Surer: "Alonso wäre ein würdiger Weltmeister"

Experte Marc Surer sieht Fernando Alonso in der Favoritenrolle, sein Herz schlägt aber für Sebastian Vettel: "Sebastian wäre der Pechvogel des Jahres"

(Motorsport-Total.com) - Marc Surer sieht für den WM-Showdown am kommenden Wochenende in Abu Dhabi die besten Chancen beim aktuellen Spitzenreiter Fernando Alonso: "Es gibt einen Vorteil Alonso, definitiv", glaubt der 'Motorsport-Total.com'-Experte und begründet: "Wenn keiner mehr Punkte macht, wenn es zum Beispiel einen Crash in der ersten Kurve gibt, ist er bereits Weltmeister."

Titel-Bild zur News: Marc Surer

Für Marc Surer ist Alonso Favorit, sein Herz schlägt aber eher für Vettel

Ob der Ferrari-Pilot dann auch ein verdienter Champion wäre, hält der 82-fache Grand-Prix-Teilnehmer für eine "schwierige Frage. Red Bull hat es verdient, aber welcher Fahrer? Andererseits: Wenn sich ein Team so steigert wie Ferrari, hätten sie es auch verdient - und Alonso sowieso, denn er hat mit seiner stoischen Ruhe nie aufgegeben, immer an den Titel geglaubt und dafür gekämpft. Alonso wäre daher sicher ein würdiger Weltmeister."

Vettel sentimentaler Favorit

"Im Prinzip wünsche ich mir, dass Vettel es hinkriegt, denn ich habe am Saisonbeginn auf ihn gesetzt", antwortet er auf die Frage nach seinem Wunschszenario. "Ich erinnere mich an drei Rennen, in denen er in Führung liegend aus- oder zumindest zurückgefallen ist. Das ist schon hart - es hat keinen so hart getroffen wie ihn. Wenn er nicht Weltmeister wird, ist er der Pechvogel des Jahres. Vielleicht haben die anderen einmal das Pech und er kann davon profitieren."

Red Bull braucht im Grunde genommen "nur" einen Doppelsieg, um nach der Konstrukteurs- auch die Fahrer-WM zu gewinnen. Denn ein Sieg von Sebastian Vettel würde zwar nicht reichen, wenn Webber Zweiter und Alonso Dritter wird, aber dann könnte es ein interner Platztausch für Red Bull richten. Surer traut dem Team den Doppelsieg zu: "Sie sind inzwischen auf jeder Strecke vorne. Selbst in Monza, was keine Red-Bull-Strecke war, waren sie vorne dabei."

Dass Red Bull in São Paulo nicht auf Stallorder gesetzt hat, findet er richtig: "Erstens ist Stallorder verboten und zweitens wäre es zu früh gewesen", unterstreicht der Schweizer. "Du weißt ja nicht, was in Abu Dhabi passiert. Stell dir vor, sie lassen Webber gewinnen, dann verschenkt Vettel sieben Punkte. Dann fällt Webber in Abu Dhabi aus und Alonso ist weiter hinten, weil er im Training ein Problem hatte oder was auch immer. Plötzlich würden Vettel die Punkte fehlen."

¿pbvin|512|3275||0|1pb¿"Das Risiko, im vorletzten Rennen schon Stallorder zu machen, wenn beide noch die Chance haben, Weltmeister zu werden, kann völlig nach hinten losgehen, weil du nie weißt, was passieren wird. Wenn Webber ausfallen sollte, wäre Vettel die einzige Chance für Red Bull, die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Aber wenn sie in der Konstellation von Interlagos auch in Abu Dhabi ins Ziel fahren sollten, würde ich es nicht verstehen", betont er.

Ein Webber-Titel durch Platztausch mit Vettel hätte zwar "natürlich" einen fahlen Beigeschmack, "aber immer noch besser so als gar nicht", erklärt Surer, der es vollkommen verstehen würde, wenn Vettel seinen Teamkollegen freiwillig - eine "befohlene" Stallorder hat Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz ja bereits ausgeschlossen - durchlassen würde: "Vettel kann dabei nur gewinnen. Er kann dann sagen, er hat es für das Team gemacht, wäre der psychologische Weltmeister."

Wiederholung von São Paulo 2007?

"Vor ein paar Jahren hatten wir diese Situation schon mal, als Massa bei seinem Heimrennen Räikkönen den Sieg geschenkt hat", erinnert er sich an São Paulo 2007. "Beim letzten Rennen ist es so, dass die FIA ein Auge zudrückt. Massa hat damals aber auch gesagt, dass er es freiwillig gemacht hat und nicht vom Team dazu gezwungen wurde. Teamorder bedeutet ja Order, also: 'Du musst es tun!' Ein Fahrer darf von sich aus immer Platz machen. Er darf nur nicht dazu gezwungen werden."

Außerdem fordert Surer, dass der umstrittene Stallorder-Paragraf 39.1 ("Teamorder, die sich auf ein Rennergebnis auswirken, sind verboten") nicht abgeschafft, aber präzisiert werden sollte: "Er müsste klar definiert werden. Eine Teamorder sollte dann erlaubt sein, wenn der andere Fahrer keine Chance mehr hat, den Titel zu gewinnen. Dann kommt es nicht vor, dass das schon Mitte der Saison losgeht, wie es Ferrari damals mit Schumacher/Barrichello und dieses Jahr in Hockenheim gemacht hat."

Felipe Massa vor Fernando Alonso

Die Stallorder von Hockenheim empfand Marc Surer nicht als gerechtfertigt Zoom

"Das finde ich eine Sauerei, denn das verfälscht die Rennen. Aber wenn man am Jahresende sagt, dass der Fahrer, der mathematisch keine Chance mehr hat, dem anderen Platz machen muss, dann ist das okay. Jetzt wären das Massa und Button - und beim letzten Rennen auch Vettel, wenn er vor Webber und Alonso führen sollte. Dann wäre Vettel ja auch draußen. Das wäre für mich die logische Regelung", so Surer, der glaubt, dass man das "mit einem Nebensatz" regeln könnte.

Übrigens: Lewis Hamilton hat der 'Motorsport-Total.com'-Experte wegen dessen 24-Punkte-Rückstand - 25 Punkte gibt es für einen Sieg - nicht mehr auf der Rechnung: "Da müsste schon das Yas-Hotel einstürzen", grinst Surer und winkt ab. Denn dass Alonso, Webber und Vettel leer ausgehen, gilt unter normalen Umständen als höchst unwahrscheinlich - und die Wettervorhersage für das Rennwochenende in Abu Dhabi ist gut.

Allerdings kann sich der Ex-Formel-1-Pilot vorstellen, dass McLaren mit einer starken Leistung zum Zünglein an der Waage werden könnte: "Ich traue das McLaren absolut zu. 2009 hatten sie den Vorteil von KERS, aber trotzdem: Die Pole-Position war ziemlich gewaltig. Das spricht schon dafür, dass er mitmischen könnte." Zur Erinnerung: Hamilton fuhr 2009 mit 0,667 Sekunden Vorsprung auf Vettel auf die Pole-Position, schied aber im Rennen mit Bremsdefekt aus.