Moss: Webber sollte Vettel dankbar sein

Während für Stirling Moss Vettel der Grund für Webbers Höhenflug ist, sieht Alan Jones die Ursachen in den mageren Jahren seiner Karriere

(Motorsport-Total.com) - Die Körpersprache beweist es: Mark Webber wäre es in machen Situationen lieber, wenn Sebastian Vettel nicht sein Teamkollege wäre. Als der Heppenheimer nach dem Sieg beim Grand Prix von Brasilien demonstrativ wartete, bis Webber aus seinem RB6 ausstieg, um sich die Gratulation vom "Aussie" abzuholen, merkte man dem Zweitplatzierten den Widerwillen sichtlich an.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Webber musste sich seit Beginn seiner Karriere gegen Widerstände durchsetzen

Dennoch erlebt der 34-Jährige an der Seite des 23-Jährigen die erfolgreichste Phase seiner bereits langen Karriere, in der er noch nie einen internationalen Titel gewonnen hat. Für den erfolgreichsten Nicht-Weltmeister der Geschichte, Sir Stirling Moss, liegt der Grund tatsächlich beim ungeliebten Teamkollegen: "Ich glaube, dass Vettel Webber herausfinden lässt, wo seine Limits sind."

Demnach begründet sich Webbers Höhenflug drauf, dass er sich mit dem schnellsten Mann der Formel 1 messen kann. "Ich würde sagen, dass Vettel derzeit so schnell wie kein anderer ist", bestätigt der Brite gegenüber 'AAP'. "Der Faktor, dass Vettel sein Teamkollege ist, macht es für ihn umso wichtiger, alles zu geben. Er hat sich dadurch irrsinnig gesteigert und bringt großartige Leistungen."

Moss glaubt nicht, dass Webber mit Saisonende aufhört

Früher halt Webber als starker Qualifyer, aber als mittelmäßiger Rennfahrer - das hat sich laut der 81-jährigen Legende nun genändert: "Mark ist heute wirklich konstant. Ich bin schwer beeindruckt, wie sehr er sich verbessert hat." Auch an ein Karriereende des ältesten Piloten im Titelkampf glaubt Moss nicht - er verweist auf seine eigene Rennvergangenheit: "Juan Manuel Fangio war 47 und die Rennen dauerten damals drei Stunden lang. Natürlich sind die G-Kräfte heute viel größer, doch kaum einer, der zehn Jahre jünger ist, ist so fit wie Mark. Ich wäre sehr überrascht, wenn er als Weltmeister aufhören sollte."

"Webber hat sich durch Vettel irrsinnig gesteigert." Stirling Moss

Sollte ihm das tatsächlich gelingen, dann wäre Webber der erste australische Formel-1-Weltmeister seit Alan Jones. Für den inzwischen 64-Jährigen, der Williams den ersten WM-Titel bescherte, ist aber eines klar: Er wird sich von seinem Landsmann vor dem Titelfinale in Abu Dhabi fernhalten. Jones war beim Rennen in Südkorea vierter FIA-Rennkommissar. Als der den Red-Bull-Piloten unmittelbar vor dem Start des Rennens traf, sagte er zu ihm: "Bring den Titel nach Hause". Wenig später rutschte Webber auf nasser Fahrbahn am Randstein aus und donnerte in die Mauer - das Rennen war für ihn beendet.

"Diesmal sage ich sicher nichts zu ihm", kündigte Jones gegenüber dem 'Sydney Morning Herald' an. Dennoch wird er Webber die Daumen drücken. Auch wenn man Jones über ihn sprechen hört, dann schwingt viel Bewunderung mit: "Alleine die Tatsache, dass jemand die Entscheidung trifft, seine Sachen zu packen und ab sofort auf der anderen Seite der Welt zu leben, um sein Ziel zu erreichen, sagt etwas über seine Entschlossenheit und seinen Geist aus."

Jones: Magere Jahre als Webbers Trumpf

Jones ist diese Einstellung nur allzu bekannt, zumal auch der Sohn eines australischen Autoverkäufers 1970 nach London zog, um sich seinen Motorsport-Traum zu erfüllen - und dabei nur 50 Pfund in seiner Tasche hatte. "Man kann nicht nach Hause gehen und jeden Sonntag mit der Mutter einen Rostbraten essen. Mark ist sehr entschlossen, sehr zielstrebig - und das zeigt sich jetzt."

"Wenn es zu Psychospielchen kommt, ist Mark vielleicht am besten gewappnet." Alan Jones

Jones glaubt auch, dass Webber durch seine Geschichte in einem im WM-Kampf üblichen Psychoduell besonders gut gerüstet ist: "Wenn es zu Psychospielchen kommt, ist Mark vielleicht besser gewappnet als jeder andere im Feld. Er ging den harten Weg, er fuhr viele wenig konkurrenzfähige Autos, während die anderen - mit allem notwendigen Respekt - mit dem Silberlöffel im Mund Karriere machten."

Den Gedanken so mancher Experten, wonach Webber es durch seine Vergangenheit nicht weiß, wie man Meisterschaften gewinnt, kann Jones nicht viel abgewinnen: "Die mageren Jahre, seine Erfahrung und seine Entschlossenheit werden ihm helfen. Er hatte so viele schlechte Autos in seiner Karriere. Die Tatsache, dass er trotzdem nie aufgegeben hat, ist heute sein Vorteil."