• 25.02.2016 15:16

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Techniker-Urgestein erklärt: So lässt sich Überholen erzwingen

Pat Symonds sieht nicht in veränderten Aerodynamikvorschriften, sondern in einem neuen Sportlichen Reglement den Schlüssel zu mehr Action in der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 sollte auf dem Weg zu mehr Überholmanövern neue Pfade einschlagen und die Teams dazu zwingen, sich der Sache bei der Autoentwicklung anzunehmen, fordert Pat Symonds. Für den Williams-Technikchef liegt der Schlüssel zu mehr Action in innovativen Regeln, darunter die heiß diskutierte umgekehrte Startaufstellung (mehr zu der Debatte um den so genannten "Reverse Grid"!). Er ist überzeugt: "Dann würden wir die Autos so entwickeln, dass das Überholen funktioniert."

Titel-Bild zur News: CDG-Flügel

Kuriose Idee, die scheiterte: Der CDG-Flügel einer FIA-Arbeitsgruppe

Symonds glaubt, dass die Aerodynamiker derzeit bestrebt seien, die Boliden auf maximale Leistung bei freier Fahrt zu trimmen. Sei jedoch von vorne herein klar, dass in den Rennen ohne Überholen kein Blumentopf zu gewinnen sei, würden sie umdenken. Die Hoffnung: Das Problem, dass die Autos beim Hinterherfahren hinter einem anderen durch die Luftverwirbelungen ("Dirty Air") an Haftung verlieren, würde durch Kompromisse zu Ungunsten des Tempos ohne Verkehr, eliminiert.

In diesem Zuge lobt Symonds die am Mittwoch bekannt gewordenen Qualifying-Regeln 2016 (hier das neue Prozedere am Samstag nachlesen!), mit denen die Startaufstellung durcheinandergewirbelt werden soll. "Es ist nicht so, dass die Teams nichts ändern wollten", meint das Urgestein unter den Ingenieuren. "Es ist einfach verdammt schwierig. Denn das Ziel ist es seither, mit den Autos mehr Abtrieb zu generieren." Dem Überholen ist diese Maxime jedoch in den meisten Fällen abträglich.

Gescheitert: "Arbeitsgruppe Überholen" und CDG-Flügel

Doch Symonds unterstreicht: "Außer, die Regeln zwingen dazu, an den Überholmöglichkeiten zu arbeiten." Zuletzt galten die Versuche der FIA und der übrigen Teilhaber am Regelbildungsprozess allen voran Vorschriften für Flügelkonfigurationen, Abmessungen und bestimmten Aerodynamik-Komponenten. Symonds beschreibt die so genannte "Arbeitsgruppe Überholen" als ersten Versuch, das Problem wissenschaftlich anzugehen, spricht jedoch von Finanzierungsproblem des Projekts.

Dass kein Windkanal auf dem neuesten Stand der Technik zur Verfügung stand, sei ein Sargnagel gewesen, so Symonds weiter. Die Arbeitsgruppe, zu der auch selbst zählte, hatte 2007 mit einem kuriosen Modell für Aufregung gesorgt. Nick Wirth fand eine Lösung, für die Ästheten allerdings den Keller aufsuchten müssen: Der frühere Simtek-Teamchef und Technikdirektor bei Benetton zeichnete ein Konzept namens "Centreline Downwash Generating Wing", kurz CDG-Flügel.


Fotostrecke: Die zehn denkwürdigsten F1-Regeländerungen

Williams sieht Effizienzvorteil schwinden

Der Clou: Zwei kleine Heckflügel auf Breite der Hinterräder sollten für 20 bis 30 Prozent weniger Abtriebsverlust in der "Dirty Air" sorgen und es möglich machen, dichter aufzufahren, doch die Idee verschwand in der Versenkung, obwohl eine Umsetzung damals konkret erwogen wurde.

Für die anstehende Formel-1-Saison rechnet Symonds damit, dass die Boliden trotz eines stabilen Reglements weiter mehr Abtrieb erzeugen. "Die Daten zeigen, die Fahrer bestätigen es: Wir sind jetzt einen Schritt weiter. So scheint es auch bei den anderen zu sein", sagt Symonds bezüglich seiner Eindrücke von den Testfahrten in Barcelona, richtet sein Augenmerk jedoch allen voran auf den Benzinverbrauch, schließlich lässt sich auch durch ein geringeres Startgewicht Zeit gewinnen.


Fotos: Test in Barcelona


Mercedes und seine Kunden seien nicht mehr unantastbar: "Mit Beginn der Hybridära wurden Ziele in Sachen Effizienz erreicht, die die anderen jetzt auch erreicht haben. Da heben wir und nicht mehr so stark ab", so Symonds, der die altbekannten Aerodynamik-Probleme bei Williams mit dem FW38 ausradieren will: "Jetzt wollen wir verstehen, wieso es uns in langsamen Kurven an Abtrieb mangelt." Das Nasenkonzept Force Indias mit zwei Löchern sei in diesem Zuge schon 2014 geprüft worden: " Wir haben es aber nicht soweit hinbekommen, dass es ein Vorteil wäre."