• 18.05.2005 15:48

Surer: "Alonso muss doch nur noch Zweiter werden"

Auch wenn Fernando Alonso 2005 keinen Sieg mehr einfahren würde, der Titel wäre ihm kaum noch übernehmen - Fittipaldi-Rekord wackelt

(Motorsport-Total.com) - Mit 22 Punkten Vorsprung auf Jarno Trulli führt Fernando Alonso die Fahrerwertung der Formel 1 nach fünf absolvierten Rennen an. Während die Konkurrenz erst nach und nach die angestrebte Form findet, heimst Renault, und allen voran Alonso, kräftig Punkte ein. Im Laufe der Saison könnte sich das jetzt geschaffene Punktepolster noch als äußerst hilfreich erweisen, denn das momentane Punktesystem spielt dem Spanier in die Hände.

Titel-Bild zur News: Marc Surer

Marc Surer ist mit dem momentanen Punktesystem nicht zufrieden

"Renault war Anfang der Saison fertig. Die sind gekommen mit einem funktionierenden Auto und einer sehr hohen Grundschnelligkeit", erklärte auch 'F1Total.com'-Experte Marc Surer. "Obendrein ist das Auto zuverlässig und sehr gut in schnellen Kurven. Auch die Traktion ist gut. Bei den Tests war McLaren genauso schnell, aber im Renntrimm hat sich herausgestellt, dass der Renault zunächst das fertigere Auto war. Diesen Vorsprung haben sie clever ausgenutzt."#w1#

Doch auch der Ex-Formel-1-Pilot erwartet, dass sich die Leistungsverteilung in der Formel 1 künftig etwas anders präsentieren wird. "So langsam kommt die Konkurrenz näher. Toyota hat sich unglaublich gesteigert, McLaren hat endlich die Probleme im Griff. Jetzt werden sie langsam ein- beziehungsweise sogar überholt", so der Schweizer. Nun müsse Renault wieder eine Schaufel zulegen, um sich wieder Luft vor der Konkurrenz zu verschaffen.

Surer und Fittipaldi: Alonso ist abgeklärt genug für den Titel

"Ich glaube, dass Renault noch extra was locker machen kann, denn die Chance auf die Weltmeisterschaft ist vielleicht nächstes Jahr nicht mehr da. Sie fahren mit einem kleineren Budget, das darf man nicht vergessen", erklärte der 53-Jährige weiter. "Renault arbeitet mit einem Budget, das mit dem der Top-Teams, gegen die sie kämpfen, nicht zu vergleichen ist. Das muss man berücksichtigen."

Für den Schweizer ist es aber durchaus vorstellbar, das Renault zusätzliches Geld in das Formel-1-Projekt schießt. Die Franzosen wissen aus eigener, leidvoller Erfahrung, dass sich die Chance auf den Titel nicht sehr häufig ergeben muss. Beim ersten Versuch mit einem Werksteam (von 1977 bis 1985) hatte man nur 1983 reelle Chancen auf den Titel, doch Alain Prost unterlag Nelson Piquet mit einem Rückstand von nur zwei Punkten.

Das kleine Budget von Renault brächte die Gefahr mit sich, "dass sie während der Saison eingeholt werden oder zurückfallen", wie Surer erklärte. "Ich denke aber, dass Renault in diesem Jahr Geld zuschießen wird, damit man weiterentwickeln kann, denn so eine Chance kommt vielleicht nie wieder." Um die Möglichkeiten 2005 auszunutzen, müssen beide Fahrer auch weiterhin mit Köpfchen fahren, doch gerade Alonso hat in Barcelona bewiesen, dass er sich hier nicht hinter den erfahreneren Piloten verstecken muss.

"Im Rennen war er wahnsinnig cool und hat auf seine Reifen geschaut. Er hat gesehen, dass er Räikkönen nicht halten kann, und fuhr auf Platz zwei. Das ist die Abgeklärtheit, die es braucht, wenn man Weltmeister werden will", so Surer. Emerson Fittipaldi, der seinen Titel als jüngster Formel-1-Weltmeister noch in dieser Saison an Alonso verlieren könnte, sieht es ähnlich.

"Er ist am Lenkrad sehr intelligent", so der Brasilianer, Weltmeister der Jahre 1972 und 1974, in der 'Marca'. "Er ist ein Fahrer, der ein Rennen sehr gut lesen kann. Er wird nicht nervös und macht keine Fehler. Das Rennen in Imola, als er gegen Michael Schumacher gewann, hat mich begeistert. Er ging mit dem Druck verdammt gut um. Einige Fahrer hätten unter diesem Druck nachgegeben, aber er schaffte es. Das zeigt die Reife des erst 23-Jährigen. Nach diesem Rennen wusste ich, dass er Weltmeister werden kann."

Surer: "Ich mochte dieses Reglement nie"

Seinem Rekordtitel würde Fittipaldi auch nicht nachweinen. "Vor 33 Jahren habe ich diesen Rekord eingefahren, ich hatte ihn lange genug", erklärte er. "In den vergangenen Jahrzehnten gab es eine Menge von unglaublichen Talenten, aber keiner konnte meinen Rekord knacken. Senna nicht, Prost nicht, auch nicht Piquet. Ich dachte, dass Michael Schumacher es schaffen könnte, aber auch er war dazu nicht in der Lage."

Die Chancen von Alonso, sich als jüngster Formel-1-Weltmeister aller Zeiten zu krönen, stehen gut. Dabei hilft ihm aber auch das derzeitige Punktesystem. "Dieses doofe Punktereglement erlaubt es Alonso, von jetzt an nur noch Zweiter zu werden - und er würde trotzdem Weltmeister", so Surer. "Ich mochte dieses Reglement nie, das ursprünglich gemacht worden ist, damit Michael Schumacher nicht mehr davonziehen kann. Jetzt sorgt es dafür, dass er nicht aufholen kann. Dass der Führende dann defensiv fährt, so wie es Alonso vorgemacht hat, ist dann nur logisch."

Von nun an müsse sich der Spanier nur auf da Ankommen konzentrieren, und "auch in der Entwicklung darf man kein Risiko eingehen", so der Schweizer. "Für mich muss derjenige Weltmeister werden, der die meisten Rennen gewinnt. Wenn sie die gleiche Anzahl an Siegen haben, dann muss der mit mehr zweiten Plätzen vorne sein. Nur das macht Sinn. Dass man als Punkteeichhörnchen Weltmeister wird, kann uns dieses Jahr passieren. Theoretisch ist es sogar möglich, dass jemand ohne einen Sieg Weltmeister wird. Das finde ich doof."

Es wäre nicht das erste Mal in der Formel-1-Geschichte, dass ein "Punkteeichhörnchen" Weltmeister werden würde. 1982 sicherte sich Keke Rosberg den Titel. Der WilliamsF1 Pilot gewann jedoch nur das Rennen in Dijon, aber fünf Fahrer (René Arnoux, Didier Pironi, John Watson, Niki Lauda und Alain Prost) gewannen bei zwei Gelegenheiten. Doch zu dieser Zeit war ein Sieg nur neun Punkte wert, und nur die besten elf Ergebnisse der Saison mit 16 Rennen zählten zur Meisterschaft.

"In der Prost/Senna-Ära hat man irgendwann von neun Punkten für den Sieger auf zehn erhöht (ab 1991; d.Red.)", erklärte Surer. "Dieselben Leute haben jetzt offenbar vergessen, warum sie das damals gemacht haben, und sind in die andere Richtung gegangen. Statt vier Punkten Vorsprung auf den Zweiten sind es jetzt bei einem Sieg nur noch zwei. Das kann nicht sein. In der Formel 1 geht es um das Gewinnen, nicht um das Sammeln von Punkten."