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Stuck: "McLaren steht am meisten unter Druck"
Hans Joachim Stuck analysiert für 'F1Total.com' alle vier Top-Teams und äußert sich zu Stärken, Schwächen und möglichen Problemen
(Motorsport-Total.com) - Über viele Jahre war in der Formel 1 immer nur von den "großen Drei" die Rede. Mit dem beeindruckenden Aufstieg von Renault ist das Trio Ferrari, BMW-Williams und McLaren-Mercedes 2004 aber zu einem Quartett der Top-Teams erweitert worden.

© Imago
Stuck: "Ferraris Verfolger sind in der Pflicht"
Alle verfolgen nur ein Ziel: den Gewinn des WM-Titels. Dies dürfte auch für Renault gelten, auch wenn sich die Franzosen bei der Präsentation des neuen R24 in Palermo beharrlich als klarer Außenseiter im WM-Kampf verkaufen wollten.
Aber welches der vier Teams macht im Augenblick den stärksten Eindruck, welche Mannschaft befindet sich in der besten Ausgangslage? Der ehemalige Formel-1-Fahrer Hans Joachim Stuck hat die Anwärter für 'F1Total.com' unter die Lupe genommen und ihre aktuelle Situation analysiert.#w1#
Renault
"Ich gehe davon aus, dass der R24 mit Sicherheit nicht schlechter ist als sein Vorgänger. Wenn man ein neues Auto baut, dann verspricht man sich immer einiges. Wenn es bei Renault nur annähernd so gut läuft wie im letzten Jahr, dann ist mit ihnen auch 2004 zu rechnen. Ich wage allerdings zu bezweifeln, dass sie um den Titel mitfahren können. Für Überraschungen ist das Team aber allemal gut.
Beim Motor sind sie zum 72-Grand-Konzept zurückgekehrt. Das halte ich auch für richtig. Die anderen Hersteller wie Ferrari, BMW oder Toyota kommen ja auch nicht vom Mond und wissen, welche Lösung am besten ist. Von der Luftführung her war Renaults Ansatz sicher interessant, aber es fehlte einfach an Leistung. Den Versuch war es wert.
Man muss abwarten, wie das Team den Abgang von Mike Gascoyne verkraftet. Das ist ein wirklich guter Mann. Am neuen Auto hat er ja noch maßgeblich mitgearbeitet. Zu Beginn wird sich sein Wechsel zu Toyota also noch nicht auswirken. Aber im Verlauf der Saison kann das schon zum Problem werden. Gascoyne hat eine brutale Lücke hinterlassen.
Von der Fahrerpaarung Trulli/Alonso halte ich sehr viel. Die passen einfach gut zusammen, beide sind noch heiß und wollen sich einen guten Ruf erarbeiten. Sie bringen das Team weiter und ruhen sich nicht auf früher errungenen Lorbeeren aus. Renault wird sich auf jeden Fall immer wieder an der Spitze zeigen, davon bin ich überzeugt."
McLaren-Mercedes
"Bei McLaren-Mercedes gibt es keine aufwändige Präsentation. Das Team um Ron Dennis und Norbert Haug konzentriert sich auf das Wesentliche ? und das ist auch besser so, denn der MP4-19 darf auf keinen Fall zum Flop werden. Der WM-Titel ist das klare Ziel, umso mehr nach der guten Vorstellung von Kimi Räikkönen 2003.
Die Nase des neuen Silberpfeils ist sehr schlank, nicht umsonst wird der Wagen 'Delfin' genannt. Chefdesigner Adrian Newey wird schon wissen, ob dieses Konzept das richtige ist. Durch die peinlichen Verzögerungen im Vorjahr hatte er genug Zeit, das Auto da hinzubringen, wo er es haben möchte. Im Grunde ist es ohnehin völlig egal, welche aerodynamische Lösung die Teams wählen. Die Nase kann hinten, vorne, oben oder unten sein, sie muss nur funktionieren.
Aus meiner Sicht steht McLaren-Mercedes von allen vier Top-Teams am meisten unter Druck, da müssen die Resultate auf der Strecke stimmen. David Coulthard hat hingegen weniger Druck als früher. Er weiß, dass er 2005 nicht mehr für McLaren fährt und kann die Rennen nun befreit angehen. Denn ich bin mir sicher, dass er auch nachher noch einen guten Vertrag bekommt. Das kann ich nur jedem Teamchef raten. Coulthards Erfahrung bringt jedes Team nach vorn. Auch im Titelrennen 2004 würde ich den Schotten keineswegs abschreiben. Alles blickt auf Räikkönen, vielleicht wird das die große Chance für 'DC'. Es wird darauf ankommen, wer bei den ersten Rennen konstant punkten kann."
BMW-Williams
"Mit der spektakulären Doppelkiel-Konstruktion hat der Williams FW26 mit Sicherheit den größten Hingucker des Jahres zu bieten. Und: Die Nase funktioniert, das haben die guten Zeiten bei den Tests in Spanien gezeigt. Wie gut das Konzept jedoch im Vergleich zur Konkurrenz aufgeht, wird sich erst noch herausstellen.
Für seine Verhältnisse hat sich Frank Williams ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt. Der Titel wurde dort eindeutig als großes Ziel ausgegeben. Das ist mutig und lässt vermuten, dass der alte Fuchs großes Vertrauen in den neuen Wagen setzt.
Auch bei BMW-Williams wird sich in den ersten Rennen entscheiden, auf welchen Fahrer das Team im Verlauf der Saison setzen wird. Entweder Juan Pablo Montoya oder Ralf Schumacher, auf einen muss man sich festlegen. Wer das ist, dürfte Williams egal sein. Montoya ist ohnehin bald weg, und auch bei Ralf ist die Sache ja alles andere als sicher. Wer den Titel dann holt, das ist völlig unerheblich. Das Zeug dazu haben beide, keine Frage."
Ferrari
"Der F2004 haut den Betrachter zunächst nicht vom Hocker. Aber Michael Schumacher hat es ja selbst gesagt, man sollte sich den Wagen im Detail ansehen. Ich muss ihm auch Recht geben, wenn er sagt, dass es sehr schwierig sei, ein Weltmeister-Auto im Rahmen des engen Reglements noch radikal zu verbessern. Das geht nicht. Warum also nicht im Detail modifizieren und auf dem Bewährten aufbauen.
Man darf also auf keinen Fall den Fehler machen und Ferrari plötzlich in die Außenseiterolle stecken. Das wäre schlichtweg töricht. Die Roten werden sich sehr stark auf ihre Reifen konzentrieren. Denn da gab es 2003 ja einige Male Probleme. Wenn sie das in den Griff bekommen ? und davon bin ich überzeugt -, dann führt der Weg zum Titel auch 2004 nur über Michael Schumacher.
Konservativ ist für den F2004 der falsche Ausdruck. Der Wagen ist eine sichere Variante ? und vielleicht auch am Ende die vernünftigere. Denn Schumacher will seinen siebten Titel. Da ist er geschickt genug, schon im Vorfeld unnötige Risiken zu umschiffen. Er braucht ein schnelles und zuverlässiges Auto. Das wird ihm Ferrari mit Sicherheit in Melbourne bieten können. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass wir zum Saisonstart doch den F2003-GA wiedersehen. Ein Nachteil wäre es ganz sicher nicht."
Fazit
"Ferraris Verfolger sind in der Pflicht und haben deshalb auch die radikaleren Ansätze geliefert. Alles andere wäre auch enttäuschend gewesen. Welches der vier Top-Teams den besten Wagen gebaut hat, das kann ich ihnen nicht sagen. Denn so gerne auch auf Basis der Testergebnisse spekuliert wird, ich halte mich an die Maxime: Erst beim ersten Rennen in Australien wissen wir, wie das Kräfteverhältnis 2004 aussehen wird."

