Susie Wolff: Wenn F1-Academy nicht funktioniert, dann funktioniert nichts

Was die F1-Academy laut Geschäftsführerin Susie Wolff von der insolvent gegangenen W-Serie unterscheidet und welche Auswirkungen schon erkennbar sind

(Motorsport-Total.com) - Der Auftritt der F1-Academy beim diesjährigen Formel-1-Grand-Prix der USA auf dem Circuit of The Americas in Austin war der Höhepunkt ihrer ersten Saison. Gleichzeitig war es für die Frauenrennserie, deren erste Titelträgerin die 23-jährige Spanierin Marta Garcia ist, der Beginn eines Weges, auf dem Scheitern keine Option ist.

Titel-Bild zur News: Susie Wolff, Jessica Edgar, Marta Gasparin

Susie Wolff, Jessica Edgar, Marta Gasparin Zoom

Mit Blick auf die Saison 2024, in der alle zehn Formel-1-Teams einen Fahrer und ein Auto unterstützen, ist sich Susie Wolff, Geschäftsführerin der F1-Academy, über eine Sache im Klaren. Sie sagt, dass die langfristigen Chancen für Frauen im Motorsport sehr wohl davon abhängen, ob die Rennserie ihre Mission erfüllen kann.

"Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass das, was wir hier machen, keine Eintagsfliege sein darf. Es darf nicht etwas glänzend Neues sein, das dann einfach wieder verschwindet. Es wäre sehr bedauerlich, wenn das passieren würde. Denn dann gibt es keine Chance für eine größere Vielfalt im Sport. Ich glaube, wenn das nicht funktioniert, wird funktioniert gar nichts", sagt Wolff nach der ersten Saison der F1-Academy.

Hinter Marta Garcia als der ersten Meisterin der F1-Academy hat sie Schweizerin Lena Bühler die Gesamtwertung der Saison 2023 auf dem zweiten Platz abgeschlossen. Dritte wurde Hamda Al-Qubaisi aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Carrie Schreiner aus Deutschland hat im Feld der 15 Fahrerinnen auf dem elften Gesamtrang abgeschlossen.

Susie Wolff, die ihr Amt als Geschäftsführerin der F1-Academy im März angetreten hat, vertritt einen klaren Standpunkt. Sie ist überzeugt, dass der Erfolg der Rennserie davon abhängt, mehr als nur ein erfolgreiches Rahmenprogramm für die Formel 1 zu sein, und davon, dass sie den schnellsten Frauen, die sie derzeit hat, dabei hilft, die Formelsportleiter in Richtung Grand-Prix-Sport zu erklimmen.

Wolff glaubt, dass die Zukunft der F1-Academy davon abhängt, die nächste Generation Rennfahrerinnen zu inspirieren und heranzubilden. Andernfalls bestehe die echte Gefahr, dass die Rennserie bald scheitert - wie es im vergangenen Jahr mit der W-Serie passiert ist.

F1-Academy 2023 auf dem Circuit of The Americas in Austin

Finale der F1-Academy 2023 in Austin, im Vordergrund Lena Bühler Zoom

"Ich hätte mir gerne den Luxus gegönnt, dass es einfach nur eine Rennserie mit 15 jungen Fahrerinnen wäre, die existieren könnte und den Fortschritt vorantreiben könnte", sagt Wolff über die Herausforderung, die sie mit der Übernahme der Leitung der F1-Academy angenommen hat. "Es muss viel mehr sein", ist sie überzeugt, "denn sonst werden uns in ein paar Jahren einfach die Fahrerinnen ausgehen".

Der Umgang mit dem Problem

Obwohl es Susie Wolff gelungen ist, alle Formel-1-Teams davon zu überzeugen, sich an der F1-Academy zu beteiligen, um Fahrerinnen zu unterstützen und in der zweiten Saison ihre Farben auf einem Auto zu präsentieren, gesteht sie, dass es nach wie vor eine gewisse Skepsis gegenüber der Vision der Frauenrennserie gibt. Dies wurde ihr in Gesprächen mit den aktuellen Formel-1-Teamchefs klar.

"Sie alle haben sich auf diese Mission eingelassen. Wir müssen sicherstellen, dass wir ein starkes Paket abliefern", sagt Wolff und verrät: "Ein Teamchef sagte zu mir: 'Die F1-Academy klebt doch nur ein Pflaster auf das Problem. Wollt ihr wirklich versuchen, das Problem zu lösen?'"

"Ja. Wir sind nicht hier als eine auffällige Serie, die nur versucht, Aufmerksamkeit zu erregen und 15 junge Fahrerinnen ins Rampenlicht zu stellen", so Wolff, die in ihrer eigenen Rennfahrerkarriere unter anderem in der DTM am Start war. "Ich habe das selbst erlebt. Ich weiß, wie schwierig es ist. Und ich weiß, wie wenige Frauen auf den unterschiedlichen Ebenen teilnehmen."

"Wir müssen uns also überlegen, wie wir das langfristig ändern können. Dazu müssen wir den Talentpool vergrößern, diesen Sport zugänglicher machen und die nächste Generation dazu inspirieren, einzusteigen. Die für mich wichtigste Botschaft, als ich mich mit den Teamchefs getroffen habe, war: "Okay, wir verstehen, warum ihr das macht und wie das etwas bewirken kann. Aber ihr müsst es richtig machen, denn die W-Serie hat es versucht und sie ist gescheitert.'"

Susie Wolff

Susie Wolff hat eine klare Vorstellung davon, was die F1-Academy leisten soll Zoom

Wolffs Antwort: "Wir müssen mehr sein als nur 15 Autos, die fahren. Denn das löst nicht das Problem, dass es nicht genügend Teilnehmerinnen gibt. Wenn man also nur diese [15 Frauen] herausgreift und versucht, ihnen zu helfen, dann geht das nicht an die Wurzel des Problems."

F1-Academy ist keine Wohltätigkeitsorganisation

Die F1-Academy wurde im vergangenen Jahr ins Leben gerufen, als die ebenfalls ausschließlich aus Frauen bestehende W-Serie aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten zusammenbrach. Anfangs war man skeptisch, warum sich die Formel 1 und Liberty Media für eine neue Rennserie einsetzen, die sich nicht wesentlich von der W-Serie zu unterscheiden schien - und zudem von den Fahrerinnen verlangte, dass sie Sponsoren mitbringen.

Wolff insistiert, dass es zwischen den beiden Rennserien deutliche Unterschiede gibt: "Ich bewundere, was die W-Serie in kurzer Zeit erreicht hat. Ich glaube aber, wir gehen es dahingehend an, dass wir die volle Unterstützung von ganz oben, von Liberty und der Formel 1, haben. Wir wollen ein finanzielles Geschäftsmodell aufbauen. Das kann nicht als Wohltätigkeitsorganisation existieren. Es muss etwas sein, das mittel- bis langfristig aus eigener Kraft überleben kann."

"Deshalb haben wir in diesem Stadium die zehn Formel-1-Teams an Bord. Und da wir F1-Academy heißen und im Besitz der Formel 1 sind, haben wir natürlich den Luxus, dass wir problemlos in den Formel-1-Kalender aufgenommen werden (F1-Academy-Kalender 2024). Außerdem werden wir nicht nur dafür sorgen, dass unsere Meisterin weiterkommt. Ich möchte, dass meine Meisterin die besten Chancen auf Erfolg hat", sagt Wolff.

Marta Garcia

Marta Garcia aus Spanien: Die erste Meisterin der F1-Academy Zoom

"Das bedeutet, sie in die richtigen Teams zu bringen und sicherzustellen, dass wir im Hintergrund arbeiten, um ihr die besten Chancen auf Erfolg auf der nächsten Ebene zu geben. Die Entwicklung muss stattfinden. Was die Pipeline angeht, so könnte man uns als Rennserie mit der W-Serie vergleichen. Ich glaube aber, darunter und darüber machen wir viel mehr", so die Geschäftsführerin der F1-Academy.

Der richtige Moment für den Wandel

Die ersten Auswirkungen kann Wolff bereits erkennen, sowohl in der F1-Academy als auch in der Welt insgesamt. So sind die Unterschiede der Rundenzeiten in der F1-Academy im Verlauf der ersten Saison dramatisch geschrumpft. "Beim ersten Qualifying des Jahres hatten wir in den Top 10 einen Abstand von zwei Sekunden. Beim sechsten Rennen waren es nur noch zwei Zehntelsekunden", sagt sie.

Auf Kart-Ebene ist die Zahl der Mädchen, die sich für die Britische Indoor-Kart-Meisterschaft qualifizieren wollen, von 18 auf 65 gestiegen. Das geht zum Teil auf die Bemühungen zurück, eine Akademie "Champions of the Future" zu schaffen.

Obwohl Wolff nicht davon ausgeht, dass die F1-Academy ein garantierter Erfolg wird, ist sie der Meinung, dass die Voraussetzungen dafür gegeben sind, da sie eine echte Chance bekommt. "Ich glaube, die Tatsache, dass es uns gibt, und die Tatsache, dass es mir gelungen ist, zehn Formel-1-Teams an Bord zu holen, hat die Welt verändert", sagt sie.

"Vielleicht hat sich das Gefühl in diesem Fahrerlager nicht geändert, aber wir haben sicherlich erkannt, dass sich die Welt verändert hat. Vielleicht ist es unfair zu sagen, dass sich die Welt verändert hat und sie dadurch in Zugzwang geraten sind, aber es gibt einige im Fahrerlager, die wirklich daran glauben, dass etwas getan werden muss", so Susie Wolff.

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