• 14.04.2011 11:20

  • von Dieter Rencken

Sutil: "Die Leute hatten mich vergessen"

Adrian Sutil im Interview: Wie er darum kämpft, nicht vergessen zu werden, warum sein Teamkollege kein echter Rookie ist und wo man Nachholbedarf hat

(Motorsport-Total.com) - Nach den überraschenden WM-Punkten beim Saisonstart in Melbourne musste sich Adrian Sutil in Sepang hinter seinem Teamkollegen Paul di Resta anstellen und fasste den undankbaren elften Platz aus. Beide haben bisher zwei WM-Punkte auf dem Konto. Wieso der Force-India-Pilot nach den ersten zwei Rennen ein positives Fazit zieht, wie er darum kämpfen musste, nicht in Vergessenheit zu geraten und wo die Problemzonen seines Boliden liegen, verrät er im Interview.

Titel-Bild zur News: Adrian Sutil

Adrian Sutil litt im Winter unter dem schwachen Saisonende 2010

Frage: "Adrian, wie beurteilst du die ersten zwei Rennen?"
Adrian Sutil: "Das Auto ist im Rennen deutlich besser als im Qualifying. Da können wir uns noch etwas verbessern. Wir sind nicht weit von den Top-10 entfernt. Alles läuft gut - besser als erwartet. Ich bin ganz zufrieden, vor allem, wenn ich bedenke, wo wir in Barcelona beim letzten Test waren. Da haben wir uns wirklich erfangen. Bei den europäischen Rennen sollten wir uns noch einmal deutlich verbessern."

Frage: "Rechnest du mit einem großen Schritt?"
Sutil: "Ja, der große Schritt kommt bei den europäischen Rennen. Wenn wir jetzt in der Nähe der Top-10 sind, dann könnten wir danach sehr gut aussehen."

Renn-Wochenenden 2011 als größere Herausforderung

Frage: "Das Auto scheint jetzt viel konstanter zu sein als in Barcelona. Damals kam der Abtrieb und ging wieder."
Sutil: "Ich hatte am Freitag in Malaysia immer noch einige Probleme mit fehlender Konstanz beim Abtrieb, beim Flügel und mit all diesen Spezifikationen. Als wir dann am Samstag für das Rennen arbeiteten, da war es plötzlich ein ganz anderes Auto. Es ist anders als letztes Jahr: Damals war wir am Freitag sehr schnell und mussten uns nur auf einfache Dinge konzentrieren. Man ging dann ins Qualifying und wusste, was man hatte."

"Jetzt gibt es viel größere Probleme und das Auto ändert sich während des Wochenendes sehr stark. Man weiß nie, woran man ist. Im Rennen haben wir dann aber eine fantastische Balance. Es sollte aber schon im Qualifying so sein."

"Im Rennen haben wir eine fantastische Balance, es sollte aber schon im Qualifying so sein." Adrian Sutil

Frage: "Woran liegt es, dass die Balance so schwankt?"
Sutil: "Das hängt mit den Reifen und mit der Strecke zusammen. Die Balance wechselt viel mehr als letztes Jahr auf den Bridgestone-Reifen. Wir verwenden im Laufe des Renn-Wochenendes immer mehr Frontflügel - man geht von der niedrigsten Einstellung zur höchsten. Und trotzdem haben wir Untersteuern. Man muss verstehen, wie das Setup funktioniert."

Frage: "Gibt es große Schwankungen zwischen den unterschiedlichen Reifensätzen?"
Sutil: "Ich würde nicht sagen, dass die Konstanz bei hundert Prozent liegt. Auch auf einer schnellen Runde gibt es Schwankungen - das könnte mit der Temperatur, mit dem Reifendruck zusammenhängen. Im Rennen hatte ich keine Probleme. Die weichen Reifen waren sehr konstant, aber es könnte sein, dass es inkonstante Reifen gibt."

Sutil kämpft um Aufmerksamkeit

Frage: "Du bist in keiner einfachen Situation, da Force India im Vergleich zum Aufwärtstrend der letzten Jahre etwas stagniert."
Sutil: "Ja. Man will eigentlich weiter vorwärts kommen und den nächsten Schritt machen, wenn man beim Team bleibt. Das ist uns im Vorjahr gelungen, aber in den letzten Rennen hatten wir Probleme. Und das sind eigentlich die Rennen, in denen man beeindrucken will. Ich habe beobachtet, dass die Leute komplett vergessen haben, was ich im ersten Teil der Saison gemacht habe."


Fotos: Force India, Großer Preis von China


"Das ist etwas schwierig. 2009 war das Auto in den letzten vier Rennen in einigen Bereichen sehr schnell. Die Leute hatten mich im Winter stets auf der Rechnung. Dieses Jahr musste ich alle erinnern. Dann waren wir beim Saisonstart auch nicht allzu konkurrenzfähig. Das kann in der Formel 1 sehr schnell gehen. Man muss seine Chancen immer nutzen."

"Die Leute hatten mich Anfang 2010 stets auf der Rechnung, dieses Jahr musste ich alle erinnern." Adrian Sutil

Frage: "Wie gehst du damit um, dass dein Teamkollege Paul di Resta als Rookie ständig in den Schlagzeilen ist, weil er bei den ersten Rennen gepunktet hat?
Sutil: "In der Formel 1 steht man immer unter Druck. Ich will gegen die Besten kämpfen und habe kein Interesse daran, gegen Fahrer anzutreten, die nicht einmal geradeaus fahren können. Ich bin froh, dass ich einen neuen Teamkollegen habe, weil es auch für mich eine neue Herausforderung ist. Ich kann auch von einem Rookie lernen, auch wenn ich ihn nicht als typischen Rookie sehe. Er fuhr mit der DTM vier Jahre lang in einer sehr professionellen Rennserie, hat dort mit einem Werksteam gearbeitet."

"Das ist etwas anderes, als wenn du aus der GP2 oder aus der Formel 3 in die Formel 1 kommst und alles für dich neu ist. Dann macht man natürlich viele Fehler. Er fährt aber ganz anders und weiß, was er tun muss, kennt sich mit Boxenstopps, mit der Strategie und mit allem aus. Jetzt hat er nur ein schnelleres Auto als in der Vergangenheit. Ich mag die Herausforderung und es ist noch sehr früh. Wenn ich dieses Wochenende kein Problem habe, dann können wir uns gegenseitig antreiben."

Was Sutil an China schätzt

Frage: "Was hältst du vom Grand Prix von China?"
Sutil: "Das ist ein schöner Ort. Die Strecke ist sehr speziell, es gibt viele unterschiedliche Kurven. Da muss man die richtige Balance finden, die richtige Linie. Die Rennen sind hier auch gut - es hat in den vergangenen Jahren ein paar Mal geregnet, das war immer recht aufregend. Ich mag auch die Stadt sehr gerne."

Frage: "In Melbourne bekommt man sofort mit, dass dort ein Rennen stattfindet. Das ist hier nicht der Fall."
Sutil: "Die Strecke ist recht weit weg vom Stadtzentrum. Es sind auch nicht so viele Leute hier, dennoch ist es eine herausfordernde Rennstrecke. In Melbourne ist die Atmosphäre vielleicht etwas besser. Sie lieben den Sport mehr als die Leute hier. Sie müssen die Formel 1 erst verstehen lernen. Melbourne ist ein richtiges Stadtrennen. Man kann die zwei Rennen eigentlich nicht vergleichen."

"Es sind nicht so viele Leute hier, dennoch ist es eine herausfordernde Rennstrecke." Adrian Sutil

Frage: "In der Türkei gibt es die schnelle Kurve 8, die die Reifen sehr stark beansprucht. Befürchtest du Probleme mit den Pirelli-Reifen?"
Sutil: "Wir testen jetzt den superharten Reifen und ich rechne damit, dass wir diesen Reifen in der Türkei einsetzen werden. Dennoch werden wir auch den weichen Reifen einsetzen. Es ist eine schwierige Kurve, in der es sogar bei den Bridgestone-Reifen immer wieder Schäden gab. Es könnte Probleme geben."

"Wir werden aber auch hier schon einige Schlüsse ziehen können. Die Kurve, die auf die Gegengerade führt, nimmt den linken Vorderreifen sehr hart ran. Auch die erste Kurve ist nicht ohne. Wir werden sehen, wie sich die Reifen verhalten. Aber das sollte schon machbar sein."