müssen wir hinbekommen", fordert Brawn. Allerdings brauche man dafür keine zusätzlichen Testteams. "Wenn wir zusätzliche Tests machen, dann ohne zusätzlichen Personalbedarf. Das ist ein Problem, weil wir noch viele Rennen vor uns haben." Schon jetzt seien viele Teammitglieder an der Belastungsgrenze.

"Wenn wir zusätzliche Tests machen, dann ohne zusätzlichen Personalbedarf." Ross Brawn

"Wir müssen mal sehen, wie wir es im kommenden Jahr mit 20 Rennen überhaupt schaffen", beschreibt Brawn das Dilemma. "20 Rennen sind toll, ich will mich nicht beklagen. Aber wir müssen unsere Leute dafür passend einteilen. Wir haben nun schon eine Art Rotationsverfahren. Ein zusätzliches Testteam kommt vor diesem Hintergrund gar nicht infrage. Wir sollten bei unserer Richtung bezüglich Kostensenkung bleiben."