Teamchef Ron Dennis im Interview
Der McLaren-Teamchef spricht ausführlich über die Verpflichtung Kimi Räikkönens und die Situation mit Mika Häkkinen
(Motorsport-Total.com/Haymarket) - Nach Monaten anhaltender Spekulationen, hat das McLaren-Team bekanntlich heute seine Fahrerpaarung für die Saison 2002 mitgeteilt und mit der Nachricht, dass sich Mika Häkkinen ein Jahr Pause zusammen mit Ehefrau Erja und Sohn Hugo gönnt, sowie durch Kimi Räikkönen ersetzt wird, teilweise für Überraschungen gesorgt. Obwohl Häkkinen nach Beendigung dieser Saison sich nun zunächst ins Privatleben zurückziehen wird, so steht er weiterhin bei McLaren unter Vertrag, sodass seine Rückkehr 2003 prinzipiell möglich ist. In Monza sprach Teamchef Ron Dennis über die Entscheidungen die letzten Endes zur Verpflichtung Räikkönens führten und den Sinn dahinter.

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Dennis: "Mika könnte das Leben am Strand sehr attraktiv finden..."
Frage: "Was passiert, wenn Mika ein Leben fernab des Rennsports vorzieht und 2003 nicht ins Team zurückkehren möchte?"
Ron Dennis: "Ich denke, dass diese Möglichkeit grundsätzlich besteht. Zuerst einmal denke ich aber, dass [diese Entscheidung, Anm. d. Red.] es aber nicht so abwegig ist. Unter anderen Umständen hatte Niki Lauda ebenfalls viel Zeit fernab des Rennsports verbracht und kam dann zurück und gewann die Weltmeisterschaft. Bei Alain Prost war es auch so. Wie Mika erklärt hat, so hat er seit er ein kleiner Junge war immer hinter dem Steuer eines Autos gesessen und in der modernen Formel 1 wird man sehr in Anspruch genommen. Die Fahrer müssen hart in ihrem Auto arbeiten, testen und haben Sponsorenverpflichtungen zu erfüllen. Irgendwo sind wir alle nur Menschen und eine gewisse geringer werdende Motivation tragen wir auch alle in uns. Als er in Monaco anfing mit uns darüber zu sprechen - er hat das nicht von einem Tag auf den anderen entschieden - fragte er, ob es möglich wäre zu pausieren. Ich dachte zunächst, dass das ein bisschen unüblich sei, jedoch ist es eine wahre Alternative zu einem dramatischen Rücktritt. Er liebt das Rennfahren, er liebt es immer noch, jedoch will er eine Pause."
Frage: "Hat Kimi Räikkönen einen Langzeitvertrag erhalten?"
Dennis: "Alle Fahrer haben Verträge für mehrere Jahre. Natürlich haben nicht alle die gleichen Klauseln, jedoch ist es eine genaue Bezeichnung, wenn ich von 'Jahren' spreche. Dies gilt für alle, inklusive Mika Häkkinen."
Frage: "Peter Sauber hat deutlich gesagt, dass er Kimi nicht gehen lassen wollte. Deshalb ist anzunehmen, dass es eine finanzielle Entschädigung gab. Ich bin sicher, dass Sie nicht über deren Höhe sprechen wollen, jedoch können Sie sagen, ob es eine größere Summe ist und diese womöglich über mehrere Jahr hinweg gezahlt wird?"
Dennis: "Um ein paar Sachen klarzustellen: Die einzige Abmachung zwischen den beiden Teams ist von finanzieller Art. Irgendetwas anderes gibt es nicht. Ich habe von Dingen gehört die total spekulativ und fernab jeder Realität waren. Es wird eine entsprechende Summe gezahlt, welche ganz klar akzeptabel ist, denn andernfalls hätte keine Partei dem zugestimmt. Aber wie du schon gesagt hast, es wäre nicht angebracht über die Höhe zu sprechen."
Frage: "Sie haben immer gesagt, dass Sie versuchen die besten Fahrer für McLaren zu bekommen. Bedeutet das, dass Kimi hinter David Coulthard die zweitbeste Wahl ist?"
Dennis: "Ich glaube, dass die Tatsache, dass wir uns seine Dienste gesichert haben, die Frage schon beantwortet. Aber es ist angemessen zu erklären, dass nicht ich oder meine Kollegen bei McLaren diese Entscheidung alleine getroffen haben. Diese Entscheidung wurde von mir und Norbert Haug getroffen. Natürlich haben wir uns vorher alle Optionen angesehen und uns dann mit allen ausgetauscht die dafür stimmten. Es macht ja keinen Sinn etwas unbedingt zu wollen, wenn Entscheidungsträger dagegen sind. Norbert Haugs und meine Aufgabe war es deshalb, unsere Sicht den Mitgliedern des Aufsichtsrates von DaimlerChrysler und in meinem Fall Martin Whitmarsch und Adrian Newey näher zu bringen. Es war in Bezug auf die zu gehende Richtung eine einstimmige Entscheidung. Es hat auch großen Sinn gemacht Alexander Wurz im Team zu halten. Natürlich ist er enttäuscht nicht unser zweiter Fahrer geworden zu sein, jedoch benötigen wir einen erfahrenen Fahrer der über ein großes Fachwissen verfügt, welches man bei der Entwicklung eines Rennteams benötigt. Ich habe zu ihm gesagt, dass es unser Ziel ist ein besseres Team zu sein, und dass wir die Entscheidung auf Grundlage unserer Sicht wie wir in vielerlei Hinsicht vorankommen können getroffen haben. Wir haben schon vor Monaten zusammengesessen und diskutiert, was nötig ist um ein besseres Team an der Spitze des Motorsports zu werden. Wir sorgen uns nicht weil wir Fehler gemacht haben, aber wenn man besser sein will muss man Veränderungen vornehmen. Der Prozess in Bezug auf die Fahrerwahl - auf die weitere Unterstützung von Alexander zu bauen, David zu erläutern warum wir in eine jüngere Generation vertrauen - und die anderen Dinge ist nur ein Teil des Gesamten. Die Fahrer sind ein grundlegender, wichtiger Bestandteil dieser Sache."
Frage: "Gehen Sie davon aus, dass Kimi´s Manager Steve und David Robertson weiterhin mit ihm zusammenarbeiten werden?"
Dennis: "Ja. Sie sind von ihm als Verantwortliche ausgewählt worden und haben mit ihm gearbeitet. Sie sind sehr korrekt gewesen. Selbstverständlich sind beide noch sehr neu in der Formel 1, weshalb sie verständlicherweise überrascht über die Verhandlungen waren. Wir sind kein kompliziertes Team. Wir haben ganz offen und deutlich mitgeteilt was wir vorhaben und beide sind in ihrer Antwort und wie wir vorankommen wollen sehr professionell gewesen. Es sollte erwähnt werden, dass wir Kimi ganz deutlich gesagt haben, dass wir diesen Deal nur mit der Zustimmung von Peter Sauber machen können. Wir würden nie jemanden einfach so abwerben."
Frage: "Welche anderen Fahrer hätten denn sonst noch zur Auswahl gestanden?"
Dennis: "Nun, Kimi stand unter Vertrag, weshalb man davon ausgehen kann, dass es sich um jeden Fahrer in der Boxengasse gehandelt haben kann. Wir haben einen vertraglich gebundenen Fahrer aber nicht als Problem angesehen, vorausgesetzt wir könnten uns einigen ohne jemanden abwerben zu müssen. Nun könnte man natürlich sagen, 'Warum habt Ihr nicht Michael genommen?', aber man muss nicht Einstein heißen, um zu verstehen, warum wir in dieser Hinsicht keine Überlegungen angestellt haben. Wir mögen viele Dinge sein, jedoch sind wir nicht Fort Knox!"
Frage: "Wenn Mika 2003 zurückkehren sollte, würde Kimi dann automatisch Testfahrer werden oder würden Sie ihn an ein anderes Team ausleihen?"
Dennis: "Wir stehen ja erst am Anfang unserer Zusammenarbeit mit Kimi... Wir haben aber unsere Absicht, langfristig mit den Fahrern zusammenarbeiten zu wollen, schon erklärt. Dies wird sich auch nicht ändern. Es wäre voreilig, würde man jetzt über die Einzelheiten und Möglichkeiten sprechen. Aber wir haben alle Sachen bedacht. Wie ich bereits erwähnte, so könnte Mika vielleicht Gefallen am Leben am Strand finden. Allerdings weiß er zur gleichen Zeit, dass er nicht nur einfach so vor sich hin leben kann. Er muss seine Rückkehr in den Motorsport wollen und zu dem Zeitpunkt an dem wir eine Entscheidung treffen werden, werden wir darüber nachdenken was richtig wäre. Wir werden eine positive Lösung finden."
Frage: "Könnte Mika eventuell im nächsten Jahr in einer anderen Motorsportserie Rennen bestreiten?"
Dennis: "Mika ist vertraglich an das Team für einige Jahre gebunden, so, wie die anderen Fahrer auch. Er könnte das nicht ohne unsere Zustimmung. Einfach zu sagen, 'Nein', wäre nicht ehrlich, jedoch haben wir keine Pläne in dieser Richtung."
Frage: "Wir haben am Beispiel von Jenson Button gesehen, dass das zweite Jahr schwierig sein kann. Wie stehen die Chancen, dass es Kimi ähnlich ergehen könnte?"
Dennis: "Ich denke, dass es alles eine Frage der Umgebung ist, in welcher ein junger Fahrer sich befindet und welche Art von Unterstützung und Führung er erfährt. Ich hoffe, dass unsere Umgebung einen Einfluss auf seine Karriere haben wird."
Frage: "Wird Mika dabei eine Rolle spielen, wird er Kimi führen?"
Dennis: "Darüber ist bislang nicht gesprochen worden. Aber wenn er das wünschen sollte und es möglich ist, so wäre dies sicherlich willkommen. Ich weiß, dass Mika sich als Vater-Figur von Kimi fühlt. Aber wie gesagt, es hat darüber keine Abmachungen gegeben, es wurde nichts vereinbart."
Frage: "Hoffen Sie auf Mikas Rückkehr?"
Dennis: "Ich glaube, dass das Wort hoffen nicht richtig passt. Was wir versuchen zu tun, ist entscheidend an der Zukunft unseres Team zu arbeiten und Optionen dafür zu entwickeln. Das ist [Mika Rückkehr, Anm. d. Red.] ganz klar eine Option die wir haben. Wir sind bezüglich seiner Wünsche sehr entgegenkommend und mitfühlend gewesen."
Frage: "Das sieht so aus, als ob es eine 'Wird er zurückkommen, oder wird er es nicht'-Situation ist. Denken Sie, dass das eine negative Wirkung auf das Team haben könnte?"
Dennis: "Nein. Es wird die beschriebene Situation sein. Wir versuchen nur die Optionen für die Zukunft des Teams offen zu halten. Ähnliche Situationen haben wir auch schon in der Vergangenheit bei uns oder anderen Teams gesehen. Es ist ja keine simple Angelegenheit von Vereinbarungen. Es ist vielmehr eine komplexe Angelegenheit und das offeriert dem Team die totale Flexibilität."
Frage: "Sie haben einmal klargestellt, dass es keine Teamorder bei McLaren gibt. Wird dem auch weiterhin so sein?"
Dennis: "Absolut, und dies war ein kritischer Punkt bei den Vertragverhandlungen. Man fragt jemanden wie Kimi ja nicht einfach 'Willst du fahren?' und er sagt dann einfach 'Na klar'. Er hatte Optionen, wovon eine die war, dass er bei seinem jetzigen Team bleiben konnte und anschließend in ein anderes Team hätte wechseln können. Das, was total unattraktiv war, war der Gedanke nur die Nummer 2 zu sein. Er ist da sehr offen. Dies hat es uns aber auch ein wenig leichter gemacht. Wir versuchen immer innerhalb unseres Teams eine Gleichbehandlung zu Gewähr leisten und vielleicht ist dies jetzt die Zeit in der sich das [für uns, Anm. d. Red.] ausgezahlt hat."

