• 11.11.2010 19:12

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Hülkenberg: Letzte Chance in Abu Dhabi

Experte Marc Surer wünscht Nico Hülkenberg, der sich in Abu Dhabi noch einmal empfehlen kann, für nächstes Jahr ein Williams-Cockpit

(Motorsport-Total.com) - Mit der Pole-Position in São Paulo hat Nico Hülkenberg seine Chancen auf einen Verbleib bei Williams stark verbessert, doch noch hat er den Vertrag nicht in der Tasche. Der Saisonabschluss in Abu Dhabi stellt für den Deutschen die letzte Chance dar, sich mit Leistung zu empfehlen, ehe Konkurrent Pastor Maldonado beim Young-Driver-Test probeweise in sein Cockpit klettert.

Titel-Bild zur News: Nico Hülkenberg

Nico Hülkenberg wirkt seit seiner ersten Pole-Position deutlich entspannter

Der Venezolaner bringt angeblich eine zweistellige Millionensumme des Mineralölkonzerns PDVSA mit, doch Frank Williams hat sich jahrelang dagegen gewehrt, sportliche Realitäten zu leugnen und stattdessen wirtschaftliche Gesichtspunkte in den Vordergrund zu stellen. Etwas anderes wäre ein Tausch Hülkenberg gegen Maldonado nicht, denn Hülkenberg gewann das ART-Stallduell 2009 klar mit 10:0, obwohl es seine erste und Maldonados dritte GP2-Saison war.

Hülkenberg macht es Williams schwer

"Auch wenn sie es nicht zugeben: Das wird schwierig", sagt 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer über die Möglichkeit, Hülkenberg als ersten Williams-Polesetter seit Nick Heidfeld 2005 auf dem Nürburgring vor die Tür zu setzen. Die Performance am Samstag in São Paulo habe für sich gesprochen: "Einen Fahrer, der ihnen nach 100 Rennen wieder eine Pole-Position bringt - das ist eine Geschichte, die kannst du nicht einfach wegwischen."

"Wenn du den anderen Fahrer nimmst, gibst du eigentlich zu, dass du es des Geldes wegen gemacht hast, obwohl ich mich dagegen wehre, Maldonado nur als 20-Millionen-Fahrer zu handeln: Sorry, aber er ist genau wie Hülkenberg, Hamilton oder Rosberg GP2-Meister geworden. Der Bursche kann schon fahren und kommt nicht nur wegen Geld in die Situation, eine Chance auf die Formel 1 zu haben, sondern wegen seiner Leistung", erklärt der 82-fache Grand-Prix-Teilnehmer.

Von Hülkenberg gibt es "leider" nichts Neues: "Ich habe von Williams noch nichts gehört. Das Wichtigste für mich ist, nächstes Jahr in der Formel 1 zu sein", sagt der 23-Jährige, der durch die erste Pole-Position seiner Karriere viel Ansehen gewonnen hat: "Das allein verschafft mir zwar auch noch keinen neuen Vertrag, aber nehmen kann es mir auch keiner mehr. Das steht für immer in den Formel-1-Geschichtsbüchern", wird er von 'Auto Bild motorsport' (Jetzt abonnieren!) zitiert.


Fotos: Großer Preis von Abu Dhabi, Pre-Events


"Natürlich haben die Umstände geholfen", gesteht der Williams-Pilot im Nachhinein. "Wir hatten eine sehr gute Reifentemperatur, denn ich fuhr eine sehr aggressive Runde aus der Box heraus. Dann wurde es mit jeder Runde besser, die Temperatur stieg immer weiter an. Da lief mein Auto sehr gut, aber man konnte auf den Cockpitkameras auch sehen, dass es unter schwierigen Bedingungen eine sehr saubere Runde ohne Fehler war. Das bedeutete in Summe die Pole-Position."

Mit der gleichen Reifentemperatur wie Teamkollege Rubens Barrichello wäre Hülkenberg wahrscheinlich nicht ganz nach vorne gefahren, aber von Glück kann dennoch keine Rede sein, schließlich gehört der richtige Umgang mit den Reifen auch zu den Qualitäten, die ein guter Qualifyer beherrschen muss. Besonders beeindruckend ist, dass der Deutsche bei seinem ersten Antreten in São Paulo sofort schneller war als Lokalmatador Barrichello im 18. Versuch.

Highlight gesetzt, Mission erfüllt

"Ein Fahrer muss irgendwann mit irgendwas auffallen, ein Highlight setzen", lässt Surer die hohe Reifentemperatur nicht als relativierendes Argument gelten. "Wenn du in einem Team fährst, das nicht ganz vorne liegt, musst du halt einmal bei besonderen Bedingungen eine Bestzeit fahren und zeigen: 'Hallo, da bin ich!' Das erwarte ich von jedem, der überdurchschnittlich talentiert ist. So etwas hat Hülkenberg damit gezeigt."

"Klar, es ist alles erklärbar, aber man würde eigentlich erwarten, dass erfahrene Piloten eher dazu in der Lage sind, die Reifen zum Funktionieren zu bringen, weil sie wissen, wie man das macht. Wenn das ein Neuling auf die Reihe kriegt, ist es umso bemerkenswerter - vor allem gegen Barrichello auf dessen Heimstrecke in Interlagos. So gesehen ist das sehr wertvoll", lobt der Schweizer die Performance von Hülkenberg.

Nico Hülkenberg

In São Paulo gab Nico Hülkenberg eine tolle Visitenkarte für 2011 ab Zoom

"Ihn jetzt abzuschieben, weil man Geld braucht, ist ein schlechtes Zeichen", richtet sich Surer an das Williams-Team, das die Fahrerentscheidung erst nach Saisonende treffen wird. Zuletzt waren ja auch Spekulationen aufgekommen, wonach nicht Hülkenberg, sondern Barrichello für Maldonado Platz machen könnte. Hülkenberg ist ein Versprechen für die Zukunft, während sich Barrichello bereits im Spätherbst oder gar Winter seiner langen Karriere befindet.

Aber: "Williams liebt Haudegen", winkt Surer ab. "Wenn sie einen Neuling haben plus einen Fahrer mit einem Jahr, kann das eigentlich nicht gut sein. Natürlich wissen wir, dass die Aussagen des Fahrers mit der Telemetrie und so weiter nicht mehr ganz so wichtig sind wie früher, trotzdem ist es so, dass du einen sicheren Wert im Team haben musst. Damit würden sie sich ins eigene Fleisch schneiden - und es wäre nicht die Strategie, die Williams so viele Jahre verfolgt hat."

Indes weiß Hülkenberg, dass er dieses Wochenende in Abu Dhabi noch einmal die Chance hat, seine Visitenkarte abzugeben. Allerdings erwartet er sich keine Wunderdinge: "Das Rennen in Brasilien hat gezeigt, dass wir mit den großen Jungs nicht mithalten können. Die Pace war einfach nicht da, daher erwarte ich mir auch hier keine Wunder. Wir gehören zwischen P8 und P12 hin. Daher würde ich mich über weitere Punkte schon freuen", meint der Wahlbrite abschließend.