• 09.07.2004 21:47

Symonds: "Formel 1 ist wie eine Wasserscheide"

Renaults Chefingenieur bringt seine Ideen in die Formel-1-Zukunftsdebatte ein und schlägt ein neues Format vor

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Pat, was war mit Trulli in Magny-Cours los? Werdet ihr jetzt einen Wecker in seinem Cockpit installieren?"
Pat Symonds: "Vielleicht einen Mickey-Mouse-Wecker! Das war so eine Sache. Jeder macht in seinem Leben Fehler und ich habe Mitleid mit den Fahrern, weil ihre Fehler so öffentlich sind. Gleichzeitig sind wir aber nicht sehr tolerant, was Fehler angeht. Es war ein sehr grundlegender Fehler, den er begangen hat, einer, der einem Fahrer im Anfangsstadium seiner Karriere passiert und aus dem er lernen sollte. Der Fairness halber muss man aber sagen, dass Jarno das voll auf seine Kappe nimmt. Er gibt zu, dass er nicht vorsichtig war, er hat nicht genügend gedacht und Erkenntnis ist ja bekanntlich der erste Schritt zur Besserung."

Titel-Bild zur News: Pat Symonds

Symonds will am Freitag nur noch testen und erst ab Samstag Trainings

Frage: "Ihr legt immer noch fantastische Starts hin. Überrascht es dich, dass die anderen Teams da nicht aufgeholt haben?"#w1#
Symonds: "Als wir noch die Startautomatic hatten, war ich schon überrascht, dass niemand aufgeholt hat. Wir waren damals ziemlich spät damit dran, hatten erst beim britischen Grand Prix eine Startautomatik, weil wir uns so lange mit der Entwicklung Zeit gelassen haben. Ich war angenehm überrascht, dass wir den Vorsprung durch das Jahr hindurch verteidigen konnten, aber es überrascht mich doch sehr, dass wir den Vorsprung ins nächste Jahr mitnehmen konnten. Diese Startsysteme sind jetzt bei weitem nicht mehr so komplex wie früher. Es gibt noch einzelne Elemente, die man kontrollieren kann, und das tun wir. Von den automatischen Systemen haben wir eine Menge für die sogenannten manuellen Systeme gelernt und ich denke, das hilft uns."

"Die Formel 1 ist so etwas wie eine Wasserscheide"

Frage: "Es gab diese Woche ein Treffen der Technischen Arbeitsgruppe der Formel 1. Was ist dabei herausgekommen, wie geht es jetzt weiter, was sind die Probleme, was die Stärken und Schwächen der Änderungsvorschläge? Was passiert jetzt?"
Symonds: "Die Formel 1 ist so etwas wie eine Wasserscheide, denn wir haben viele Anforderungen. Was wir uns jetzt vorgenommen haben, ist die Verbesserung der Sicherheit. Wir stimmen nicht darin überein, dass die Autos zu schnell sind, aber wir stimmen darin überein, dass sie zu schnell werden, wenn nichts unternommen wird. Darüber wird jetzt schon seit etwa 18 Monaten diskutiert und ein fundamentaler Punkt ist die Einschränkung der Motorleistung. Wir können nicht länger nur am Chassis oder nur an den Reifen arbeiten. Jetzt haben wir einen Punkt erreicht - ausgelöst durch die FIA -, an dem wir sagen, das mit den Motoren wird ein Weilchen dauern, also müssen wir auch sonst etwas machen. Da haben wir eine befriedigende Lösung gefunden. Wenn ich von einer Wasserscheide spreche, meine ich, dass es ja auch noch andere Ziele gibt. Das muss nicht unbedingt im Kontrast dazu stehen, aber es gibt jetzt wirklich ernsthafte Bemühungen, die Kosten einzudämmen. Man kann das auch anders sehen, nämlich als Steigerung des Einkommens, was das Spektakel besser machen könnte. Wir müssen darauf achten, nicht in eine Richtung zu gehen und die beiden anderen zu übersehen. Die drei großen Ziele - Sicherheit, Kosten, Show - können friedlich nebeneinander bestehen, aber es bedarf einer Menge Denkarbeit. Ich finde, dass wir in Sachen Sicherheit einen sehr professionellen Job gemacht haben. Das müssen wir jetzt auch hinsichtlich des Geldes und hinsichtlich der Show erreichen."

Frage: "In den letzten 17 Runden in Frankreich fuhren drei Autos knapp hintereinander, und ja, es gab ein Überholmanöver, aber eher durch glückliche Umstände. Was kann man unternehmen, damit das Überholen wieder einfacher gemacht wird?"
Symonds: "Meiner Meinung nach gab es in Frankreich sogar ein Überholmanöver zu viel! Im Ernst, wir müssen dieses Problem als Teil des Ziels sehen, das Spektakel zu verbessern. Das Problem ist, dass wir nicht wissen, was das Spektakel verbessern würde. Es wird vom Überholen geredet und ich stimme zu, aber ist Überholen wirklich alles? Wenn man sich eine Serie wie die NASCAR anschaut, wo die Führung andauernd wechselt, dann muss man sich fragen, ob wir das wirklich wollen. Andererseits steigen die Zuschauerzahlen beim Rallye-Sport signifikant an und da gibt es auch kein Überholen nach der eigentlichen Definition. Wir brauchen Fahrer, die ihre Autos sehr offensichtlich ans Limit bringen, das muss man sehen können, aber das haben wir nicht. Wenn man ein Rallye-Auto sieht, denkt man, 'Ja, der Junge kann was, was ich nicht kann'. Die Formel-1-Autos sind heute so fortschrittlich, dass man beim Zuschauen beinahe glauben könnte, man könnte selber damit fahren. Das Überholen ist ein wichtiger Faktor, aber ein schwer zu verstehender. In der Formel 1 ist es im Moment sicher zu schwierig. Viele Studien wurden diesbezüglich schon angestellt und werden jetzt neu aufgerollt. Sie sollten Teil eines ganzen Pakets sein, das schlussendlich eine neue Formel 1 bringt, wenn man so will."

Auch Symonds für Eingriffe ins Motorenreglement

Frage: "Wie steht ihr zu den Motoren? Gibt es eine Opposition gegen die V8-2,4-Liter-Motoren und würdet ihr lieber bei V10-Motoren bleiben?"
Symonds: "Wenn man die Entwicklungsrate und die auf dem Spiel stehende Technologie bedenkt, ist der einzig logische Weg, die Leistung zu begrenzen, eine Reduzierung des Hubraums. In der Technischen Arbeitsgruppe haben wir vor nicht allzu langer Zeit 700 PS als den Bereich identifiziert, in dem man ausreichende Sicherheit gewährleisten kann. Ein 2,4-Liter-Motor würde in etwa diese Leistung produzieren und es macht Sinn, auf V8 zu gehen, denn die Zylindergröße würde sich dadurch kaum ändern. Es würden High-Tech-V8-Motoren sein, nicht so schwerfällige V8-Motoren wie die amerikanischen. Wir würden 19.000 oder 20.000 Touren drehen, sie werden komplex sein, aufregend. Werden die Zuschauer auf den Tribünen wirklich merken, ob ein 2,4-Liter-V8 drin ist oder ein 3,0-Liter-V10? Ich bezweifle es."

Frage: "Es wird darüber diskutiert, künftig mehr Rennen zu haben und dafür weniger zu testen. Was wäre die für euch akzeptable Untergrenze an erlaubten Testfahrten, falls es weitere Beschränkungen geben sollte?"
Symonds: "Ich würde ungefähr auf die Hälfte der bisherigen Testtage runtergehen, finde, dass 24 Tage während der Saison vernünftig wären. Außerdem bin ich für Ein-Ort-Tests. Damit meine ich nicht, dass alle Teams in einer bestimmten Woche auf einer bestimmten Strecke testen müssen, sondern dass untersagt wird, dass ein Team gleichzeitig auf mehreren Strecken testet, denn dann bräuchte man nur noch ein Testteam. Vor der Saison denke ich nicht, dass es Beschränkungen geben sollte, denn im Januar und Februar müssen wir nun einmal unsere Entwicklungsarbeit absolvieren. Das beinhaltet auch, dass die Autos sicher genug sind und so weiter. Ich wünsche mir also Januar und Februar unbegrenzt, 24 Tage während der Saison und nach der Saison eine ähnliche Lösung, wie wir sie jetzt haben, vielleicht ein bisschen stärker begrenzt, aber man braucht im Dezember auch Tests, um junge Fahrer evaluieren zu können und so weiter. Das sage ich freilich beruhend auf der Annahme, dass sich das Format gegenüber jetzt nicht wesentlich ändern wird. Gleichzeitig finde ich aber, dass unser momentanes Format nicht ideal ist, denn wir fahren am Freitag ein paar Stunden durch die Gegend, reden darüber, wie man das Qualifying interessanter machen könnte und ich finde, dass man alle Ideen in einen Pott werfen sollte - die beste Lösung ist doch, am Freitag auf der Strecke, auf der das Rennen gefahren wird, zu testen, und das eigentliche Rennwochenende erst am Samstag zu beginnen. Das macht meiner Meinung nach sehr viel Sinn, aber wir hängen in der Formel 1 zu sehr an den Traditionen. Vielleicht sollten wir endlich ein paar frische Ideen einbringen."