Surer: "Räikkönen muss voll angreifen und riskieren"
'F1Total.com'-Experte Marc Surer analysiert die WM-Chancen der "Silberpfeile" und erklärt, wie Qualitätskontrolle funktionieren müsste
(Motorsport-Total.com) - Kimi Räikkönen hätte durchaus die vergangenen acht Rennen gewinnen können, doch eine Serie an Pleiten, Pech und Pannen verhinderte dies: In Imola streikte in Führung liegend die Antriebswelle seines MP4-20, am Nürburgring kollabierte wenige Kilometer vor der Ziellinie die Radaufhängung, in Indianapolis wurde wegen des Michelin-Dilemmas nicht gefahren und in Magny-Cours und Silverstone musste Räikkönen wegen Strafversetzungen aufgrund von Motorschäden das Feld jeweils von hinten aufrollen.

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"Iceman" Kimi Räikkönen hat bislang eine verkorkste Saison in seinem Rückspiegel
"Sie tun offensichtlich alles, um zu verhindern, dass Kimi Weltmeister wird", meint 'F1Total.com'-Experte Marc Surer im Scherz über die Defekte bei McLaren-Mercedes. Gleichzeitig nahm er das britisch-deutsche Team aber auch in Schutz: "Man muss eines klarstellen: Das kann jedem passieren. Es hat sich aber in der Vergangenheit gezeigt - Michael Schumacher ist ein Paradebeispiel dafür -, dass jeweils der Weltmeister keine technischen Probleme hatte."#w1#
"Wer Weltmeister werden will, darf nicht ausfallen!"
"Es gibt immer die Möglichkeit, dass man im Rennen in eine Kollision oder dergleichen verwickelt wird, aber ein technischer Defekt ist bei der Dichte, die wir heute haben, eine ganz schlechte Voraussetzung. Es ist ja nicht einer um ein, zwei Sekunden schneller, sondern wir reden da vom Zehntelbereich - und dann ist so etwas inakzeptabel. Wenn man jetzt Alonso immer ins Ziel kommen sieht, wenn man an das Beispiel Schumacher denkt, dann muss man sagen: Wer Weltmeister werden will, darf nicht ausfallen", so der ehemalige Formel-1-Pilot.
Genau wie sein TV-Kommentatorenkollege Christian Danner von 'RTL' ist auch 'Premiere'-Mann Surer der Ansicht, dass Mercedes angesichts der jüngsten Motorschäden - Tests eingerechnet waren es drei binnen weniger Tage - die Qualitätskontrollen verschärfen muss. Ferrari sei diesbezüglich ein Paradebeispiel, denn vor der Saison 2005 hatte Michael Schumacher mehr als drei Jahre lang keinen einzigen technisch bedingten Ausfall zu verzeichnen.
Surer verweist auf "perfekte Qualitätskontrolle" bei Ferrari
"Ferrari hat mit einer perfekten Qualitätskontrolle vorgezeigt, wie man das richtig macht", weiß der Schweizer. "Bei Ferrari ist jeder einzelne Mitarbeiter, der ein Teil montiert, auch dafür verantwortlich, dass das Teil wirklich funktioniert. Das hat mir Ross Brawn einmal erklärt. Es ist nicht so, dass es eigens Leute gibt, die die Qualitätskontrollen durchführen, sondern der, der für das Teil verantwortlich ist, führt auch gleich die Qualitätskontrolle durch - damit wirklich nichts passieren kann."
"Alle sind in die Qualitätskontrolle involviert", fährt der 82-fache Grand-Prix-Teilnehmer fort. "Was Ferrari da aufgezogen hat, ist vorbildlich. Wenn man nun eine Vergangenheit wie Mercedes im letzten Jahr hat, dann müsste man eigentlich schon erwarten können, dass die das auch besser machen. Offensichtlich haben sie nichts unternommen. Dieses eine Prozent - da kann man rechnen, wie man will - wirkt sich doppelt schlimm aus, wenn der direkte Konkurrent absolut zuverlässig ist."
"Absolut zuverlässig" ist ein Attribut, welches im Moment auf Renault - zumindest im Fall von Fernando Alonso - zutrifft. Letzterer hat bei acht noch ausstehenden WM-Läufen 26 Punkte Vorsprung auf Räikkönen und kann daher selbst dann mit zweiten und dritten Plätzen Weltmeister werden, wenn der "Iceman" von nun an alles gewinnen sollte. Das umstrittene Punktesystem, welches Siege weniger belohnt als früher, tut das Übrige dazu.
Surer: "Räikkönen muss voll angreifen und riskieren"
"Wenn sie den Titel holen, dann nur, wenn Alonso auch mal ausfällt - was natürlich immer drin ist", sagt Surer über die "Silberpfeile". "Räikkönen muss voll angreifen und riskieren, denn ihm nützen Plätze hinter Alonso nichts. Das heißt, er muss immer alles geben." Aber: "Das Risiko steigt dadurch in der Qualifikation und im Rennen. Da kann schon mal was schief gehen. Jetzt ist er zweimal richtig gut durch das Feld gekommen, aber das muss ihm ja nicht immer so gelingen."
Der 'F1Total.com'-Experte befürchtet auch, dass die vielen Defekte mental an Räikkönen zehren könnten: "In Magny-Cours hat er es noch irgendwie verkraftet, aber wenn das zweimal hintereinander passiert, stinkt das jedem. Natürlich kann das intern für eine schlechte Stimmung sorgen. Das Team muss als Einheit funktionieren. Jeder einzelne Mechaniker muss das Gefühl haben: 'Wenn ich keinen Fehler mache, werden wir Weltmeister!' Wenn immer wieder was passiert, schlägt sich das auf die Motivation", so der 53-Jährige abschließend.

