Testfahrten spalten Meinungen: Lieber mehr Rennen?

Die Wiedereinführung der Testfahrten entzweit die Teamchefs: Speziell die kleineren Rennställe sehen hohe Kosten auf sie zukommen und stellen den Sinn infrage

(Motorsport-Total.com) - Im kommenden Jahr kommt auf die Teams viel Arbeit zu: Nicht nur das neue technische Reglement ist eine große Herausforderung, sondern auch der Kalender wird zu einer Belastung für die Mitarbeiter werden. 2014 wird es wahrscheinlich 20 Grands Prix geben, dazu kommen Testfahrten während der Saison. Die Teamchefs sehen dieser Tendenz mit gemischten Gefühlen entgegen. Auf der einen Seite sind mehr Rennen eine weitere Einnahmequelle, aber auf der anderen Seite ist die Belastung für die Mechaniker und Ingenieure auf der Strecke und in der Fabrik groß.

Titel-Bild zur News: Jules Bianchi

Der ausgedehnte Kalender ist vor allem für die Arbeiter im Hintergrund eine Belastung Zoom

Die Meinungen über einen ausgedehnten Kalender gehen auseinander. Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost spricht sich klar für mehr Rennen aus. "Das verlange ich immer. Ich bevorzuge es, wenn wir mehr Rennen haben, wo wir Geld verdienen können, anstatt für nichts Geld auszugeben. Deshalb würde ich es begrüßen, wenn wir zwei, drei oder vier zusätzliche Rennen haben, anstatt acht Tage zu testen, wo wir am Ende Runden für nichts fahren", äußert der Österreicher seine Meinung klipp und klar.

Gegen Testfahrten spricht auch, "dass die Zuverlässigkeit heute keine Rolle mehr spielt", so Tost. "Vor 15, 20 Jahren hat man gesagt, dass man einige Tests macht, damit die Autos zuverlässiger werden. Das ist nicht mehr länger der Fall. Derzeit kreieren wir ein neues Testteam, denn die Theorie, dass das Rennteam auch am Dienstag und Mittwoch die Tests durchführt, ist absolut falsch. Es bedeutet, dass wir am Sonntag das Testteam einfliegen, dann die Tests am Dienstag und Mittwoch machen, und dann fliegen sie zurück."

"Es geht aber nicht nur um die reinen Testfahrten. Es bedeutet, dass man neue Teile bringt, weil die Entwicklung gesteigert wird, genau wie die Kosten." Die Diskussionen um Testfahrten sind so alt wie die Formel 1 selbst. Die großen Werksteams wollen so viel wie möglich fahren, während auf die kleinen Privatrennställe eine Kostenlawine zukommt. "Es gibt viele Überlegungen", meint Claire Williams. "Wie Franz gesagt hat, für die Testfahrten muss man ein Testteam aufstellen."

"Vor einigen Jahren hat Williams das Testteam geschlossen. Jetzt sehen wir uns mit zusätzlichen Kosten konfrontiert, denn wir müssen ein Testteam auf die Beine stellen. Man kann die Rennmechaniker und Ingenieure nicht so lange Zeit arbeiten lassen. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten. Kann man diese Testtage zum Beispiel für ein Nachwuchsprogramm verwenden, das dann eine Einnahmequelle für das Team wird?"


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Damit spricht Williams die Young-Driver-Tests an, bei denen die meisten Teams die Plätze an zahlungskräftigte Nachwuchsfahrer verkaufen. "Wir haben derzeit interne Gespräche darüber, was das Beste wäre. Selbst wenn man vier oder zehn Rennen mehr pro Jahr fährt, dann braucht man zusätzliches Personal. Ich glaube, am Ende dreht es sich doch wieder nur um die Kosten, oder?"

Zehn zusätzliche Rennen?

Lotus-Teamchef Eric Boullier wirft sogar in den Raum, dass er statt Testfahrten bis zu zehn Rennen mehr pro Jahr fahren möchte. "Dazu möchte ich noch etwas sagen", so der Franzose. "Ich weiß, dass wir das gleiche Problem haben, denn unsere Teams sind für 20 Rennen ausgelegt. Sollten wir ein oder zwei zusätzliche Rennen fahren, dann könnten wir Probleme bekommen. Hätten wir zehn zusätzliche Rennen, dann hätten wir ein zweites Team. Deshalb habe ich zehn gesagt, denn für vier weitere Rennen wäre es schwierig. Es ist aber besser Rennen zu fahren als zu testen."

Ähnlich wie Boullier sieht es Bob Fernley, der stellvertretende Teamchef von Force India: "Eric hat hier bezüglich der Anzahl der Rennen einen guten Punkt angesprochen. Der Vorteil bei Testfahrten im Vergleich zu zwei oder drei zusätzlichen Rennen wäre, wenn man sich aussuchen dürfte, ob man testen geht. Wenn man nicht testet, dann muss man mehr Rennen fahren." Es ist zu erkennen, dass die Teamchef bezüglich der Testfahrten uneins sind. Lediglich die zusätzlichen Kosten vereint die Teamchefs.

Sebastian Vettel

Wäre eine Aufstockung auf bis zu 30 Rennen ein besserer Ansatz? Zoom

Deshalb glaubt Boullier, dass eine gute Lösung verpasst wurde. "Wir konnten uns nicht gemeinsam zusammensetzen und haben sicherlich eine Möglichkeit verpasst, indem wir nicht die Chance wahrgenommen haben, um diesen Prozess abzuschließen." Einwurf von Williams: "Wir sind alle zu wettbewerbsorientiert." Und Tost meint, dass das ein Teil der Formel 1 ist: "Wir treten nicht nur auf der Rennstrecke gegeneinander an, sondern auch hinter den Kulissen am grünen Tisch."

Und da sich die Teams nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen konnten, wird im kommenden Jahr wieder munter getestet werden. "Es gab viele Meetings, unglaublich viele Meetings", gibt Tony Fernandes, der Eigentümer des Caterham-Rennstalls, zu Protokoll. "Es gab so viele Vorschläge, aber am Ende entschieden sich einige Teams für eine Abspaltung. Wenn das passiert, gibt es eine Trennung und die ganze Sache mit den Regeln fällt auseinander. Ich glaube es lag daran. Am Anfang gab es eine große Einheit, aber dann wollten die Teams ihre eigenen Sachen machen."

Auf die Teams kommen mit den Testfahrten hohe Ausgaben zu. Wie viel Testfahrten für den Sport tatsächlich bringen, steht auf einem anderen Blatt Papier. Williams nennt ein Beispiel: "Wenn wir nach den ersten Rennen, nach Bahrain oder Barcelona, die Möglichkeit für Testfahrten gehabt hätten, dann hätte uns das vielleicht geholfen. Wir wissen es aber nicht. Es gibt für beide Seiten Argumente."